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LG Velvet im Test: Doch noch nicht ganz verlernt

Jahrelang hat LG den Android-Markt mitbestimmt. Am Höhepunkt - wenn man so will - fertigte LG für Google das populäre Benchmark-Smartphone Nexus 5. All das ist jedoch mehrere Jahre her, das Nexus 5 kam schon 2013 auf den Markt. Seither ist es um LG Smartphones still und immer stiller geworden.

Dem koreanischen Hersteller ereilte ein ähnliches Schicksal wie Sony und HTC. Er konnte mit der harten Konkurrenz einfach nicht mehr mithalten. Viele der LG-Geräte waren nicht schlecht, konnten allerdings nicht wirklich überzeugen und schon gar nicht mit einzigartigen Features oder innovativen Neuentwicklungen punkten.

Mit dem LG Velvet (5G) versucht das Unternehmen quasi einen Neustart auf dem Smartphone-Markt. Die V-Serie wurde eingestampft beziehungsweise hat sie einen neuen Namen erhalten. Außerdem unterscheidet sich das Velvet im Design in zahlreichen Punkten von seinen Vorgängern und der Konkurrenz. 

Erster Eindruck und Design

Als ich das LG Velvet 5G erstmals in die Hand nahm, kam mir sofort der Gedanke: "Oh, LG hat es doch nicht verlernt." Das Gerät überzeugt durch sein schlankes und leichtgewichtiges Design.

Die seitlichen Ränder, sind sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite leicht abgerundet. Dadurch ist das Display zu den Rändern hin leicht gebogen und die beiden Seiten, wo sich die Power- und Volume-Tasten befinden, werden dadurch besonders schmal.

Außerdem ist das Gerät mit einem Gewicht von 180 Gramm bei einer Display-Diagonale von 6,8 Zoll vergleichsweise extrem leicht. All das fühlt sich besonders hochwertig an und verleiht dem LG Velvet 5G ein richtiges Premium-Feeling.

Das Kamera-Setup

Was bei der Kamera zu allererst auffällt, ist die Verarbeitung der Kameralinsen auf der Rückseite des Geräts. Zweit- und Dritt-Kamera sind nämlich gänzlich im Gehäuse untergebracht und heben sich nicht ab. Lediglich die Hauptkamera ragt nur unwesentlich aus dem Gehäuse heraus.

Die 3 Kameralinsen auf der Hinterseite setzen sich wie folgt zusammen: 48 MP (f/1,8), 8 MP Superweitwinkel (f/2,2) und einem 5 MP Tiefensensor (f/2,4). Durch Pixel-Binning werden effektiv Fotos im 4:3-Format mit 12 MP aufgenommen, im 16:9-Format sind es 9 MP. Es gibt aber auch die Möglichkeit mit der vollen Auflösung von 48 MP Fotos aufzunehmen.

Bei der maximalen Auflösung liegt das LG Velvet 5G hinter der Konkurrenz. Doch die bloße Anzahl an Pixeln sagt nicht viel über die Fotoqualität aus.

Fotoqualität in der Praxis

In der Praxis kann die Kamera in diesem Preissegment lediglich als durchschnittlich bezeichnet werden. Im Standardmodus bei guten Lichtverhältnissen nimmt das Velvet passable Bilder auf, wobei sich die Ergebnisse deutlich voneinander unterscheiden: Manchmal sind die Farben etwas ausgewaschen und bläulich, manchmal sind die Farben leicht übersättigt.

Auffallend war zudem, dass die Details bei manchen Aufnahmen weitgehend verloren gehen. Hauptsächlich dann, wenn es um Licht-Schatten-Spiele geht. Auch mit dem Finden des Fokuspunktes tut sich das LG-Handy so manches Mal schwer.

Beim Weitwinkel ist die Farbdarstellung noch etwas schwächer als im Standardmodus. Der Blaustich kommt hier meist noch deutlicher zum Vorschein. Außerdem ist die Schärfe im Weitwinkelmodus nicht die Beste.

Bei den Nachtaufnahmen lässt das LG Velvet 5G dann leider komplett aus. Im Nacht-Modus gelingen zwar etwas bessere Aufnahmen als im Standard-Modus bei Dunkelheit. Nicht verwackelte und scharfe Fotos bei Nacht zu schießen, ist mit dem Gerät aber fast unmöglich.

Im Großen und Ganzen ist das Kamera-Setup gepaart mit der Foto-Software leider nicht in der Lage das Beste aus den Bildern herauszuholen. Verglichen mit der Konkurrenz hat LG hier deutlichen Aufholbedarf.  

Obwohl das LG Velvet 5G keinen optischen Zoom hat, sind die Ergebnissen mit dem 2-fachen Digitalzoom herzeigbar. Videoaufnahmen sind bei 4K mit 30 fps möglich, bei 1080p mit bis zu 60 fps.

Die Selfie-Kamera löst mit 16 MP (f/1,9) aus. Die Fotoqualität ist dabei recht ansprechend. Auch der Portrait-Modus erkennt das Gesicht gut und kann den Hintergrund künstlich unscharf stellen. Im Nachhinein lässt sich zudem die Stärke der Tiefenunschärfe regulieren.

Display

LG setzt hier auf ein OLED-Display im Format von 20,5:9 bei einer Auflösung von 2.460 x 1.080 Pixel. Die maximale Helligkeit geht in Ordnung und reicht aus, um auch bei direkter Sonneneinstrahlung die Bildschirminhalte erkennen zu können. Auch an der Farbdarstellung gibt es nichts auszusetzen - diese wirkt natürlich und verfälscht die Farben nicht.

Den Bildschirm ziert ein Notch in Tropfenform, wo die Selfie-Kamera untergebracht ist. Durch das leicht gebogene Display bleibt an den Rändern nur ein ganz schmaler Rahmen. Oben und unten fällt der schwarze Rahmen etwas prominenter aus.

Ein wesentlicher Minuspunkt beim Display ist die Bildwiederholrate. Diese beträgt nämlich lediglich herkömmliche 60 Hz. Im Jahr 2020, wo sich im oberen Mittelklasse-Segment beziehungsweise bei Flaggschiff-Geräten eine höhere Bildwiederholrate etabliert hat, sind die 60 Hz nicht wirklich überzeugend.

Leistung

Als Prozessor kommt ein Snapdragon 765G zum Einsatz. Der Arbeitsspeicher beträgt 6 GB, der interne Speicher 128 GB. Während viele Konkurrenzprodukte auf den wesentlich leistungsfähigeren Speicherstandard UFS 3.0 setzen, kommt beim LG Velvet 5G noch immer UFS 2.1 zum Einsatz.

Der Prozessor gepaart mit UFS 2.1 zeigen dann bei den Benchmark-Ergebnissen auch deutliche Einbußen. Sowohl bei Geekbench 5 als auch bei 3DMark schneidet das LG Velvet 5G nicht besonders gut ab.

Bei den Multi-Core-Ergebnisse bei Geekbench 5 ist das Velvet 5G nur minimal besser als das Xiaomi Pocophone F1 aus dem Jahr 2018 und es liegt deutlich hinter dem OnePlus 7T, dem Xiaomi Mi 9 oder dem Samsung Galaxy S10+. Ähnlich sieht es auch bei den Single-Core-Ergebnissen aus.

Bei der Nutzung der alltäglichen Apps fällt das zwar nicht besonders negativ auf, wenn man allerdings ressourcenintensivere Anwendungen nutzt, bemerkt man, dass das Gerät nicht allzu leistungsfähig ist.

Fingerabdruck, Bluetooth, Sound und sonstiges

Der Fingerabdrucksensor ist im OLED-Display integriert. Bei mir hat er weitgehend einwandfrei funktioniert und das Gerät zuverlässig entsperrt. Die Möglichkeit das Velvet 5G mittels Gesichtserkennung zu entsperren, gibt es nicht.

Bluetooth 5.1 LE ist mit von der Partie ebenso der aptX-HD-Codec für hochwertige Audiowiedergabe bei einer Bluetooth-Verbindung. WLAN geht nach den Standards Wi-Fi 802.11 a/b/g/n/ac. Außerdem ist das Velvet 5G-fähig.

Ein herkömmlicher 3,5-mm-Kopfhöreranschluss ist vorhanden. Wer die integrierten Lautsprecher zur Audiowiedergabe nutzt, wird feststellen, dass das LG Velvet 5G richtig laut sein kann. Einen Quad-DAC (Digital-Analog-Wandler), den LG in der Vergangenheit in seine Flaggschiff-Geräten verbaut hat, gibt es beim Velvet 5G nicht.

Eine microSD-Karte kann im zweiten SIM-Kartenslot eingesetzt werden. Und wenn das Gerät mal in den Badeteich fallen sollte, braucht man sich keine allzu großen Sorgen zu machen, weil es nach IP68 staub- und wasserfest ist.

Akku

Der Akku des LG Velvet 5G hat eine Kapazität von 4.300 mAh. Er kann mit bis zu 25 Watt geladen werden, kabellos mit bis zu 9 Watt. Diese Werte stechen nicht unbedingt als Highlights hervor und befinden sich im Vergleich zu Konkurrenzmodellen im Mittelfeld.

Bei der Akkudauer kommt dem LG-Handy offenbar die leicht abgespeckte Hardware zugute. Bei durchschnittlicher Verwendung hält der Akku gut eineinhalb Tage durch.

Software

Auf dem LG Velvet 5G kommt Android 10 mit der LG-Oberfläche UX 9 zum Einsatz. Bei den vorinstallierten Apps hat sich LG leider nicht zurückgehalten und zahlreiche Anwendungen installiert - die meisten davon lassen sich auch nicht löschen.

Grundsätzlich lässt sich das LG UX 9 wunderbar bedienen. Besondere Funktionen, die sich von anderen Herstellern abheben, sind jedoch keine zu finden. Was mich etwas gestört hat, ist das Design und die Farbauswahl der Benutzeroberfläche.

Vielfach kommen hier Neonfarben zur Anwendung, die absolut nicht meinen Geschmack treffen. Vor allem das grelle Grün in den Einstellungen und dem Pull-Down-Menü wirkt unpassend.

Fazit

Ja, LG hat es noch nicht ganz verlernt. Das Highlight des Smartphones ist allemal der Formfaktor. Dieser unterscheidet sich deutlich von Konkurrenzmodellen und ist im Test besonders positiv aufgefallen. Auch die Verarbeitung, das geringe Gewicht und die Qualität des Displays konnten vollends überzeugen.

Allerdings schafft es LG wieder nicht, mit Innovationen, herausragender Leistung, besonderer Kamera oder sonstigen Einzigartigkeiten von sich Reden zu machen. Die Kamera ist leider nur Durchschnitt und schneidet bei der Qualität der Fotos nicht besonders gut ab.

Auch wenn die abgespeckte Leistung des Handys im Alltag nicht allzu negativ zum Tragen kommt, könnte dies auf längere Sicht zur Herausforderung werden. Dafür hält der Akku lange durch und lässt sich auch relativ schnell wieder aufladen.

Auf Preisvergleichsportalen wird das LG Velvet 5G zu einem Preis von 599 Euro gelistet. Das ist zwar deutlich günstiger als frühere LG-Flaggschiffe und auch wesentlich weniger als die Spitzengeräte anderer Hersteller. Dennoch ist das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht besonders gut.

In diesem Preisbereich sind zahlreiche Smartphones am Markt, die mehr Leistung haben und in Sachen Fotoqualität deutlich mehr überzeugen können als das LG Velvet 5G.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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