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Nissan Leaf im Test: E-Pedal statt Gaspedal

Der Nissan Leaf ist unter den E-Autos ein alter Hase, der mittlerweile seit 2010 produziert wird. Anfangs verfügte der Leaf über eine 24-kWh-Batterie und sah ein bisschen anders als heute aus. Ende 2017 kam die zweite Generation des Leaf auf den Markt. Das Aussehen wurde rundum erneuert und auch die Batteriekapazität auf eine Kapazität von 40 kWh erhöht. Wie sich die zweite Leaf-Generation behauptet, haben wir uns angesehen.

Startet man den Leaf, ist ein summendes, leicht futuristisch klingendes Geräusch zu vernehmen, das vom E-Motor kommt. Zusätzlich wird Fußgängern noch mithilfe eines künstlichen Motorengeräusches die Ankunft des Leafs angekündigt. Dieser künstlich erzeugte Ton lässt sich auch deaktivieren, das summende Motorengeräusch bleibt aber.

Eine Mischung aus alt und neu

Beim Bedienkonzept setzt Nissan auf eine Kombination aus Touchscreen und herkömmlichen dedizierten Knöpfen - am Lenkrad, links unterhalb des Lenkrads, in der Mittelkonsole, neben dem Touchscreen sowie im Bereich des Ganghebels.

Es ist zwar nicht wirklich verwirrend, dennoch wäre etwas weniger vielleicht etwas mehr. So sind gerade um das Display herum einige Bedienelemente doppelt. Etwa das Zurück-Element wird permanent am Display angezeigt und daneben gibt es noch den dedizierten Zurück-Knopf. Auch gibt es ein Auswahlrad, mit dem der Touchscreen bedient werden kann.

Das Menü und das gesamte Infotainment-System sind zwar selbsterklärend aber nicht so wirklich klar durchstrukturiert. Gerade gegenüber dem E-Golf von VW (hier im futurezone-Test) oder dem Zoe von Renault (hier im futurezone-Test) gibt es hier noch Aufholbedarf.  

Digital und analog

Auch bei der Instrumententafel setzt Nissan auf eine Mischung aus alt und neu. Die Kombination aus herkömmlichem kreisförmigen Tachometer für die Geschwindigkeitsanzeige und einer digitalen Display-Anzeige wirkt etwas unstimmig. Der Platz, den der runde Tachometer einnimmt, könnte vielleicht etwas sinnvoller genutzt werden.

Die digitale Display-Anzeige kann personalisiert werden. Dort lassen sich aktuelle Fahrdaten, Energieverbrauchsinformationen, Infotainmentdaten oder Assistenzsysteme anzeigen. Restreichweite, Akkuladezustand, gefahrene Kilometer sowie aktueller Energieverbrauch beziehungsweise Rekuperationsleistung werden permanent angezeigt.

Beim Ganghebel kommt ein Art Joystick zum Einsatz mit dem - ähnlich wie bei einem Automatikgetriebe - Parken, Vorwärts oder Rückwärts ausgewählt werden kann. Verwirrend dabei ist, dass ein Klick nach vorne den Rückwärtsgang einlegt, ein Klick nach hinten legt den Vorwärtsgang ein.

App strapaziert die Nerven

Alles, was ein  Fahrzeug im 21. Jahrhundert benötigt, hat der Leaf parat: Dazu gehört eben eine App, mit der einige Funktionen des E-Autos eingestellt werden können. Die App beziehungsweise die Verbindung zwischen Smartphone und Fahrzeug ist allerdings nicht so ganz, wie man sich smarte Mobilität vorstellt.

Öffnet man die App dauert es lange - manchmal sogar beinahe eine Minute - bis die Verbindung mit dem Fahrzeug hergestellt wird. Ist man endlich mit dem Auto verbunden, werden nicht sofort die aktuellen Fahrzeugdaten angezeigt. Dafür müssen die Daten in der App zum Teil manuell aktualisiert werden. Geht die App beziehungsweise das Smartphone in den Ruhemodus über, muss sich die App erneut wieder mit dem Fahrzeug verbinden, was die Nerven abermals strapaziert.

In der App kann ausgelesen werden, wo sich das Fahrzeug gerade befindet, wie viel Prozent der Akkustand beträgt und wie hoch dabei die geschätzte Reichweite beträgt. Auch Fahrdaten zu den vergangenen Fahrten sind in der App abgebildet. Außerdem ist es möglich mit der App die Klimaanlage/Heizung zu starten beziehungsweise zeitversetzt per Timer einzuschalten sowie  einen Ladevorgang aus der Ferne zu starten.

Läuft gerade ein Ladevorgang verrät die App aber nicht wie lange dieser Ladevorgang noch ungefähr dauert. Gerade diese Information wäre von großer Hilfe, wenn man das Fahrzeug unterwegs an einer öffentlichen Ladestation auflädt.

Lost in Navigation

Mit der App kann auch eine Route geplant werden. Allerdings zeigt sich hier ebenso wieder, dass es in Sachen Smart-Mobility noch größeren Aufholbedarf gibt: Geht man in der App auf Routenplanung, wechselt die App auf eine Website, die im Browser angezeigt wird. Will man nun eine aktuelle Route planen, ist es nicht möglich den aktuellen Standort per GPS auslesen zu lassen. Der Startpunkt muss mit Adresse samt Straßennamen, PLZ und Ortsnamen eingegeben werden.

Es ist auch nicht möglich den Namen eines Einkaufszentrums, Restaurants oder sonstigen wichtigen Punkten einzugeben - das Auswahlfenster lässt nur Straßennamen, PLZ und Ortsnamen zu. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Routenplanung im Nissan-Webportal am Desktop sowie direkt im Fahrzeug am Touchscreen. Bei einer derart umständlichen Routenplanung ist es nicht verwunderlich, dass viele auf Googles Kartendienst zurückgreifen und sich die Route mittels Android Auto anzeigen lassen.

Ebenso lässt auch die Navigation zur nächstgelegenen Ladestation zu wünschen übrig, weil die Datenbank der verfügbaren Lademöglichkeiten mehr als lückenhaft ist. Beispielsweise ist das E-Tanknetzwerk von Wien Energie in weiten Teilen nicht im Nissan-Infotainment-System abgebildet. Auch nach einer Aktualisierung der Datenbank werden die zahlreiche Ladestation nicht im Navigationssystem angezeigt.

Web-Dashboard: Praktisch aber viel ungenutztes Potenzial

Ähnlich wie in der App müssen auch im Nissan-Webportal "You+Nissan" die Daten manuell aktualisiert werden, damit die aktuellen Informationen auch angezeigt werden. Will man etwa das Fahrzeug orten, ist dies nicht möglich, solange man nicht vor Verlassen des Fahrzeugs die Daten noch im Auto bei laufendem Motor aktualisiert, obwohl der Leaf eigentlich über eine Verbindung zum Internet verfügt.

So wie in der App werden die aufgezeichneten Fahrdaten auch im Webportal angezeigt - allerdings mit mehr Details und Statistiken. Im Gamification-Stil gibt es hier auch regionale und internationale Ranglisten, in denen angezeigt, wie umweltfreundlich und energieeffizient man im Vergleich zu anderen Leaf-Fahrern unterwegs ist.

Generell strapaziert das Webportal, wie auch die Nissan-App, mit langen Wartezeiten die Nerven der Nutzer. Auch das Design des Dashboards wirkt nicht wirklich durchdacht: Die Statistiken über die Fahrdaten bieten zwar jede Menge Details und Zahlen, die Aufbereitung im Webportal ist aber alles andere als übersichtlich und grafisch ansprechend.

Beispielgebend

Wie es sich mit dem Infotainment-System, den smarten Features und dem Bedienkonzept verhält, zeigt ein Beispiel, das nur eine Kleinigkeit ist, in Summe sich aber doch auf die gesamte User-Experience auswirkt.

Stellt man den Motor ab, wird auf der Instrumententafel ein Menü angezeigt, in dem man auswählen kann, wann der Ladevorgang gestartet werden soll. - Eine Funktion, die man nur bei der eigenen Wallbox beziehungsweise einer offenen Wallbox nutzen kann - bei allen anderen öffentlichen Ladestation muss man sich Authentifizieren bevor man den Ladevorgang starten kann beziehungsweise kann man den Stellplatz nicht länger blockieren, als der Ladevorgang dauert. Außerdem stellt man das Auto sehr oft ab, ohne dass ein Ladevorgang gestartet wird.

Erst wenn man im Menü weiterscrollt, wird einem der aktuelle Fahrbericht mit dem durchschnittlichen Verbrauch angezeigt. Besser wäre es, den Fahrbericht immer nach Abstellen des Motors anzuzeigen und das Lade-Menü erst wenn man weiterscrollt.

Motorisierung

Der getestete Nissan Leaf verfügt über eine Leistung von 110 kW beziehungsweise 150 PS. Die Kapazität der Batterie beträgt 40 kW/h, die Normreichweite laut WLTP liegt bei bis zu 285 Kilometern, welche im Test auch bestätigt werden konnte. Wobei die Restreichweitenanzeige sogar etwas zu pessimistisch ist. Kombiniert man den Eco-Modus mit energieeffizienten Fahren mittels e-Pedal, wird man sogar mehr als 300 Kilometer weit kommen.

Auf der Autobahn wird der Akku bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h sehr schnell leergesaugt. Will man auf die Reichweite achten, sollte man nicht schneller fahren als 110 km/h.

Mit dem Eco-Modus, der dem Motor etwas Leistung entzogen und die automatische Bremsenergierückgewinnung leicht erhöht. Dadurch erweitert sich die Reichweite um etwa zehn Prozent. Im Eco-Modus wird der Leaf schon spürbar behäbiger, dem Fahrspaß schadet dies aber nicht wirklich.

Aufladen: Entweder schnell oder langsam

Mit dem Typ-1-System kann der Nissan Leaf einphasig mit bis zu 7,4 kW geladen werden. Mit dem Typ-2-System lässt sich das Auto ein- bis dreiphasig mit bis zu 43 kW laden. Außerdem verfügt der Nissan Leaf über die Möglichkeit mittels Chademo-Schnellladesystem per Gleichstrom mit bis zu 50 kW geladen werden zu können.

Das Testfahrzeug konnte mit per Wechselstrom mit bis zu 6,6 kW geladen werden, per Gleichstrom (CHAdeMO) mit bis zu 50 kW. Schade ist, dass es dazwischen keine Lademöglichkeit gibt, denn zahlreiche Ladestationen laden auch mit 11 oder 22 kW und gerade die CHAdeMO-Lademöglichkeiten sind dünn gesät.

Bei Smatrics oder Wien Energie

Bei der Smatrics-Ladestation am Gaudenzdorfergürtel, die über einen CHademo-Stecker verfügt, wurde dann schließlich mit 44 kW geladen. Der Leaf zeigte bei einem Akkustand von 41 Prozent dauert es ungefähr 1,5 Stunden bis zur Vollladung. Bis 75 Prozent dauerte es lediglich 18 Minuten.

Bei einer innerstädtischen, öffentlichen Ladestation von Wien Energie konnte der Leaf mit lediglich 6 kW geladen werden, obwohl die Ladestation eigentlich für 11 kW ausgelegt war.

Beim Nissan Leaf wird auf der Instrumententafel angezeigt, dass gerade mit wie viel kW geladen wird und wie lange der Ladevorgang noch dauert.

Daneben wird noch unterhalb der Windschutzscheibe mithilfe von drei LEDs angezeigt, dass das Fahrzeug gerade geladen wird beziehungsweise wie viel der Akku bereits geladen wurde.

Gasgeben mit dem e-Pedal

Fahrtechnisch gibt es am Leaf kaum etwas auszusetzen: Er ist angenehmen zu fahren, liegt recht gut in der Kurve und zieht gut an, sodass man kein Ampelduell scheuen muss. Was den Leaf beim Fahren aber ausmacht, ist sein sogenanntes e-Pedal.

Das Fahren mit dem e-Pedal - welches sich wahlweise ein- und ausschalten lässt - soll einen energieeffizienten Fahrstil fördern und das so genannte "One-Pedal-Driving" ermöglichen. Mit dem e-Pedal kann man beschleunigen, abbremsen und stoppen. Lässt man das e-Pedal während der Fahrt los, setzt die automatische Bremsenergierückgewinnung ein und bremst das Fahrzeug solange, bis es zum Stillstand kommt.

Anfangs ist ein solches Fahren äußerst gewöhnungsbedürftig und muss erst gelernt werden. Normalerweise rollt das Fahrzeug, wenn man das Gaspedal loslässt und die Rekuperation setzt ein, wenn man das Bremspedal betätigt. Lässt man das e-Pedal vollständig los, wird das Fahrzeug relativ schroff mittels Energierückgewinnung runtergebremst. Um die Geschwindigkeit des Nissan Leaf im Fließverkehr zu reduzieren, genügt es also, das e-Pedal ein bisschen aber nicht vollständig loszulassen. Denn dann reduziert das Fahrzeug Geschwindigkeit und gewinnt gleichzeitig Energie aus den Bremsen zurück obwohl man immer noch den Fuß am Gaspedal hat.

Wer vorausschauend Fährt und die Energieverbrauchsanzeige ein wenig im Blick hat, wird sehen, dass das e-Pedal maßgeblich zu einer energieeffizienten Fahrweise beiträgt. Wenn man das e-Pedal einmal gewohnt ist, wird man das Bremspedal nur mehr in Notfällen betätigen - alle anderen, gewöhnlichen Bremsvorgänge überlässt man der Rekuperation.

Zahlreiche und hilfreiche Assistenzsysteme

Bei den Assistenzsystemen kann der Nissan Leaf auf ganzer Spur punkten. An den Rückspiegeln, in der Front und im Heck sind Kameras angebracht. Die Bilder dieser Kameras werden zusammengestückelt und am Touchscreen in der Mittelkonsole so angezeigt, als würde man das Fahrzeug aus der Vogelperspektive betragen. In Kombination mit den Vorder- und Rückkameras wird damit das Einparken wesentlich erleichtert.

Befindet sich ein Fahrzeug im toten Winkel, erkennt das der Leaf mithilfe seiner Kameras. Mithilfe einer LED am seitlichen Rückspiegel wird dem Fahrer signalisiert, dass sich ein anderes Fahrzeug im toten Winkel befindet.

Der so genannte ProPilot sorgt für ein teilautonomes Fahrerlebnis. Als intelligenter Tempomat kann er mithilfe eines Abstandmessers die Geschwindigkeit an das vordere Fahrzeug automatisch anpassen und entsprechend beschleunigen beziehungsweise bremsen. Auf der Autobahn kann er darüber hinaus auch die Spur halten, sofern sich eine Begrenzungslinie auf der Fahrbahn befindet.

Nach kurzer Eingewöhnungsphase ist der ProPilot ein dankbarer Begleiter. Selbst im (zähflüssigen) Fließverkehr auf der Autobahn wird damit das Fahren zum Cruisen.

Preis

Das Testfahrzeug war ein Nissan Leaf Tekna, dessen Preis laut Nissan-Website bei 39.850 Euro beginnt. Der günstigste Leaf kommt mit der Acenta-Ausstattung und ist ab 35.600 Euro zu haben.

Der unterschiedliche Preis hängt von der Sonderausstattung ab. Bei der Motorisierung unterscheiden sich die verschiedenen Modelle nicht: 40 kWh Batterie, 110 kW bzw. 150 PS. Eine Batteriemiete bietet Nissan nicht an.

Fazit

Alles in allem ist der Nissan Leaf ein brauchbares E-Auto, das leider einiges an Potenzial liegen lässt. Das Fahrgefühl ist super, das e-Pedal wohl wegweisend und die Assistenzsysteme sind hervorragend.  

Im Vergleich zu herkömmlichen Autos sind auch die smarten Features inklusive Verwaltung via App und Webportal zu loben. Schreibt man sich allerdings Smart-Mobility auf die Fahnen, werden die Erwartungen enttäuscht. Verglichen mit anderen smarten Devices sind die intelligenten App-Features und das Webportal mehr als enttäuschend.

In dem Preisbereich, in dem sich der Leaf bewegt, muss sich Nissan künftig wohl warm anziehen, wenn man sich gegen die immer stärker werdende Konkurrenz behaupten will.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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