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LG G8X ThinQ im Test: Ein Smartphone zum Falten, aber anders

"Ein faltbares Handy? Kommt nicht in Frage, das braucht niemand! Aber warum nicht ein Smartphone mit zwei Displays zum Zusammenklappen?" So in etwa könnte der Entstehungsprozess bei LG abgelaufen sein, als die Idee für das LG G8X ThinQ geboren wurde.

Herausgekommen ist ein etwas umständlich wirkendes Gerät, das mit seinen zwei Bildschirmen am Ende vielleicht doch Sinn ergeben könnte. Dahingehend haben wir haben uns das LG G8X ThinQ genauer angesehen.

Das Falt-Prinzip

Das LG G8X ThinQ ist eigentlich ein ganz normales Smartphone: 6,4 OLED-Display, Dual-Kamera und Notch im rahmenlosen Design. Dieses Smartphone wird in eine klobige Hülle gesteckt, deren Deckel aus einem Extra-Display besteht und sich mit dem eigentlichen Smartphone verbindet.

Dabei kann der Nutzer selbst entscheiden, wie und mit welchen Inhalten der Zweitbildschirm bespielt wird: Ein Screen, der sich über die komplette Breite zieht; zwei separate Screens; einer Off, einer On oder eben beide miteinander verbunden. Ausgewählt wird das über ein Floating-Menü.

Die beiden Screens sind übrigens baugleiche OLED-Panele. In Sachen Farbdarstellung und Dimensionen gibt es zwischen den beiden Displays keine Unterschiede. Kurios ist, dass LG beim Zweitbildschirm sogar einen Fake-Notch verbaut hat, damit das Gerät symmetrisch wirkt. 

Ein weiteres kleines Display befindet sich auf der Rückseite der Hülle. Dort werden Uhrzeit, Datum, Benachrichtigungen sowie der Akkustand angezeigt. Die Hüllenrückseite ist übrigens verspiegelt, sodass sie tatsächlich als kleiner Spiegel verwendet werden kann.  

Das Gute am Falten

Positiv aufgefallen ist das Dual-Screen-Prinzip gleich bei einer ganzen Reihe von Anwendungs-Szenarien. So ist es etwa manchmal recht praktisch auf dem linken Screen ein YouTube-Video anzusehen und gleichzeitig auf dem rechten Screen auf Reddit weiterführende Infos über das Video zu lesen.

Auch beim Navigieren mit Google Maps kann das Extra-Display eine praktische Sache sein. Links läuft das Navi, rechts eine Messenger-App. Auch war es etwa praktisch auf einem Screen die Uber-App laufen zu haben, während man auf einen Wagen wartet und gleichzeitig mit Freunden auf dem anderen Screen zu chatten.

Ebenso bringt der zweite Bildschirm Vorteile, wenn man etwa einen Termin aus einer E-Mail in den Kalender eintragen muss. Bei manchen Games kann man den Extra-Screen als Gamepad verwenden, während das eigentlich Spiel auf dem anderen Bildschirm läuft - aber dazu später noch mehr.

Das Schlechte am Falten

All die Vorteile des zweiten Screens kommen generell mit einem Nachteil: Das Case mit dem Extra-Display und somit das Gesamtpaket des faltbaren LG-Phones ist schwer und klobig. Außerdem verfügt die Erweiterung über keinen Zusatzakku. Dass der zweite Screen den Akku des Smartphones mitverwendet, wirkt sich entsprechend negativ auf die Laufzeit aus.

139 Gramm wiegt das Hülle samt Zweitbildschirm und 192 Gramm wiegt das Smartphone alleine: Macht ein Gesamtgewicht von 331 Gramm. Zum Vergleich: das Samsung Galaxy Fold wiegt etwa 263 Gramm. Was die User Experience hierbei noch zusätzlich negativ beeinflusst, ist, dass das Gewicht ungleichmäßig verteilt ist und daher schlecht balanciert werden kann.

Schwierigkeiten im Alltag

Wenn nicht gerade eine der zuvor beschriebenen Situationen auftritt, ist der zweite Screen mehr oder weniger sinnlos. Verbindet man die beiden Displays zu einem großen Bildschirm, bleibt in der Mitte immer noch das breite Scharnier, das beide Screens trennt, sodass diese Funktion nutzlos ist. Bei vielen Apps kann dieses Feature übrigens gar nicht genutzt werden.

Grundsätzlich merkt man recht schnell, dass Android 9 Pie nicht unbedingt für Dual-Screens ausgelegt ist. Es ist zwar möglich, zwei Apps gleichzeitig auf unterschiedlichen Displays zu bedienen, die Apps selbst können allerdings nicht vom zusätzlichen Screen profitieren.

Möglich, dass sich das durch Android 10 verbessert und App-Entwickler künftig auch den Zweit-Screen beziehungsweise eine größere Bildschirmfläche bei faltbaren Geräten zu nutzen wissen.

Zweit-Screen als Gamepad

Was auf den ersten Blick wie eine richtig gute Idee aussieht, stellt sich in der Praxis weitgehend als Flop heraus: Der zweite Bildschirm kann als Gamepad verwendet werden, sodass die Steuerelemente das Gameplay auf dem Hauptscreen nicht überlagern.

LG hat vier vorgefertigte Gamepads auf dem Smartphone gespeichert. Alternativ dazu kann man sich sogar sein eigenes Gamepad basteln. Um die Gamepad-Funktion überhaupt verwenden zu können, muss zunächst ein passendes Game gefunden werden, das sich mittels Quasi-Extern-Gamepad steuern lässt, beispielsweise "Asphalt 9".

In diesem Fall funktioniert das Gamepad-Feature wirklich gut: Das Halten des Smartphones und das Steuern ist durch das halb aufgeklappte LG-Phone deutlich besser möglich und es macht auch Spaß. Mit einem haptischen Gamepad ist das Spielen allerdings in keiner Weise vergleichbar.

Bei den meisten Games ist die Gamepad-Funktion allerdings entweder nicht verfügbar oder es macht einfach keinen Sinn, ein externes Eingabegerät zu verwenden. Das Erstellen eines eigenen Gamepads ist zudem recht mühsam und eine Garantie, dass das selbst gebastelte Gamepad auch funktioniert, hat man nicht.

In den LG-Werbevideos richtet sich das faltbare Smartphone an Gamer. Außer der Gamepad-Funktion bietet das LG G8X ThinQ aber keinen Mehrwert für Gamer. Dafür geben die Spezifikationen, wie Bildwiederholrate, Auflösung und Arbeitsspeicher, einfach nicht genug her.

Faltbare Hülle landet in der Schublade

Nachdem ich mich einige Tage selbst dazu gezwungen habe, das faltbare Case samt Zweit-Screen zu verwenden, landete die klobige Hülle in der Schublade und ich habe mich wieder auf einen Bildschirm konzentriert. Dass das eigentliche Smartphone aus der Hülle genommen und wie gewohnt verwendet werden kann, ist eigentlich das beste Feature des LG-Falt-Konzepts.

Damit das faltbare LG-Phone auch im Alltag Sinn macht, müsste es wesentlich weniger wiegen und weniger klobig sein. Auch die Anwendungsszenarien müssten sich noch erweitern, Apps und das Betriebssystem müssten noch besser an die zusätzlichen Funktionen angepasst werden.

In der jetzigen Form und Funktionalität ist es zwar lustig die Display-Hülle auszuprobieren, einen nennenswerten Mehrwert bringt sie allerdings nicht.

Zum Smartphone

Das LG G8X ThinQ ist wie so viele LG-Smartphones der vergangenen Jahre: Ein solides Handy, zeitgemäßes Design, gut verarbeitet, passable Spezifikationen, brauchbare Kamera, aber eben keine herausragenden Funktionen oder Eigenschaften.

Das 6,4 Zoll OLED-Display macht einen guten Eindruck, hat eine natürliche Farbdarstellung und ist hell genug. Die Auflösung beträgt 1080 x 2340 Pixel im Format 19,5:9. Geschützt wird der Bildschirm von Corning Gorilla Glass 6.

Negativ aufgefallen ist der Fingerprintsensor, der im Bildschirm integriert ist. Gemessen an der Konkurrenz ist dieser deutlich fehleranfälliger, langsamer und konnte häufig meine Finger gar nicht erkennen.

Das Gerät liegt gut in der Hand und hebt sich von der Konkurrenz dadurch ab, dass es sich eben nicht abhebt. In diesem Fall ist die Kamera gemeint. Diese steckt nämlich zur Gänze im Gehäuse und bildet auf der Rückseite keinen lästigen Kamera-Buckel.

Technische Spezifikationen

Angetrieben wird das LG G8X ThinQ von einem Snapdragon 855, welchem 6 GB RAM zur Seite stehen. Der interne Speicher beträgt 128 GB und kann mithilfe einer microSD-Karte um bis zu 2 TB erweitert werden.

Außerdem ist das Gerät nach IP68 wassergeschützt und verfügt über einen herkömmlichen 3,5mm-Kopfhöreranschluss. Der Akku hat eine Kapazität von 4.000 mAh und kann mit 21 Watt kabelgebunden sowie mit 9 Watt kabellos geladen werden.

Kamera

Auf der Rückseite befindet sich die Dual-Kamera, die sich aus einer 12 MP (f/1,8) Hauptkamera und einer 13 MP (f/2,4) Weitwinkellinse zusammensetzt. Die Selfie-Kamera auf der Vorderseite, die sich im Tropfen-Notch versteckt, löst mit 32 MP auf.

Grundsätzlich kann die Kamera nicht mit vergleichbaren Smartphones dieser Preisklasse mithalten. Betrachtet man die Fotos, würde man diese eher mit einem wesentlich günstigeren Mittelklasse-Smartphone in Zusammenhang bringen.

Die Fotos wirken zum Teil etwas ausgewaschen und können einige Details aufgrund eines zu niedrigen Kontrasts und zu niedrigem Dynamikumfang nicht darstellen. Auch die Kamera-Software ist nicht in der Lage die Fotos entsprechend aufzubereiten, wie das bei vielen Konkurrenzprodukten der Fall ist.

Die künstliche Unschärfe funktioniert manchmal recht gut, vor allem bei Selfies. Wendet man den Portrait-Modus allerdings bei Objekten an, tut sich die Kamera deutlich schwerer den Vorder- vom Hintergrund zu unterscheiden.

Fazit

Das Konzept mit den zwei Bildschirmen klingt verlockend, macht anfangs auch teilweise Spaß, kann allerdings im Alltag nicht überzeugen. Dafür ist der Mehrwert zu gering und die Kompromisse aufgrund der klobigen Hülle zu groß.

Schade eigentlich, dass ein Unternehmen wie LG, das bei innovativen OLED-Anwendungen führend ist, dieses Know-how nicht auf die Smartphone-Sparte umlegen kann. Innovationen wie ausrollbare TV-Geräte oder wellende OLED-Display könnte das Smartphone-Segment nämlich dringend brauchen.

Abgesehen vom Dual-Screen-Konzept ist das LG G8X ThinQ zwar ein brauchbares und passables Gerät, kann sich aber gegen die Konkurrenz im Hochpreissegment nicht behaupten. Auch wenn man für rund 800 Euro einen zweiten Screen dazu bekommt, gibt es zu diesem Preis von der Konkurrenz deutlich bessere Geräte, die vor allem in Sachen Kameraqualität die Nase vorne haben.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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Florian Christof

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