Canon 5D Mark 4 im Test: Teures Upgrade zur Vollausstattung
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Ich verbinde mit der 5D-Serie gute Erinnerungen. Bevor es die 6D gab, war es die günstigste Möglichkeit um ein Canon-System mit Vollformat-Sensor zu bekommen. Als ambitionierter Amateur (aka: bereit viel Geld auszugeben, aber nicht die Skills um die Kamera voll auszureizen) verfolge ich die Philosophie: Lieber einmal zu viel Geld ausgeben und sich die nächsten fünf Jahre über die Vollformat-DSLR freuen, als ein günstigeres Modell kaufen und der Kamera anstatt sich selbst die Schuld geben, wenn die Fotos nichts werden.
Die Mark 2 hat mich damals die Leidenschaft zur Fotografie entdecken lassen. Die Mark 3 ist bis heute meine private DSLR, mit der auch viele Fotos für die Berichterstattung auf futurezone.at entstehen. Und das wird wohl auch noch eine Weile so sein. Denn die Mark 4 schlägt die Mark 3 zwar in so ziemlich allen Punkten, der UVP von 4.100 Euro übersteigt aber die ambitionierter-Amateur-Schmerzgrenze.
Leichter
Das Gehäuse der Mark 4 ist um 150 Gramm leichter. 800 Gramm sind zwar immer noch viel, läuft man aber den ganzen Tag mit der DSLR auf einer Messe herum, freut man sich über jedes Gramm, das eingespart wird.
Ansonsten hat sich nicht viel getan, weshalb sich Mark-3-Besitzer kaum umstellen müssen. Der Joystick und das Einstellrad an der Rückseite sind etwas griffiger, die Beschriftung für Live-Bild und Video-Aufnahme ist links unten am Regler statt oben und die Lock-Taste ist eine Spur mehr nach rechts gerückt.
Neu ist die AF-Bereich-Wahltaste rechts unter dem Joystick. Damit kann der AF-Bereich schnell durchgeschaltet werden, um von dem mittleren Fokuspunkt auf größere Fokusbereiche zu wechseln. Bisher wurde das gemacht, indem erst die AF-Feldauswahltaste und dann die M-Fn-Taste gedrückt wurde. Alternativ kann die neue Taste umgelegt werden, um durch das Drehen des oberen Wahlrades ISO oder Belichtungskorrektur auszuwählen, solange die Taste gedrückt gehalten wird.
Batteriegriff
Die AF-Bereich-Wahltaste befindet sich auch auf dem neuen Batteriegriff BG-E20 (UVP 399 Euro). Der Griff der Mark 3 ist nicht kompatibel, die Akkus schon. Bei der Batterielade des BG-E20 wurde ebenfalls versucht Gewicht zu sparen, wodurch das Konstrukt aus dünnem, glänzenden Plastik aber nicht besonders stabil wird.
Das Einrasten der Batterie erfolgt durch den Widerstand des dünnen Plastiks. Dadurch haben die Akkus ein wenig Spiel. Trägt man die Kamera an der Schlaufe um den Hals, merkt man, dass sich etwas im Batteriegriff bewegt. Zu Beginn des Tests habe ich mehrmals versucht die Schraube des Batteriegriffs nachzuziehen, weil ich dachte, diese sei locker geworden, bis ich darauf gekommen bin, dass die Ursache im Inneren des Griffs zu suchen ist.
Sucher
Bei der Qualität des Suchers ist mir kein Unterschied zu dem der Mark 3 aufgefallen. Er ist immer noch gut, aber nicht so gut wie bei der Nikon D810. Dafür kann im Sucher aber jetzt eine Wasserwaage eingeblendet werden, was sehr praktisch ist.
Drückt man die WB- oder Drive-Taste, werden die entsprechenden Modi jetzt im Sucher angezeigt. Bei der Mark 3 musste man noch absetzen, um sich diese Informationen vom oberen Display zu holen. Auf Wunsch können auch Akkustand, gewählter Modus, Weißabgleich oder andere Infos permanent im Sucher eingeblendet werden.
Touchscreen
Das Display ist jetzt ein Touchscreen. Wischgesten und Pinch-to-Zoom funktionieren, sind aber langsamer als beim Smartphone und auch langsamer als die herkömmliche Bedienung der Mark 4. Etwas mehr Sinn macht der Touchscreen zum Auswählen der Schnelleinstellungen am Display, die mit der Q-Taste aufgerufen werden. Der Inhalt dieses Menüs kann frei mit verschiedenen Elementen, in verschiedenen Größen, belegt werden. Das erinnert ein bisschen an das Füllen des Android-Homescreens mit Widgets. Wer den Touchscreen nicht braucht, kann ihn auch komplett deaktivieren.
Das Display ist mit 1.620.000 Bildpunkten hochauflösender als das der Mark 3 (1.040.000 Bildpunkte), was sich im Alltag positiv bemerkbar macht. Zudem gibt es jetzt endlich eine automatische Helligkeitseinstellung. Die Farbe des Displays kann in vier Stufen (Warm, Standard, Kalt 1 und Kalt 2) ausgewählt werden.
Dual Pixel RAW
Dual Pixel RAW wird vor allem Profifotografen ansprechen und ist am ehesten für die Portraitfotografie geeignet. Jeder Pixel des Sensors besteht aus zwei Fotodioden. In diesem Modus wird eine RAW-Datei aus diesen zwei minimal versetzten Aufnahmen erstellt. Dies erlaubt das nachträgliche Verschieben des Fokus in Canons eigener Bildbearbeitungssoftware.
Canon spricht hier zur Recht von einer Mikrojustierung. Bei einem Portrait ist es möglich den Fokuspunkt von den Wimpern auf die Pupille zu legen. Ein Ändern der Schärfe um mehrere Zentimeter oder gar Meter, wie bei Lytros Lichtfeldkameras, ist nicht möglich.
NFC und WLAN
Ist die App installiert und wurde die Verbindung zuvor bereits eingerichtet, reicht es das Smartphone rechts an die Kamera zu halten, um per NFC die WLAN-Verbindung aufzubauen. Das dauert etwa zehn Sekunden. Per App können die Bilder, die auf der Mark 4 gespeichert sind, am Smartphone angeschaut werden. Das ist ziemlich langsam, auch das Übertragen der Fotos, egal ob verkleinert oder Originalgröße, dauert trotz direkter WLAN-Verbindung zu lange.
Für Profifotografen ist die eingebaute WLAN-Funktion der Mark 4 dennoch sinnvoll. Damit sind automatische Übertragungen zum Notebook möglich, FTP/FTPS wird ebenfalls unterstützt. Bei der Mark 3 war hierfür noch der WFT-E7 Wireless Transmitter nötig, der zwar zusätzliche Funktionen bot, zum Start aber 759 Euro kostete.
Als Fernauslöser für die Mark 4 macht die Smartphone-App mehr Sinn. Zwar könnte sie auch hier etwas flotter reagieren, aber für die seltenen Fälle, in denen ein Fernauslöser benötigt wird, reicht es jedenfalls.
GPS
Neben WLAN ist jetzt auch GPS fix in der Mark 4 verbaut. Das GPS zeichnet zum Breiten- und Längengrad auch die Höhe auf. Auf Wunsch kann die Uhrzeit der Kamera per GPS aktualisiert werden.
GPS kann in zwei Modi verwendet werden. Im Modus 1 ist GPS auch bei ausgeschalteter Kamera aktiv, um konstant ein Signal zu empfangen. Im Modus 2 ist GPS nur bei eingeschalteter Kamera aktiv. Es kann auch die Route aufgezeichnet werden, die die Kamera zurücklegt. Diese Daten werden im internen Speicher der Mark 4 abgelegt und können auf die Speicherkarte übertragen werden. Die Route kann später in Map Utility in der Canon-Software ausgelesen und auf einer Karte angezeigt werden.
Flicker und Weißabgleich-Priorität
Der Anti-Flicker-Modus passt die Verschlusszeit der Kamera so an, dass das Bild bei flackerndem Licht gleichmäßig ausgeleuchtet wird, wie etwa bei Neonröhren oder anderen Kunstlichtquellen. Erkennt die Mark 4 flackerndes Licht, wird im Sucher ein „Flicker“ als Warnung eingeblendet. Der Anti-Flicker-Modus erfüllt seinen Zweck bei Kunstbeleuchtung. Das Abfotografieren von Displays erleichtert er leider nicht – hier muss man immer noch die Einstellungen manuell anpassen, um die Streifen aus den Aufnahmen rauszukriegen.
Sehr praktisch war für mich, dass der automatische Weißabgleich auf „Priorität Weiß“ gestellt werden kann. Dabei wird bei Kunstlicht die gelb/orange Färbung reduziert. Gerade in Messesituationen, wie bei der CES, konnte ich mir so beim Fotografieren das Nachbearbeiten vieler Bilder ersparen. Natürlich könnte man auch den Weißabgleich manuell festlegen, in einer gestopft vollen Messehalle, bei der Menschen ständig drängen und schubsen, ist das aber nervenaufreibend.
Fotografiert man im Freien mit automatischem Weißabgleich, sollte sicherheitshalber der normale Modus aktiviert werden, da sonst orange/gelbe Lichtstimmungen verfälscht werden.
Leistung
Der Vollformatsensor hat 30 Megapixel, bei der Mark 2 waren es 22,3. Trotz mehr Pixel ist die Geschwindigkeit höher geworden. Mit vollem AF und AE sind sieben Bilder pro Sekunde möglich. In einem Punkt kann die Mark 4 die Mark 3 aber nicht ausstechen: die Lautstärke. Im normalen Modus ist der Auslöser in etwa gleich laut, im Silent-Mode ist die Mark 3 leiser. In diesem Punkt kommt aber kaum eine andere Vollformat-DSLR an die Mark 3 heran.
Trotz höherer Pixeldichte des Sensors ist das Rauschverhalten besser als bei der Mark 3. Erst bei ISO 12.800 wird das Rauschen in der 1:1-Ansicht bemerkbar. Bei ISO 25.600 wird bei verkleinerten Bildern die blassere Darstellung von Farben auffällig, bei 32.000 ist auch bei verkleinerten Aufnahmen ein leichtes Rauschen bemerkbar. Selbst bei ISO 102.400 sind die Aufnahmen noch akzeptabel, wenn sie für verkleinerte Fotos genutzt werden sollen.
Einer der größten Kritikpunkte von Profifotografen an der Mark 3 war der geringe Dynamikumfang. Dieser ist bei der Mark 4 deutlich besser. Dadurch sind mehr Details beim Fotografieren bei starken Kontrasten vorhanden, wie etwa bei Schnee oder Fotos bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang. In den Labortests von DXOMark wird der höhere Dynamikumfang gegenüber der Mark 3 belegt. Allerdings schneiden die ältere Nikon D810 und D800 immer noch besser ab – sowie einige DSLRs mit APS-C-Sensor.
Schnellerer Autofokus
Das Zwei-Pixel-System des Sensors verbessert die Präzision und Geschwindigkeit bei Live-View-Aufnahmen und Videos. Im Live-View-Modus kann jetzt auch bei Fotoaufnahmen der Servo-AF genutzt werden. Ich war positiv überrascht, wie schnell und präzise die Mark 4 hier fokussiert. Auch bei Videos ist der kontinuierliche Autofokus schnell. Wer will kann während des Filmens auf den Touchscreen tippen, um auf das gewünschte Motiv scharfzustellen.
Bei der Verwendung des Suchers ist der bessere Autofokus hauptsächlich bei Aufnahmesituationen mit wenig Licht merkbar. 61 AF-Felder bzw. 21 Kreuzsensoren der Mark 4 arbeiten bis zu einer Lichtstärke von 1:8. Bei der Mark 3 schaffte das nur ein AF-Feld.
Tiefpassfilter und Überschärfe
Entgegen dem allgemeinen Trend auf einen Tiefpassfilter zu verzichten, wie es auch die Konkurrenz-DSLR Nikon D810 macht, hat die Mark 4 den Tiefpassfilter noch. Im direkten Vergleich mit der D810 fällt das auf, weil den Fotos das gefühlt letzte bisschen Klarheit fehlt.
Bei JPEGs gibt es dennoch gewohnt gute Canon-Qualität. Die Bilder sind für manche vielleicht etwas zu überschärft, was aber für jeden der elf Bildstile mit den Parametern Stärke, Feinheit und Schwelle nachjustiert werden kann. Die Farbdarstellung ist auf gewohnt hohem Canon-Niveau. Das Standard-Bildprofil passt für fast alle Situationen und liefert realistische Farben, ohne, dass sie zu blass oder übersättigt wirken.
Für die Belichtungssteuerung nutzt die Mark 4 einen 150.000 Pixel RGB+IR Messsensor, bei der Mark 3 war es ein 63-Zonen-Messsensor. Beim Testen der Mark 4 musste ich seltener die Belichtungskorrektur anwenden als bei der Mark 3. Wenn ich Nachjustieren musste, dann um weniger Belichtungsstufen als bei der Mark 3.
Echte 4K-Videos
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Mark 4 den ambitionierten Amateuren den Rücken kehrt und sich an Profis richtet, ist die Videoaufnahme-Funktion. Sie nimmt Videos im echten 4K-Format 4.096 x 2.160 Pixel auf, was professionellen Filmemachern zugutekommt. Das bei Konsumenten gängigere UHD-Format (3.840 x 2.160 Pixel) wird nicht unterstützt.
Die 4K-Videos werden im Motion-JPEG-Verfahren mit maximal 30 B/s aufgezeichnet (500Mbit/s, 4:2:2). Die Aufnahme erfolgt nur intern, der HDMI Out der Kamera kann das 4K-Signal nicht zu einem externen Recorder durchschleifen. Da bei Motion JPEG keine effektive Kompression hat, wird eine schnelle Speicherkarte benötigt, um Ruckler oder Aufnahmeabbrüche zu vermeiden. Empfohlen ist eine UDMA7-Compact-Flash-Karte. Eine UHS-I-SD-Karte kann bereits zu langsam sein. Ein Vorteil von Motion JPEG: Aus den Aufnahmen lassen sich sehr einfach Einzelbilder mit 8,8 Megapixel extrahieren.
Wie viele andere DSLRs auch leiden die Videoaufnahmen der Mark 4 unter dem Rolling-Shutter-Effekt. Bei schnellen Schwenks können Objekte verzerrt wirken. Der Effekt tritt auch auf, wenn die Kamera in Bewegung ist und nicht ausreichend stabilisiert ist, etwa wenn man mit der DSLR in der Hand geht, ohne einen Gyrostabilisator zu verwenden. Bei 4K-Videos ist der Rolling Shutter bei der Mark 4 stark ausgeprägt. Bei FullHD-Videos ist der Effekt geringer. Lassen sich Schwenks oder schnelle Kamera-Bewegungen aufgrund der Drehsituation nicht vermeiden, sollte man lieber in FullHD filmen.
Ein weiterer Vorteil der FullHD-Aufnahme: Hier kann die Mark 4 auch HDR-Videos aufnehmen. Dies ist aber nur mit 30 Bildern pro Sekunde und IBP-Kompression möglich.
Fazit
Die 5D-Serie wandelt sich von der Einsteiger-Vollformat-DSLR zur Profi-Kamera. Dieser Prozess ist mit der Mark 4 noch nicht ganz abgeschlossen, wie das Fehlen von verschiedenen Kompressionsverfahren für 4K-Videos zeigt oder das Festhalten am Tiefpassfilter.
Ambitionierte Amateure werden sich aufgrund des hohen Preises gut überlegen, ob sie ihre Mark 3 zur Mark 4 aufrüsten, oder lieber auf die Vorstellung der günstigeren 6D Mark 2 warten. Gerüchten zufolge könnte diese Vollformat-DSLR noch diesen Sommer vorgestellt werden.
Für User, die die Mark 3 als Arbeitsgerät und nicht an Hobbyutensil besitzen, ist das Upgrade zwar ebenfalls teuer, aber sinnvoll. Denn die Mark 4 bessert viele Schwächen des Vorgängermodells aus, was den Fotografen-Alltag einfacher, oder zumindest angenehmer, macht.
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