Polar Ignite im Test: Eine gute Fitness-Uhr und schlechte Smartwatch
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Was ist besser: Eine Fitness-Uhr mit Smart-Funktionen oder eine Smartwatch mit Fitness-Funktionen? Idealerweise sollte man sich diese Frage gar nicht erst stellen müssen, weil der Übergang vom einen zum anderen Produkt fließend ist. Von der Fitness-Seite ausgehend beweist etwa Garmin, dass das funktionieren kann. Bei den Smartwaches gehören u.a. Samsung-Modelle zu denen, die solides Fitness- und Sport-Tracking bieten.
Polar kommt aus der Läufer- und Fitness-Ecke, hat aber im Gegensatz zu Garmin den Anschluss ans smarte Zeitalter noch nicht ganz geschafft. Die Polar Ignite (ab199 Euro) bestätigt dies leider. Ich habe sie getestet.
Lahmer Touchscreen
Das Design ist zwar simpel, aber nicht minimalistisch genug um elegant zu wirken. Zwischen Aluminium-Gehäuse und Display ist ein recht dicker, schwarzer Rand. An der Unterseite ist er noch dazu flach. Dies in Verbindung mit dem Look des Gummiarmbands lässt die Ignite nicht besonders hochwertig wirken.
Das größere Problem ist der Touchscreen. Wie die meisten Smartwatches wird die Ignite fast ausschließlich per Touchscreen gesteuert. Dieser reagiert langsam und manchmal gar nicht. Das doppelte Antippen zum Aufwecken muss man schon sehr energisch machen, damit es klappt. Das Wischen von oben nach unten, um die Schnelleinstellungen aufzurufen, funktioniert manchmal erst beim 8. Versuch oder dem 12. Ab einen gewissen Punkt habe ich aufgehört mitzuzählen. Das Wischen nach links und rechts wird ebenfalls öfters ignoriert.
Die Displayhelligkeit kann nicht manuell eingestellt werden. Der Bildschirm ist aber sehr hell und auch bei Sonnenlicht im Freien noch gut ablesbar. Dafür sollte man in der Nacht unbedingt den „Nicht Stören“-Modus aktivieren. Denn sonst wird ein Herumwälzen als Aktivierungsgeste interpretiert und man leuchtet sich ins Gesicht.
Unlogische Menüführung
Die Menüführung ist nicht ganz durchdacht. Unter der Zeit werden die durch Links- und Rechtswischen wechselbaren Widgets angezeigt, wie etwa der aktuelle Puls. Um im Menü die bisherigen Pulsmessungen anzuzeigen, tippt man aber nicht auf die Pulsanzeige, sondern irgendwo auf den Screen. Es ergibt aber überhaupt keinen Sinn, dass der Herzfrequenzbildschirm aufgeht, wenn man aufs Datum tippt, das sich oben am Display befindet. Noch dazu gibt es eine Verzögerung von einer Sekunde zwischen Tippen und Umschalten. Klingt kurz, wirkt aber in Smartphone- und Watch-Zeiten wie eine Ewigkeit.
Drückt man auf die einzige Hardwaretaste der Uhr, öffnet sich das Menü. Hier wechselt man die Modi durch Wischen nach oben und unten und tippt auf das Display, um den gewünschten Menüpunkt anzuwählen. Im Menüpunkt, wie etwa Training, wischt man dann aber von links nach rechts zum Auswählen der Trainingsart. Hier ist die Eingabe so ungenau, dass man manchmal wischt und der Menüpunkt nicht wechselt.
Um die Aufzeichnung, etwa beim Laufen, zu pausieren, drückt man die Hardware-Taste. Will man fortsetzen, muss man aber das Display antippen – das wiederum nicht richtig reagiert. Drückt man die Taste, passiert nichts. Lässt man die Taste gedrückt, startet ein Countdown. Am Ende des Countdowns wird die Aufzeichnung beendet. Selbst nach mehreren Wochen Nutzung hat mich die Menüführung und der ungenaue Touchscreen immer noch geärgert.
Nervige Notifications
Nicht smart ist, dass die Ignite nur zwei Watchfaces bietet: analog und digital. Zumindest ist die digitale Anzeige akzeptabel. Allerdings würde ich es dennoch bevorzugen, diese anpassen zu können, etwa um permanent die Akkustandsanzeige zu sehen.
Die „Smart Notifications“ der Ignite sind ein schlechter Scherz. Es werden alle Android-Benachrichtigungen weitergeleitet. Wird etwa eine App heruntergeladen, vibriert die Uhr beim Start, beim Installieren und bei der Benachrichtigung, dass die App installiert wurde. Bei einem automatischen Update von 10 Apps ist das supernervig. Es ist allerdings jede Benachrichtigung nervig, die unwichtig für den User ist. Durch die Ignite weiß ich erst wie viele es täglich sind, vor denen mich das Samsung Galaxy Note 10+ netterweise bewahrt.
Will man sich nicht den ganzen Tag nerven lassen, muss man alle Apps, von denen man keine Nachrichten erhalten will, in der Polar App auf die Blockier-Liste setzen. In der Liste sind Apps erst anwählbar, wenn sie zumindest einmal eine Benachrichtigung geschickt haben. Hier mit einer Blacklist statt Whitelist zu arbeiten ist sehr ungewöhnlich. Zudem muss man auch erst herausfinden, welche „App“ die Benachrichtigung geschickt hat. In der Liste finden sich bei mir etwa „Oberfläche“, „Konfigurationsupdate“, „Google Play Dienste“, „Google“, „Android-System“ und „Anrufeinstellungen“.
Akku
Die Akkulaufzeit lag durchschnittlich bei 3 bis 4 Tagen, mit ein bis zwei Trainingseinheiten zwischen 30 und 90 Minuten, sowie permanenter Pulsmessung und Schlaftracking. Das ist zwar nicht herausragend gut, aber durchschnittlich für Smartwatches.
Bei 10 Prozent Akkuladung wechselt die Ignite in einen gezwungenen Akkusparmodus. Hier ist keine Aufzeichnung von Aktivitäten mehr möglich. Will man noch schnell 15 Minuten laufen gehen, hat man Pech gehabt. Hier sollte es eigentlich dem User überlassen werden, ob er das Risiko eingeht, noch eine Aktivität zu starten.
Selbst beim Akkuladen kommt die Ignite nicht ohne Ungereimtheiten aus. Selbst wenn der Akkustand auf 100 Prozent ist, steht „noch nicht voll“ am Display. Das verschwindet auch nicht, wenn man die Ignite ein paar Stunden am Ladegerät angesteckt lässt.
Schlaf-Tracking
Das Schlaftracking der Ignite ist sehr genau. Sie erkennt korrekt, ob man nur auf dem Sofa gelungert ist, oder sich tatsächlich schlafengelegt hat. Sie unterscheidet zwischen „Leicht“, „Tief“, „REM“ und „Unterbrechungen“. In der App wird zudem ein Schlafindex angezeigt, der die Qualität des Schlafs anhand von drei Kriterien mit bis zu 100 Punkten bewertet. Dazu gibt es noch Detailansichten, wie „Lange Unterbrechungen“, „Kontinuität“ und ähnliches. Für Daten-Junkies ist das großartig.
Aber was macht man mit diesen Daten? Hierfür gibt es in der App den Punkt „Nightly Recharge“. Nach ein paar Nächten hat die Ignite genug Daten gesammelt, um zu analysieren, wie fit man nach der Nachtruhe ist. Zusätzlich zum Status ist unten eine klare Empfehlung zu lesen, wie etwa „Der Tag ist wie gemacht fürs Training“ oder „Es ist in Ordnung, wenn du heute nur leicht trainierst oder dich ausruhst. Lass deinen Körper sich erholen.“ Es ist sehr löblich von Polar, diese Funktion so umgesetzt zu haben. Übertraining ist kein Mythos, sondern ernstzunehmen. Gerade als motivierter Amateur-Sportler kann man schnell ins Übertraining geraten.
Vorgeschlagenes Training
Passend zu Nightly Recharge bietet die Ignite die Funktion „FitSpark“. Das sind Trainingseinheiten, die an den mit Nightly Recharge berechneten Fitness-Status angepasst sind. Diese findet man auf der Ignite aber nicht im Menü „Training starten“, sondern über das dazugehörige Watchface-Widget (von links nach rechts wischen, dann auf das Display tippen).
Die Übungen werden aus den Kategorien „Kraft“, „Cardio“ und „Unterstützung“ vorgeschlagen und dauern zwischen 10 bis 45 Minuten. Dazu gehört etwa Laufen mit Intervalltraining, verschiedene Übungen mit Eigengewicht, bis hin zum Zirkeltraining. Im Gegensatz zu anderen Smartwatch-Angeboten mit Trainingsplänen, kann FitSpark kostenlos, ganz ohne Abozwang, genutzt werden. Mit „Serene“ bietet die Ignite auch Atemübungen zum Entspannen, was mittlerweile Standard bei vielen Smartwatches ist.
Sport-Tracking
Hier gibt sich die Ignite, wie von Polar zu erwarten ist, keine Blöße. Das eingebaute GPS erfasst die Position angenehm schnell. Für viele Ausdauer-Trainings gibt es eine Indoor-Option (ohne GPS-Tracking). Die Aufzeichnung von Schwimmen wird ebenfalls unterstützt. Die Ignite erkennt dabei, welcher Schwimmstil für wie viele Meter (in 25m-Schritten) genutzt wurde.
In der App wird zudem in der Wochenansicht eine Einschätzung angezeigt, wie „Aufbauend“, „Unterfordernd“ oder „Überfordernd“. Bei letzterem wird auch angezeigt, in welchen Tagen nach dem Training man vorsichtig sein sollte, weil hier das Risiko für Verletzungen höher ist. Die Info ist zwar nicht ganz so verständlich aufbereitet wie bei „Nightly Recharge“, aber es ist dennoch lobenswert, wie Polar mit diesem Thema umgeht.
Die Messung der Herzfrequenz ist ebenfalls gut und stimmt mit den Messungen eines dedizierten Brustgurts und Pulsmessgerät überein. Nur die Anzeige an der Uhr im Watchface, also wenn kein Training aufgezeichnet wird, ist ab und zu ein paar Sekunden hinten nach mit der Anzeige des aktuellen Pulses.
Was die Ignite nicht bietet: Einen Standalone-Musikplayer, um auch ohne Smartphone Musik beim Training per Bluetooth-Kopfhörer zu hören. NFC fehlt ebenfalls, was aufgrund der in Österreich nur eingeschränkt verfügbaren NFC-Zahldienste nicht so schlimm ist. Auch eine automatische Workout-Erkennung, was etwa von Radfahrern gerne für den Arbeitsweg genutzt wird, gibt es nicht.
Fazit
Die Polar Ignite hat ein gutes Herz. Es ist vorbildlich, wie dem User in relativ klaren Worten gesagt wird, falls man lieber nicht trainieren oder ob man in den nächsten Tagen mehr Gas geben sollte, um den Trainingsfortschritt nicht zu verlieren. Gerade die Warnungen sind für Amateur- und Hobby-Sportler sehr hilfreich, um zu verhindern, dass die Übermotivation zum Übertraining führt.
Dieses gute Herz ist nur leider in einem schlechten Körper verpackt. Das Aussehen alleine wäre nicht das Problem. Aber es fehlen einfach Smartwatch-Funktionen, die in dieser Preisklasse Standard sein sollten. Die Bedienung ist zudem nicht ganz durchdacht und der schlecht reagierende Touchscreen ist ein Ärgernis. Dadurch wird nahezu jede Interaktion mit der Ignite ein Frustmoment. Und da man die Uhr Tag und Nacht trägt, sind das sehr viele Frustmomente.
Daher kann ich die Polar Ignite nicht empfehlen. Man darf aber darauf hoffen, dass es irgendwann ein Nachfolgemodell geben wird - mit einem besseren Touchscreen, einer schlüssigeren Bedienung und einem etwas hochwertigeren Look.
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