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Tablet-Test

Kindle Fire HDX 8.9 im Test: Das alternative iPad Air

Amazon macht mit seiner Tablet-Serie Kindle Fire gewaltige Sprünge. Während das Original-Gerät nur durch seinen günstigen Preis aufgefallen ist, konnte der Kindle Fire HD 8.9 bereits mit einem FullHD-Display punkten. Mit dem HDX 8.9 werden nicht nur einige Mankos des Vorgänger-Modells beseitigt, sondern auch das Gewicht reduziert, die Leistung erhöht und das Display abermals verbessert. Die futurezone hat das Tablet getestet.

Design

Die Front des HDX 8.9 ist wenig spektakulär. Die Ränder sind nicht so dünn wie beim iPad Air, ein dunkelgraues Magnesium-Gehäuse bildet Rahmen und Rückseite. Das Gehäuse ist zusätzlich mit einer rutschhemmenden Schicht versehen, die sich angenehm anfühlt.

Die Rückseite ist durchaus ansehnlich. Zu den Rändern hin verjüngt sich das Gehäuse, wodurch zusätzlich Kanten entstehen. Zusammen mit der dunkelgrauen, matten Farbe entsteht so ein „Stealth-Look“. Stilbrecher ist hier die oben angebrachte Plastik-Leiste, deren schwarzer Glanz optisch nicht zum hochwertigen aussehenden Rest der Rückseite passt.

Die Erhebung für die Kamera, die sich in dieser Leiste befindet, wurde ebenfalls kantig gestaltet.

Handhabung

Mit 374 Gramm ist das Tablet angenehm leicht. Durch die dünnen Ränder an der Rückseite wirkt das HDX 8.9 zudem schlanker, als es eigentlich ist und liegt sowohl im Hoch- als auch Querformat gut in der Hand.

Die Standby-Taste und Lautstärken-Tasten an der Rückseite sind größer als beim Vorgänger und leichter ertastbar. Sie sind so positioniert, dass man sie im Querformat schnell mit den Fingern findet, ohne diese unabsichtlich auszulösen.

Display

Das 8,9 Zoll Display hat die Auflösung 2.560 x 1.600 Pixel. Mit 339 PPI stellt es damit das iPad Air (9,7 Zoll, 264 PPI) in den Schatten. Die Schärfe ist ausgezeichnet. Schriften und Menüs der First Party Apps sehen sehr gut aus, die Icons der meisten anderen Apps werden gut hochgerechnet. Nur Icons in manchen älteren Apps wirken ein wenig verwaschen. Nicht optimal sehen Comics aus, die über den Kindle Buch Shop gekauft wurden. Diese müssten für den HDX 8.9 im besserer Qualität zur Verfügung gestellt werden. Normale E-Books profitieren von der höheren Schärfe, die Schrift sieht sehr gut aus.

Die maximale Helligkeit ist ausreichend für Innenanwendungen. Die automatische Helligkeitseinstellung reagiert manchmal zu langsam und stellt das Display tendenziell ein wenig zu hell ein. Bei Sonnenschein sollte man sich ein schattiges Plätzchen suchen: Die Helligkeit reicht nicht aus, um das stark spiegelnde Display, das noch dazu ein Fingerschmierer-Magnet ist, auszugleichen. Beim Testgerät der futurezone ist am oberen Rand leichtes Backlight-Bleeding erkennbar (unregelmäßig starke Hintergrundbeleuchtung des Displays), was im Alltagsbetrieb aber nicht störend auffällt.

Die Farben werden auch bei maximaler Helligkeit kräftig dargestellt und sind nicht übersättigt. Das Betrachten von hochauflösenden Fotos ist ausgezeichnet. Videos sollten bevorzugt im FullHD-Format auf dem HDX 8.9 wiedergegeben werden, um das Display auszureizen. Videos in 720p sehen auch noch gut aus, aber eben nicht so beeindruckend wie FullHD-Filme.

Ist man mit den Augen etwas näher am HDX 8.9 dran, sieht man bei hellen Bildern glitzernde Punkte am Display. Das sind die Kreuzungspunkte der horizontalen und vertikalen Linien des Touchscreen-Netzes. Bei dunklen Bildern sind sie nicht sichtbar, bei hellen könnte man sie für Schmutz am Display halten. Konzentriert man sich auf den Inhalt und nicht auf die glitzernden Punkte, stören diese nicht weiter.

Der HDX 8.9 wird durch Magnete in Position gehalten

Software

Der HDX nutzt, wie auch schon die Kindle Fires zuvor, eine stark modifizierte Version von Android. Amazon hat dieser erstmals einen Namen gegeben: Fire OS 3.0. Der Homescreen besteht aus drei Elementen. Ganz oben ist die Toolbar mit Shortcuts, wie Suche, Spiele, Apps und Web. Darunter folgt das Kindle-Fire-typische Karussell, in dem kürzlich zuletzt genutzte Apps und E-Books angezeigt werden. Im Hochformat werden unter dem mittigen Karussell-Icon bis zu fünf kleine Icons angezeigt. Bei einem E-Book sind das etwa ähnliche E-Books, die gekauft werden können, bei der Galerie-App sind es weitere Fotos, Ordner oder Videos. Nach dem Karussell kommt die erste Reihe mit installierten Apps (zwei Reihen im Hochformat). Scrollt man nach unten werden die restlichen Apps angezeigt. Das ist eine Verbesserung zum Kindle Fire HD, bei dem am Homescreen die Apps nur als Karussell angezeigt wurden und man für eine Grid-Darstellung erst in das App-Untermenü wechseln musste.

Wischt man mit dem Finger vom oberen Bildschirmrand nach unten, werden die Benachrichtigungen und Shortcuts wie Bildschirmausrichtung, Helligkeit und WLAN-Verbindungen angezeigt. Dies ist nicht möglich, wenn Apps im Vollbild ausgeführt werden. Um hier Steuerungselemente und die Status Bar aufzurufen, tippt man auf den kleinen grauen Reiter am rechten Rand. Jetzt werden die Statusbar oben, sowie eine Leiste rechts mit Onscreen-Tasten für Suche, Menü, Zurück und Home eingeblendet. Wischt man vom rechten Bildschirmrand zur Displaymitte, wird eine Leiste mit Icons der zuletzt genutzten Apps angezeigt, um zu diesen zu wechseln.

In einigen Apps, wie der Galerie, dem Videoplayer oder beim Anschauen von E-Books, funktioniert die oben genannte Wischerei und Klickerei nicht. Hier tippt man einmal auf das Display, um die Bedienleisten aufzurufen. Die Idee dahinter ist, dass der kleine graue Reiter zum Öffnen der Bedienleiste bei Medieninhalten nicht störend ins Bild ragt. Dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, dass nicht bei allen Apps die Bedienung gleich ist.

Apps

Obwohl das Betriebssystem im Grunde Android ist und auch einige Apps ident mit ihren Android-Gegenstücken sind, steht der Play Store nach wie vor nicht zur Verfügung. E-Books, Musik und Apps werden über Amazons eigene Stores gekauft. Filme können nach wie vor nicht gekauft werden, da Amazons Dienst Lovefilm nicht in Österreich verfügbar ist. Da das Betriebssystem aber Android ist, können einfach per Micro-USB-Kabel Videos, MP3s und Fotos per Drag and Drop auf den HDX 8.9 gebracht werden. Amazons empfohlene Übertragungssoftware muss nicht verwendet werden. Der Video-Player des HDX 8.9 spielt zwar nicht alle Videodateien ab, im App Shop ist aber kostenlos der VLC-Player verfügbar.

Der Amazon App Shop bietet nach wie vor nicht den Umfang des Play Stores, das Angebot wächst jedoch stetig. So sind jetzt auch gängige Benchmarks zu finden und Spiele von großen Anbietern wie EA, Ubisoft und Square Enix. Offizielle Google Apps, Instagram, Flickr oder alternative Browser gibt es noch immer nicht. Dafür ist mit Kindle FreeTime eine Kindersicherung vorinstalliert, um nur bestimmte Apps und E-Books freizugeben. Es können mehrere Profile angelegt, sowie zusätzlich Zeitlimits (Bildschirmzeit, Bücher lesen, Apps verwenden) eingestellt werden.

Die „Mayday“-Funktion hat es nicht nach Österreich und Deutschland geschafft. In den USA können Kindle Fire HDX Besitzer damit einen Videochat mit einem Support-Mitarbeiter starten, der das Gerät fernsteuern und Inhalte am Display markieren kann.

Leistung

Nicht nur das Display wurde im Vergleich zum Kindle Fire HD verbessert, auch die Leistung wurde gesteigert. Mit einem Snapdragon 800 mit 2,2 GHz und 2 GB RAM ist der HDX 8.9 gut für aufwendige Apps und Games gerüstet. Apps werden schnell geladen, Slowdowns und Ruckler erlebt man nur selten.

Die Benchmarks liefern folgende Ergebnisse:
3D Mark Ice Storm Unlimited: 12643
Quadrant Standard Edition: 18453

Bis zu zwölf Stunden Akkulaufzeit mit aktiver WLAN-Verbindung sind möglich, wenn die Bildschirmhelligkeit manuell auf 50 Prozent eingestellt ist. Bei automatischer Bildschirmhelligkeit sind zehn Stunden realistischer, da der HDX 8.9 tendenziell das Display heller als nötig einstellt.

Einen MicroSD-Slot gibt es nicht. Der HDX 8.9 kann mit 16, 32 und 64 GB internen Speicher gekauft werden. Das Betriebssystem nimmt etwa 4,6 GB ein – bei 16 GB Speicher stehen dem User 11,3 GB zur Verfügung. Im Testzeitraum kam es zwei Mal zu Ausfällen der aktiven WLAN-Verbindung in zwei verschiedenen Netzen. Einmal reichte es WLAN zu deaktivieren und wieder zu aktivieren, im zweiten Fall musste das Tablet neu gestartet werden. Die Fehler waren nicht reproduzierbar.

Kamera und Sound

Die HDX-Serie ist die erste der Kindle Fire Reihe, die eine Rückkamera hat. die Kamera-App bietet keine manuellen Einstellungen wie Belichtungskorrektur, Weißabgleich oder Effekte, aber einen HDR- und Schwenkpanorama-Modus. Touch-Fokus ist möglich, dieser ist aber nicht gänzlich verlässlich. Besonders bei hellen Motiven, die links oder rechts von der Bildschirmmitte liegen, wird häufig nicht korrekt scharf gestellt.

Bei gutem Licht gibt es auch gute Aufnahmen, bei Kunstlicht sind schnell Bildrauschen und blasse Farben bemerkbar – bei dem hervorragenden Display des HDX 8.9 bleibt kaum eine Bildstörung verborgen. Videos können in 1080p aufgenommen werden.

Die Stereo-Lautsprecher sind an der Rückseite, in der linken und rechten oberen Ecke, angebracht. Sie sind leicht schräg gestellt, sodass der Ton nicht gänzlich blockiert wird, wenn das Tablet flach am Tisch liegt. Auch wenn Schutzhüllen verwendet werden, bleibt so noch etwas Abstand zwischen Lautsprecher-Öffnung und Hülle, damit sich der Ton besser entfalten kann.

Die maximale Lautstärke ist ausreichend. Die Tonqualität nimmt erst in der höchsten Stufe ab – allerdings ist der Sound allgemein eher dumpf. Am besten klingt der HDX 8.9 wenn er in Händen gehalten wird. Am Tisch liegend oder in der Origami-Hülle ist der Ton noch dumpfer.

Der Deckel lässt sich zu einem Standfuß falten

Falt-Hülle

Was für das iPad Air das Smart Case ist, ist für den HDX 8.9 die Origami-Hülle. Diese schützt das ganze Gerät, die Tasten an der Rückseite sind weiterhin nutzbar. Sowohl die Frontklappe als auch das gesamte Tablet werden durch Magneten in Position gehalten. Beim Zuklappen springt die Klappe nicht präzise in Position: Soll wirklich das gesamte Tablet geschützt werden, muss man sie ein paar Millimeter zurecht schieben, bevor der HDX 8.9 in den Rucksack oder die Tasche geworfen wird.

Ihren Namen trägt die Hülle, weil die Klappe zu einem Ständer gefaltet werden kann. Dieser hat zwar nur eine Position, kann aber sowohl im Hoch- als auch im Querformat genutzt werden. Um zu fotografieren, schiebt man das Tablet im Hochformat mit den Daumen nach oben – die Kamera-App startet automatisch. Dabei sollte man darauf achten, die Daumen in mittlerer Höhe anzusetzen. Schiebt man von zu weit unten an, könnten das Tablet aus der Hülle fallen.

Mit 70 Euro ist die Hülle kein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass sie nur einen Winkel bietet. Zudem ist die Hülle ungewöhnlich schwer: Mit 308 Gramm wiegt sie fast genauso viel wie der HDX 8.9. Zusammen wiegen die Beiden 682 Gramm. iPad Air und Smart Case wiegen gemeinsam 614 Gramm.

Fazit

Wenn der Google Play Store auf dem Kindle Fire HDX 8.9 verfügbar wäre, wäre das Amazon-Tablet eine sehr gute Alternative zu Apples iPad Air und eines der besten Android-Tablets am Markt. Auch so ist es ein ausgezeichnetes Gerät, das auch noch 100 Euro günstiger (werbefinanziert mit Schaltungen im Lockscreen) als das iPad Air ist. Wenn man mit der geringeren App-Auswahl als bei iOS und Android leben kann, wird man mit dem HDX 8.9 glücklich werden.

Technische Daten

Modell:
Amazon Kindle Fire HDX 8.9
Display:
8,9 Zoll LCD, 2.560 x 1.600 Pixel (339 PPI)
Prozessor:
2,2 GHz Snapdragon 800 Prozessor
RAM:
2 GB
Speicher:
16 GB, 32 GB, 64 GB, kein MicroSD-Slot
Betriebssystem:
Fire OS 3.0
Anschlüsse/Extras:
3,5 mm Klinke, WLAN (a/b/g/n) und MIMO, Bluetooth, Micro USB, Variante mit 4G-Modul verfügbar
Akku:
keine Herstellerangabe
Kamera:
8 Megapixel Hauptkamera, 720p Frontkamera
Videos:
Aufnahme in 1080p möglich, Frontkamera 720p
Maße:
231 mm x 158 mm x 7,8 mm, 374 Gramm (4G-Variante: 384 Gramm)
Preis:
ab 379 Euro (16 GB), ohne Werbung im Lockscreen 15 Euro teurer
Link:
Technische Daten und Preise auf der Website des Herstellers

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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