Muss ich mir wegen DAB+ ein neues Radio kaufen?
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„Erst nehmen’s uns die Glühbirnen und jetzt drehen’s uns auch noch das Radio ab!“, „Ich brauch ka gsch***nes Online-Radio“ und „Jetzt muss ich auch noch für die Schmarrn-Hitparade bezahlen.“ Der Start von DAB+ in Österreich erzürnt die Gemüter am Stammtisch und verunsichert Nutzer. In der Rubrik „frag die futurezone“ klären wir auf, was hinter dem neuen Radioformat steckt.
Was ist DAB+?
DAB steht für Digital Audio Broadcasting. Das Radiosignal wird dabei digital übertragen. Das UKW-Signal wird analog gesendet. DAB verhält sich zu UKW in etwa so wie das digitale Fernsehen DVB-T zum analogen Antennenfernsehen.
DAB+ ist die aktuelle Version von DAB. Da diese einen anderen Codec verwendet, sind DAB-Radios nicht mit DAB+ kompatibel. Wirklich betroffen ist davon kaum jemand in Österreich: DAB wurde von 2000 bis 2008 getestet, in Wien und Tirol.
DAB+ wird über Sendestationen ausgestrahlt. Wie beim herkömmliche UKW ist keine Internetanbindung zum Empfang nötig. DAB+ ist zwar digital, aber keine Streaming-Lösung, für die man online sein muss. Das ist auch einer der Vorteile von DAB+: Digitale Qualität, ohne das Datenvolumen zu beanspruchen.
Wann startet DAB+?
Die ORS comm, eine Tochtergesellschaft des ORF, hat eine bundesweite Lizenz für DAB+ erhalten. Diese gilt für zehn Jahre, ab dem 4. April 2019. Der Start von DAB+ erfolgt offiziell am 28. Mai 2019. Zu Beginn werden folgende Sender zur Verfügung stehen:
- ARBÖ Verkehrsradio
- ERF Plus Österreich
- Mega Radio
- Mein Kinderradio
- NOW Radio
- Radio 88.6
- Radio Arabella
- Radio ENERGY
- Radio Maria
- ROCK ANTENNE
- Sout al khaleej
- Technikum City
- Technikum One
- Info und Kultur (in Vorbereitung)
- Emergency Warning Function (EWF) wird nur im Krisenfall aktiviert
Dieser Start ist die erste Ausbaustufe. DAB+ wird ab dem 28. Mai in Wien, sowie Teilen von Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Oberösterreich verfügbar sein. Damit sollen 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung DAB+ empfangen können.
Am 31. März 2020 werden Sendestationen in Vorarlberg, Innsbruck und Salzburg in Betrieb genommen. Das soll die Abdeckung auf 75 Prozent erhöhen. Die dritte Ausbaustufe ist für den 22. September 2020 geplant, mit weiteren Stationen in der Steiermark, Kärnten und Burgenland. So sollen 83 Prozent der Bevölkerung erreicht werden.
Wo sind die restlichen Sender?
Die verfügbaren Sender sollen laufend erweitert werden. Dennoch vermisst man ein paar der großen Player. Obwohl die ORS comm eine Tochtergesellschaft des ORF ist, fehlen etwa Ö1, Ö3 und die Regionalradios. Auch Kronehit fehlt.
Der Grund: DAB+ ermöglicht vor allem Privatsendern vergleichsweise günstig überregional gehört zu werden, da kein UKW-Sendenetz aufgebaut werden muss. Ein Beispiel: KroneHit nutzt für seinen überregionalen Betrieb etwa 140 UKW-Frequenzen. Weil der ORF und KroneHit bereits ein österreichweites UKW-Netz haben, macht es für sie derzeit wenig Sinn, ebenfalls in DAB+ zu senden. Der ORF sagt dazu außerdem in einer Stellungnahme: "Aus Sicht des ORF ist DAB+ ein veralteter Standard. Die Zukunft der Radionutzung liegt im Streaming-Bereich, da es dafür auch schon eine gute Geräteausstattung gibt. Darüber hinaus dürfte der ORF nach aktueller Gesetzeslage auch gar keine eigenen Angebote für den Standard DAB+ entwickeln, was aber eine wesentliche Voraussetzung für den Markterfolg wäre."
Die Kostenersparnis für die Senderbetreiber bei DAB+ ergibt sich dadurch, dass bis zu 18 Audioprogramme pro Sendestation ausgestrahlt werden können. Sie können sich also die Kosten dafür teilen. Bei UKW ist pro Programm eine Sendestation möglich.
Wann und welche Sender zukünftig über DAB+ in Österreich empfangen werden können, ist noch nicht bekannt. Es wird sich dabei vermutlich um weitere Spartensender handeln.
Was kostet DAB+?
Der Empfang von DAB+ ist kostenlos. Einige Nutzer vermuten hinter DAB+ den Versuch, eine digitale Verschlüsselung für Radiosender einzuführen, damit diese dann kostenpflichtig gemacht werden können. Das ist nicht angedacht.
Das Missverständnis kam vermutlich zustande, weil in den USA und Kanada mit „Sirius XM Satellite Radio“ ein kostenpflichtiges Digitalradio angeboten wird. Dieses wird aber, wie der Name schon sagt, von Satelliten ausgestrahlt und nicht von terrestrischen Stationen. Das US-Gegenstück zu DAB+ ist „HD Radio“. Das ist kostenlos, wird aber laut Medienanalysen kaum angenommen. Etwa vier Prozent des Radiokonsums in den USA sollen auf HD Radio entfallen.
Brauche ich ein neues Radio für DAB+?
Zum Empfang von DAB+ wird ein entsprechendes Gerät benötigt. DAB+-Geräte können immer auch UKW empfangen. Ein reines UKW-Radio kann nicht DAB+ empfangen. Genau wie bei UKW, gibt es DAB+-taugliche Geräte in allen Formen und Preiskategorien. Dazu gehören mobile Geräte, Tuner für Anlagen, Mikro-Anlagen und Autoradios.
Für Autoradios gibt es auch Adapter und Nachrüstsätze. Diese sind oft eine eher „patscherte“ Lösung. Häufig wird eine Zusatzantenne benötigt und das empfangene DAB+-Signal wird vom Adapter wieder analog umgewandelt, um als UKW-Signal ans eigentliche Autoradio geschickt zu werden.
Bei der Suche nach DAB+-Geräten wird man auch auf Hybridradios stoßen. Damit sind Radios gemeint, die neben DAB+ und UKW auch Internetradios per WLAN empfangen können. Smartphones mit DAB+-Modul sind bisher eine Seltenheit und werden es voraussichtlich auch bleiben. Viele große Hersteller verzichten schon auf ein UKW-Radio, da sich Streaming etabliert hat. Daher ist nicht davon auszugehen, dass zukünftig DAB+ unterstützt wird.
Verbietet die EU UKW?
Die EU hat derzeit nicht vor, UKW zu verbieten. Das EU-Parlament hat lediglich beschlossen, das Neuwagen künftig mit DAB+-Radios ausgestattet sein müssen. Hersteller sind voraussichtlich ab dem Frühjahr 2021 dazu verpflichtet, nur noch DAB+-taugliche Radios in Neuwagen zu verbauen. Bis dahin können die Hersteller noch Aufpreise für den Einbau von DAB+-Radios verlangen.
Wird UKW abgeschaltet?
In Österreich gibt es noch keine konkreten Pläne dazu. Experten gehen aber davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Allerdings gehen sie auch davon aus, dass der ORF, der 60,5 Prozent Marktanteil mit seinen Radio-Programmen hat, dies möglichst lange hinauszögern wird. Denn der endgültige Umstieg auf DAB+ würde dem ORF auf einem Schlag massenhaft neue Konkurrenten bringen.
Norwegen hat bereits seine UKW-Sender abgeschaltet. In der Schweiz werden ab 2020 UKW-Sender eingestellt. Eine finale Deadline zum Schweizer UKW-Aus gibt es aber noch nicht. Deutschland scheint sich nicht sicher über das zukünftige Vorgehen zu sein. Zwar wird auch hier über den UKW-Ausstieg diskutiert, erst kürzlich wurden aber UKW-Sendelizenzen bis 2029 verlängert. Einige wenige Sender haben dennoch bereits mit einer Abschaltung einiger UKW-Sendeanlagen begonnen. Bisher sind diese Sendeanlagen aber nur in Gebieten, in denen sich der Betrieb aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr lohnt.
Welche Vorteile hat DAB+?
DAB+ erlaubt eine größere Auswahl an Sendern und Spartenprogrammen. Voraussetzung ist natürlich, dass es in Österreich bald mehr als nur die 15 Startsender geben wird. Das klassische Radiorauschen und das Lauter- und Leiserwerden bei schlechtem Empfang, gibt es bei DAB+ nicht.
Über DAB+ können zusätzlich Bildinformationen mitgeschickt werden. Auf den Displays der Geräte werden dann etwa Covers von Alben, Wetterkarten oder Verkehrsinformationen angezeigt. Mit TPEG (Transport Expert Protocol Group) hat DAB+ den Nachfolger des TMC-Verkehrssystems an Bord. Damit können künftig detailliertere Verkehrsinformationen und -warnungen empfangen werden. Diese Zusatzdienste benötigen keine Internetanbindung.
Welche Nachteile hat DAB+?
Die Tonqualität kann bei DAB+ besser sein als beim UKW-Radio, muss aber nicht. Das liegt daran, dass aus Kostengründen kleine Sender häufig mit geringen Datenraten senden, meist mit 72 kbit/s. Zwar gibt es keine rauschenden Störgeräusche, aber Nutzer könnten trotzdem das Gefühl haben, dass das digitale Radio schlechter klingt. Zum Vergleich: Die Standarddatenrate bei Spotify sind 96 kbit/s für die mobile Nutzung. In den höheren Qualitätsstufen sind es 160 und 320 kbit/s.
Dass es bei DAB+ kein Rauschen und Lauter- und Leiserwerden gibt, liegt daran, dass es digital ist. Das heißt: Entweder es geht oder es geht gar nicht, dazwischen gibt es nichts. Sinkt die Empfangsstärke unter einem bestimmten Schwellenwert, ist das Radio stumm, findet Sender nicht mehr oder hat Aussetzer. Gerade zum Sendestart kann das in Innenräumen verstärkt auftreten. Die Sendeinfrastruktur ist noch nicht voll ausgebaut und die DAB+-Signale durchdringen Wände schlechter als die UKW-Signale.
Außerdem können verschiedene Elektrogeräte den Empfang stören. Dazu gehören Haushaltsgeräte mit Elektromotoren, wie Kühlschränke, Waschmaschinen und Wäschetrockner, sowie LED-Beleuchtungen. Ebenfalls mögliche Störfaktoren: Schlechtwetter und Baustellen.
Zahlt sich der Umstieg auf DAB+ jetzt aus?
Für die meisten Nutzer vermutlich derzeit nicht – es sei denn, sie wollen unbedingt einen der 15 angebotenen Radiosender empfangen können und befinden sich in einem der Empfangsgebiete. Eine Empfangskarte findet man auf dabplus.at. Diese wird voraussichtlich ab dem 28. Mai die neuen Empfangsgebiete zeigen. Derzeit ist dort nur der Wiener DAB+-Betrieb der Pilotphase zu sehen.
Wenn man ohnehin vorhat sich ein neues Radio oder einen Tuner zu kaufen, macht es Sinn ein Gerät zu wählen, dass DAB+ beherrscht. So ist man für die Zukunft gerüstet. Das gilt besonders beim Kauf eines Neuwagens.
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