Samsung Gear S2 und S2 Classic
Samsung Gear S2 und S2 Classic
© Gregor Gruber

Gear S2 im Test: Samsung hat den Dreh raus

Gear S2 im Test: Samsung hat den Dreh raus

Mit der Gear S2 hat Samsung seine erste runde und bisher schönste Smartwatch veröffentlicht. Im Gegensatz zu den Modellen der Konkurrenz setzt man auf einen funktionalen Ring, der sich tatsächlich positiv auf die Bedienbarkeit auswirkt. Die futurezone hat die Gear S2 (349 Euro) und Gear S2 Classic (379 Euro) getestet.

Modern

Die Gear S2 ist optisch sehr gelungen. Für den Test stand die Anthrazit-farbene Version zur Verfügung, eine weiße Variante ist ebenfalls erhältlich. Das dunkelgraue Gehäuse sieht elegant aus, das Gummiarmband passt perfekt zum Look. Die Spaltmaße sind gering, es gibt keine unschönen Lücken oder harte Kanten. Sogar das Armband geht harmonisch in das Gehäuse über.

Durch die geschickten Rundungen und die Form des Gehäuses wird der Bauch der S2 effektiv versteckt. Am Handgelenk wirkt die Uhr viel dünner, als sie tatsächlich ist. Insgesamt sieht die S2 einfach gut aus, wenn man etwas für modernes und industrielles Design über hat: Schlicht und elegant, aber nicht billig - unauffällig und trotzdem schön anzusehen.

Klassisch

Die Gear S2 Classic ist technisch mit der Gear S2 ident, versucht sich aber als traditionelle Armbanduhr zu tarnen. Das gelingt nur mäßig. Der geriffelte Ring der S2 Classic fühlt sich nicht so hochwertig an, wie es sein sollte. Auch die Farbe ist nicht optimal. Je nach Lichteinfall sieht die Gear S2 Classic wie ein Plastik-Imitat einer echten Uhr aus.

Dafür hat sie aber ein Armband aus echtem Leder, das wiederum durchaus gut aussieht. Während die Gear S2 einen proprietären Schnellverschluss für die Armbänder hat, ist es bei der S2 Classic ein handelsübliches 20mm-Armband. Sowohl die S2 als auch die S2 Classic werden mit Armbändern in zwei Größen ausgeliefert, damit sich die Smartwatches auch auf dünneren Handgelenken bequem tragen lassen.

Tolles Display

Auch bei strahlender Sonne ist das Display noch ablesbar

Das 1,2-Zoll-S-AMOLED-Diplay der S2 kann sich sehen lassen. Es ist kontrastreich, scharf und auch bei direkter Sonneneinstrahlung noch gut ablesbar. Selbst im Always-On-Modus bei reduzierter Helligkeit lässt sich die Zeit aus steileren Winkeln noch ablesen, etwa wenn man während des Tippens am Computer mal kurz Richtung Uhr lugt, ohne das Handgelenk in Richtung Kopf zu drehen.

Die S2 kommt ohne Streifen am unteren Display aus, wie es ihn etwa bei der Moto 360 gibt. Wenn man sich unbedingt über das Display beschweren will, dann am ehesten darüber, dass der Abstand zwischen Glas und Display ein wenig geringer sein könnte.

Der Ring-Trick

Die Gear S2 ergänzt die Touchscreen-Bedienung durch drei physische Elemente. An der rechten Seite befinden sich die Zurück- und Home-Taste. Diese sind versenkt genug, um ein unbeabsichtigtes Drücken zu vermeiden. Aus demselben Grund sind sie auch etwas schwergängig, was im Alltagsgebrauch aber nur selten stört. Außerdem kann man auch von oben nach unten wischen, wenn man nicht die Zurück-Taste drücken will.

Das dritte Bedienelement ist der Ring. Dieser lässt sich links und rechts drehen und hat dabei einen hör- und fühlbaren Klick. Aus dem Home-Menü bzw. dem Ziffernblatt aus dreht man links um die Benachrichtigungen zu sehen und nach rechts um durch Schnell-Apps zu scrollen. Diese sind ähnlich wie Widgets bei Android und können hinzugefügt, entfernt oder neu sortiert werden.

Samsung Gear S2

In Apps mit Texten, E-Mails und SMS kann mit dem Ring gescrollt werden. Der Vorteil dabei: Der Finger verdeckt nicht das Display, was beim Lesen von Nachrichten durchaus sinnvoll ist. Im radialen App-Menü sind die App-Icons am Display-Rand angebracht. Auch hier kann die Reihenfolge der Apps geändert werden. Dreht man den Ring wird das jeweilige Icon markiert und der App-Name in der Bildmitte angezeigt. Tippt man den Namen in der Bildmitte an, wird die App geöffnet.

Natürlich kann man auch einfach das kleine Icon antippen, wenn man das will. Die Ring-Bedienung ist allerdings so intuitiv und über mehrere Apps hinweg logisch, dass man sie gerne und effizient verwendet.

Tizen statt Android Wear

Die Gear S2 nutzt Samsungs eigenes Betriebssystem Tizen. Zwar funktioniert die Smartwatch auch mit vielen Smartphones anderer Hersteller (nicht mit dem Oneplus Two), allerdings ist man bei den Apps auf den Gear Store angewiesen. Da es deutlich mehr Android-Wear-Smartwatches als Tizen-Smartwatches gibt, ist die App-Auswahl eher gering.

Statt Google Maps muss man mit Here Maps vorlieb nehmen. Um das nutzen zu können, muss man sowohl Here Maps für die Gear S2, als auch für das Smartphone herunterladen. Bei der EPSN-App benötigt man gleich drei Downloads und muss ein ESPN-Konto anlegen, um die App auf der Gear S2 nutzen zu können. Statt Runtastic und Runkeeper gibt es Nike Running und Samsungs S Health. Eine Notiz- oder Listen-App ist standardmäßig nicht verfügbar, gibt es aber immerhin für 1,50 Euro zu kaufen.

Samsung Gear S2

Natürlich gibt es im Gear Store zahlreiche Watchfaces. Hier sollte Samsung allerdings mal etwas Ordnung reinbringen, da die Watchfaces und Watchface-Designer in allen Kategorien des Stores sind und nicht nur in der „Uhrdesigns“-Rubrik. Auf der Smartwatch und in der Gear App am Smartphone stehen 17 vorinstallierte Watchfaces bereit, wovon viele angepasst werden können. So ist etwa das Ziffernblatt wählbar, ein Hintergrundbild, die Schriftarbeit, ob das Datum angezeigt werden soll und Zusatzelemente wie Akkustand, Schrittzähler, Wetter oder Kalender. Nettes Detail: Wählt man das Chronographen-Watchface, kann der Totalisator angetippt werden, um die Stoppuhr-Funktion zu starten.

Funktionen

Trotz Tizen und eingeschränkter App-Auswahl schlägt sich die Gear S2 als Smartwatch relativ gut. SMS können nicht nur gelesen, sondern auch per Touchscreen-Tastatur, Spracheingabe oder voreingestellter Phrasen beantwortet werden. Für viele andere Messenger, für die es keine eigene App gibt, können zumindest die Benachrichtigungen angezeigt werden. Bei Hangouts werden etwa nicht nur Text und Emojis, sondern auch Bilder auf der S2 angezeigt. Google-Now-Karten werden ebenfalls angezeigt.

Die Navigation mit Here Maps auf der Smartwatch ist brauchbar, wenn mal der korrekte Standort gefunden wurde. Geht man auf einer Straße gerade aus, ist also quasi schon am Weg, funktioniert die Turn-by-Turn-Navigation recht zuverlässig. Soll man links oder rechts abbiegen, gibt dies die Uhr per Vibration und eingeblendeten Pfeil zu verstehen. Nervig sind die Startschwierigkeiten. Kommt man gerade aus der U-Bahn-Station und steht vor einer Kreuzung, muss man das Smartphone zücken, da die Smartwatch-Navigation in dieser Situation zu unübersichtlich und kaum zu gebrauchen ist.

Texteingabe per Onscreen-Tastatur

Die normale Musiksteuerung ist problemlos möglich, einige Streaming-Apps lassen sich eingeschränkt steuern. Bei Google Play Musik ist etwa das Pausieren und die Wahl des nächsten/vorigen Songs möglich, aber nicht die Suche nach Liedern, Interpreten oder Alben. Anrufe können über die Gear S2 gestartet, aber nicht geführt werden. Denn es ist zwar ein Mikrofon, aber (zum Glück) kein Lautsprecher vorhanden.

Die Spracheingabe ist langsam und weniger genau als bei Android Wear und der Apple Watch. Will man so auf eine SMS antworten, wartet man mehrere Sekunden, bis drei Wörter (meist nicht präzise) erkannt wurden. In einigen Fällen klappt sogar das Tippen einer kurzen Antwort auf dem runden 1,2-Zoll-Display schneller als die Spracheingabe.

Sport und Puls

Mit S Health ist Samsungs Fitness-App standardmäßig installiert. Diese zählt Schritte, misst die Aktivität in „Gesund“, „Leicht“ und „Inaktiv“ und schlägt auf Wunsch Alarm, wenn man zu lange Inaktivität ist. Es kann eine regelmäßige Pulsmessung in den Stufen „häufig“ und „mäßig“ aktiviert werden. Ein eigenes Intervall kann nicht bestimmt werden. Es ist nicht ganz klar, wann die Gear S2 misst. An einem Tag wurde etwa innerhalb von zwei Stunden fünf Mal gemessen – die drei Stunden davor aber kein einziges Mal.

Die Pulsmessung ist präzise, wenn die Uhr gut sitzt. Für die automatische, regelmäßige Messung oder das manuelle Messen reicht es, wenn die Uhr bequem getragen wird. Beim Sport sollte man die Gear S2 etwas fester schnallen, da es sonst durch die Bewegungen zu Ausreißern nach oben bei der Pulsmessung kommen kann. Das gilt zumindest für die User, die ihre Uhr bevorzugt etwas lockerer tragen.

Optische Pulsmessung

Für den Test wurde der Crosstrainer-Modus von S Health bei mehreren einstündigen Sessions auf einem Ellipsentrainer getestet. Die Werte wurden mit einem Polar-Brustgurt verglichen. Die Live-Pulsmessung war ident, die Gear S2 war bei Pulsveränderungen lediglich eine halbe bis eine Sekunde langsamer als der Brustgurt. Eine Übersicht über die Trainingseinheit, mit Mindest-, Maximal- und Durchschnittspuls, kann nachher auf der Gear S2 oder auf dem Smartphone in der S-Health-App angeschaut werden.

Die Gear S2 hat insgesamt sieben Sportmodi: Gehen, Laufen, Radfahren, Wandern, Crosstrainer, Heimtrainer und Stepper. Bei den ersten vier Sportarten wird noch die zurückgelegte Distanz und Geschwindigkeit aufgezeichnet. Die Strecke kann später am Smartphone auf einer Karte angeschaut werden. Je nach Sportart können verschiedene Ziele festgelegt werden, wie Dauer, Distanz oder verbrannte Kalorien. Lästig: Zwar gibt es auf der Gear S2 eine Schnellstart-Option, um das zuletzt genutzte Training zu wiederholen, allerdings ist dabei immer das Ziel mit 30 Minuten vorgegeben – auch wenn man zuvor mehrmals „einfaches Workout“ gemacht hat, also ohne die Eingabe eines Ziels.

Ausstattung und Leistung

Die Gear S2 hat NFC für Samsungs Bezahldienst Samsung Pay, der derzeit nicht in Österreich angeboten wird. Sie hat auch WLAN: Befinden sich Smartphone und Smartwatch in Reichweite des selben Hotspots, aber nicht in Bluetooth-Reichweite, bleiben sie trotzdem miteinander verbunden. Die WLAN-Daten werden zuvor bei einer Bluetooth-Verbindung automatisch vom Smartphone zur Smartwatch übertragen.

Samsung Gear S2 Classic und S2

Die Bedienung im Alltag ist ohne störende Ruckler möglich. Apps werden zwar nicht verzögerungsfrei geladen aber noch schnell genug, sodass es nicht stört – im Gegensatz zu einigen Apps bei der Apple Watch. Lediglich die bereits zuvor erwähnte Spracheingabe mittels S Voice ist träge. Die Vibration der S2 kann in zwei Stufen gewählt oder ganz ausgeschaltet werden. Wem die Stufe stark nicht reicht, kann zusätzliches „langes Vibrieren“ aktivieren.

Die Gear S2 ist wasserfest und kann Wasser in 1,5 Metern Tiefe für bis zu 30 Minuten widerstehen. Von den 4 GB Speicher stehen etwa 1,9 GB zur Verfügung. Per Smartphone-App können MP3s direkt auf die Gear S2 übertragen. So kann man beispielsweise beim Laufen per Bluetooth-Kopfhörer Musik hören, ohne das Handy dabei haben zu müssen.

Akku

Das Aufladen des Akkus erfolgt per magnetischer Ladestation und Induktion. Ein einklemmen in eine Ladeschale oder präzises Arretieren von Kontakten ist nicht nötig. Die Ladestation wird an ein reguläres Micro-USB-Ladekabel gesteckt.

Samsung Gear S2 Classic in der Ladestation

Der Akku hielt im Test zwei Tage bei folgendem Szenario, das mehrmals wiederholt wurde: Die automatische Pulsmessung war auf „häufig“ geschaltet, innerhalb der zwei Tage wurde eine etwa 65-minütige Trainingseinheit mit dauerhafter Pulsmessung genutzt. Das Display der Smartwatch war im Always-On-Modus, WLAN war aktiviert, der Akkusparmodus wurde nicht verwendet. In der Nacht wurde die Uhr nicht getragen und ausgeschaltet, da sie ohnehin keinen Sleep Tracker hat (aber zumindest einen Wecker).

Always-On-Geste

Dass der Akku trotz intensiver Nutzung zwei Tage hält, ist zum Teil den guten Bewegungssensoren zu verdanken. Der Blick auf die Uhr wird präzise erkannt, ohne, dass man unnatürlich schnell den Arm heben oder drehen muss. Anstatt nur mit einem Timer zu arbeiten, geht das Display wieder in den gedimmten Always-On-Modus, wenn der Arm gesenkt wird. Es werden auch kleine Bewegungen präzise erkannt. Tippt man etwa auf der PC-Tastatur und dreht nur kurz den linken Arm zu sich, ohne ihn vom Tisch zu heben, wird dies korrekt erkannt.

Ist gerade eine App geöffnet und wird der Arm gesenkt oder weggedreht, wird ebenfalls in den gedimmten Always-On-Modus gewechselt. Hebt oder dreht man den Arm, ist sofort wieder die zuvor genutzte App sichtbar. Das ist vor allem bei der Turn-by-Turn-Navigation und beim Sport praktisch, da man nicht noch zusätzlich auf der Smartwatch herumtippen muss, um die Distanz zum Ziel oder den Puls zu sehen.

Fazit

Samsung Gear S2

Die Gear S2 ist einer der schönsten Smartwatches derzeit, wobei Geschmäcker bekanntlich verschieden sind. So hält ein anderer futurezone-Redakteur die S2 für zu wenig protzig, während einem Kollegen tatsächlich die S2 Classic besser als die S2 gefällt.

Das Bedienkonzept mit dem Ring ist gelungen. Es ist intuitiv, die Menüführung auf der Gear S2 ist übersichtlich, logisch und alltagstauglich. Zwei Tage Akkulaufzeit sind zwar nicht optimal, gemessen an der intensiven Nutzung und im Vergleich zu Konkurrenzmodellen ist dies aber ein durchaus brauchbarer Wert.

Der größte Kritikpunkt bei der Gear S2 ist Tizen. Samsung muss wahrscheinlich ziemlich viele Smartwatches verkaufen, damit Entwickler ihre Android-Wear-Apps auch für die Gear S2 anpassen. Sollte dies nicht passieren, hat man zwar mit der Gear S2 eine sehr gute Smartwatch, die aber aufgrund des kleinen App-Angebots vielleicht nicht dieselben Möglichkeiten wie eine Android-Wear-Uhr bietet.

Technische Daten auf der Website des Herstellers

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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