RGNT No. 1 im Test: Elektrisches Cruiser-Motorrad im Retro-Look
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Ein zeitloses Design und dennoch innovativ - so wollte Jonathan Astrom seine Motorräder gestalten. Der Schwede hat 2019, inspiriert von der zunehmenden Elektrifizierung auf Pekings Straßen, das Start-up RGNT gegründet. Sein Ziel: Zu einem der Top-Player bei elektrischen Zweirädern zu werden. Die RGNT No.1 Classic ist das erste Produkt der Marke. Der Elektrofahrzeughändler G-Electric hat uns ein Exemplar zum Testen zur Verfügung gestellt.
RGNT No. 1 Classic in Bildern
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Ausstattung und Technik
Die RGNT No.1 Classic ist 2,11 Meter lang und hat eine Sitzhöhe von 83 Zentimeter. Angetrieben wird es von einem 11 kW-Radnabenmotor, wodurch es in dieselbe Fahrzeugkategorie wie 125ccm-Motorräder fällt. Ein 7,7 kWh-Akku an Bord sorgt für rund 120 Kilometer Reichweite. 156 Kilogramm bringt das Fahrzeug auf die Waage, wobei alleine 60 Kilogramm auf den Akku entfallen. Am Lenker sitzt ein 7 Zoll LCD Touchscreen, in dem auch ein GPS-Empfänger verbaut ist. Die Reifen sind mit 18 Zoll (vorne) bzw. 17 Zoll (hinten) relativ groß dimensioniert.
"Zukunftssicherer Retro-Look"
Beim Design hat sich das schwedische Start-up richtig ins Zeug gelegt. Angelehnt ist der Look eindeutig an klassische Cruiser, etwa der Honda CB 750 Four. Statt eines Vierzylindermotors prangt freilich ein Akku unter einem Fake-Metalltank, aber auch der hat mit seinen Rippen ein cooles Äußeres aus Aluminium bekommen. Die Speichenräder, ein runder Frontscheinwerfer (mit LED) und der angeblich handgenähte Ledersitz runden den "zukunftssicheren Retro-Look" (Zitat RGNT) ab.
Gestartet wird das Motorrad mit einem Chip, den man unterhalb des Sitzes auf ein Schlüssel-Symbol hält. Zieht man gleichzeitig an der Bremse, erwacht das große Display zum Leben. Darauf zu sehen sind neben einem Tachometer und einem Odometer der Batterieladestand und die Motortemperatur über einer Landkarte. Darauf sollte man sofort erkennen, wo man sich befindet und wohin man sich bewegt. Im Test klappte das nicht immer einwandfrei. Die von uns getestete Maschine ist jedoch ein Vorserienmodell. Beim Serienmodell funktioniert das hoffentlich zuverlässiger.
Gemütlich, aber windig
Das Fahren mit der RGNT No.1 ist ein puristisches Vergnügen. Der Gasgriff lässt sich sehr fein dosieren, der Motor spricht sanft an. Will man richtig Gas geben, muss man den Griff schon ordentlich nach unten drehen. Das E-Motor-Drehmoment schiebt auch ganz ordentlich an, wenngleich nicht gar so stark, wie etwa bei der von uns ebenfalls unlängst getesteten Silence S01+. Möglicherweise liegt es am schweren Akku, möglicherweise auch daran, dass man mit dem Retro-Cruiser etwas weiter kommen soll, als mit dem Stadtflitzer.
Bodenunebenheiten werden von den großen Reifen und der Federung gut geschluckt. Gegenwind spürt man bei der RGNT mangels Windschild recht stark. Auch die Reichweite sinkt gegen Widerstand spürbar. Eine windige Fahrt von Wiener Neustadt nach Wien über 45 Kilometer frisst beispielsweise rund 50 Prozent des Ladestandes. Auf das Prozent genau erfährt man das nicht. Der Ladestand sinkt in Fünf-Prozent-Schritten.
Eine Sorge mehr
Die Motortemperatur hingegen wird auf das Grad genau angezeigt. Bei 100 Grad Celsius soll die Leistung reduziert werden. Auf der Landstraße erreichte ich beim Testen einmal 96 Grad. Neben der Reichweite eine Sorge mehr, die man sich machen muss. Auf dem Touchscreen kann man zwischen "Power" und "Range"-Modus wechseln. Beim Testen habe ich dabei keinen wirklichen Unterschied gemerkt, aber vielleicht hilft es bei längeren Fahrten ja tatsächlich, wenn man sich für "Range" entscheidet.
Wie in einem Video von RGNT zu sehen ist, sollte man am Display eigentlich noch jede Menge Einstellungen vornehmen können. Beim Vorserienmodell gibt es diese Option noch nicht.
So gut wie null Stauraum
Oben am Fake-Tank lässt sich ein Deckel aufsperren, unter dem sich ein mickriges Staufach befindet. Eine Geldbörse oder ein Smartphone passen da wohl rein, möglicherweise aber nicht einmal beides auf einmal.
Der Sitz ist für kürzere Fahrten bequem genug, auch für zwei Passagiere, auf längeren Strecken aber doch nicht so komfortabel, wie man es bei seiner manuellen Fabrikation vermuten würde. Das Gestänge hinter dem Sattel lässt die Möglichkeit einer Taschenmontage erahnen, vielleicht dient es aber auch nur dem Look.
Schwierige Ladesituation
Abgestellt werden kann die RGNT No.1 Classic nur auf einem Seitenständer. Will man das Motorrad aufladen, klappt man einen Tankdeckel rechts am Akku auf. Darunter verbirgt sich ein proprietärer Ladeanschluss. Dazu braucht man ein etwas klobiges Ladegerät und eine Schuko-Steckdose. Wer in einer Wohnung wohnt, wird also möglicherweise ein logistisches Problem haben, denn öffentliche Ladestellen mit Schuko sind rar gesät. In manchen Parkhäusern in Wien gibt es sie aber doch.
Fazit und Preis
Die RGNT No.1 Classic hat tatsächlich das Zeug zu einem modernen Klassiker. Das E-Motorrad fährt sich sehr angenehm und hat eine vergleichsweise hohe Reichweite. Dass so gut wie kein Stauraum vorhanden ist und der Sitz ruhig etwas breiter und weicher ausfallen hätte können, kann man mit Design rechtfertigen. Das große Display bietet beim Serienmodell mehr Funktionen. Alleine der Umstand, dass man die eigene Position auf einer Landkarte darauf sieht, ist für viele Fahrer*innen sicherlich praktisch.
Eher unpraktisch sind der proprietäre Ladeanschluss und das Aufladen mit Schuko. Wenn man den Akku entnehmen und mit nach Hause bringen könnte, wäre die Sache einfacher - zumindest für Menschen, die kein Haus mit Garage bewohnen oder keine Lademöglichkeit am Arbeitsplatz vorfinden.
Die stylische Maschine aus Schweden hat ihren Preis. Etwa 13.000 Euro muss man dafür hinblättern. RGNT hat mittlerweile auch andere Versionen seines Produkts im Angebot, die noch ein paar Tausender mehr kosten. Dafür haben die teilweise auch noch größere Akkus (bis 9,5 kWh) eingebaut.
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