Secrets of Raetikon im Test: Schöner Alpen-Flug ohne Tiefe
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Das Leben als Indie-Spieleentwickler ist hart. Der Gedanke, die eigene Spieleidee zu verwirklichen, ist verlockend, doch nur wenige schaffen den Durchbruch. Dem Team des Wiener Spieleentwicklers Broken Rules ist das mit And Yet It Moves 2009 gelungen. Das Spiel wurde zum internationalen Verkaufserfolg und auf Nintendos Wii portiert. Darauf folgte jedoch eine wilde Achterbahnfahrt für das siebenköpfige Entwicklerstudio. Mit Chasing Aurora durften sie einen Launch-Titel für die Wii U entwickeln, konnten damit aber nicht an die Erfolge von And Yet It Moves anknüpfen.
Doch trotz des ausgebliebenen kommerziellen Erfolgs hielt Broken Rules am selbst geschaffenen Chasing Aurora-Universum fest, ein Singleplayer-Ableger wurde bereits vor dem Start des Wii U-Titels angekündigt. Eineinhalb Jahre später ist dieses Spiel dank einer Crowdfunding-Kampagne unter dem Namen Secrets of Raetikon für PCs verfügbar, Nintendos Spielkonsolen wurden (vorerst) ausgeklammert. Wieder übernimmt der Spieler die Rolle eines Vogels. Statt eines Party-Spiels für mehrere Personen, wie es bei Chasing Aurora der Fall war, kommt Secrets of Raetikon aber mit einer Einzelspieler-Kampagne. Die futurezone hat das neue Videospiel aus Österreich getestet.
Secrets of Raetikon wirft den Spieler gleich in die Welt von Raetikon hinein, die Geschichte wird zunächst nicht erklärt. Vielmehr wird der Spieler dazu eingeladen, die namensgebenden Geheimnisse selbst zu erkunden. Das ist eine willkommene Abwechslung zu Zwischensequenzen mit seitenlangen Texten und sorgt für einen flüssigen Spielverlauf. Hin und wieder wünscht man sich jedoch, dass das Spiel die Geschichte und Aufgaben ein wenig mehr erklären würde. So muss man beispielsweise zerbrochene Statuen nachbauen, nur so öffnen sich gewisse Türen. Das wird aber nicht erklärt.
Der Spieler findet zwar immer wieder einzelne Elemente, was er damit anstellen soll, ist aber zunächst nicht klar. Erst nachdem der Sockel der kaputten Statue gefunden wurde, ahnt man, dass es sich um eine weitere Aufgabe handeln könnte. Direkt neben dem Sockel steht als Hilfe eine Kopie der zerstörten Statue. Die Elemente sind zudem nicht direkt neben der Statue zu finden, sondern frei in den Abschnitten verteilt, teilweise in recht schwer zu erreichenden Bereichen. Das Sammeln gestaltet sich so, beispielsweise bei einem großen Element, das durch einen engen Tunnel mit Dornenbüschen transportiert werden soll, schwierig.
Schreien für Splitter
Laut Martin Pichlmair, einem der Mitbegründer von Broken Rules, sei es nicht das Ziel gewesen, den Spieler zu frustrieren, aber ihn dennoch zu fordern. “Wir wollten, dass sich der Spieler mit der Welt beschäftigt”, so Pichlmair gegenüber der futurezone. An der Spielmechanik werde es daher auch keine Änderungen geben, der Schwierigkeitsgrad werde aber im weiteren Spielverlauf noch etwas abgeflacht. Die Geschichte hingegen fehlt nicht, der Spieler muss sie sich aber selbst entschlüsseln. In den Levels stehen Tafeln, deren Nachrichten in einer unverständlichen Sprache verfasst wurden. Der Spieler findet im Verlauf des Spiels Runen-Steine, mit denen das Alphabet entschlüsselt wird. Um alle Steine zu finden, müssen aber zunächst alle Level absolviert werden.
Die Spielmechanik ist relativ selbsterklärend, mit den Pfeiltasten wird der Vogel gesteuert. Per Druck auf die Leertaste schlägt der Vogel mit den Flügeln, wobei das nur für das schnellere Vorankommen erforderlich ist, in der Luft bleibt man auch so. Der Vogel kann aber auch auf ebenen Flächen landen. Wie bei Chasing Aurora bringt rasches Hämmern auf die Tasten nichts. Der Flügelschlag muss in einen bestimmten Rythmus erfolgen, um die maximale Geschwindigkeit zu erreichen. Der Vogel kann sich auf Knopfdruck auch in den Sinkflug begeben.
Diebische Vögel
Dem Spieler stellen sich im Verlauf des Spiels auch einige Gegner in den Weg. Dabei handelt es sich aber nicht um übernatürliche Wesen, sondern um andere Tiere dieser Welt, wie Füchse und Elstern. Die wohl bösartigsten Gegner sind die Elstern, die den Spieler im Flug packen und versuchen, ihn in Dornenbüsche zu werfen. Um dem Griff der Elstern zu entkommen, muss man möglichst schnell mit den Flügeln schlagen. Zudem erfüllen sie auch das Klischee der “diebischen Elstern” und nehmen dem Spieler die Scherbe für die große Maschine ab. Das Zurückgewinnen dieser Scherbe kann zu einer durchaus mühsamen Angelegenheit werden, da die Elstern recht flink unterwegs sind. Zudem jagen Mückenschwärme den geplagten Vogel durch die Level.
Die Kampagne von Secrets of Raetikon lässt sich in rund sechs Stunden absolvieren. Das betrifft jedoch nur die Jagd nach den Splittern, um die Raetikon-Maschine zu vervollständigen. Wer in aller Ruhe die Welt von Raetikon erkundet und dabei nach Runen und anderen versteckten Rätseln sucht, ist deutlich länger beschäftigt. Neuer Content für das Spiel soll über den Steam Workshop von der Community selbst kommen. Dort haben sie einen kompletten Editor für das Spiel zur Verfügung und können mit der Gingko-Engine ihre eigenen Spiele-Ideen verwirklichen. Derzeit finden sich dort lediglich drei Einträge, davon ein “Film noir”-Filter sowie ein Mini-Spiel, das dem Klassiker Elasto Mania ähnelt.
Vorerst kein neuer Raetikon-Titel
“Eigentlich war ja eine Trilogie geplant”, sagt Pichlmair. Das nächste Spiel von Broken Rules werde aber definitiv nicht die Geschichte von “Chasing Aurora” und “Secrets of Raetikon” fortsetzen. Stattdessen wolle man einige neue Ideen in kleineren Gruppen erkunden, die derzeit in verschiedenen Prototypen ausprobiert werden. Ohnedies versuche man, über Kooperationen und Auftragsarbeiten neue Wege zu beschreiten. Derzeit arbeitet Broken Rules an der Wii U-Version des Action-Platformers “Guacamelee”, das ursprünglich von Drinkbox Studios entwickelt wurde. Derartige Auftragsarbeiten sollen künftige Projekte finanzieren. Ein weiterer Titel im Raetikon-Universum sei aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen.
Secrets of Raetikon ist eines der schönsten Indie-Games dieses Jahres. Leider steckt hinter der ansprechenden Fassade nur wenig Tiefe. Das Bisschen an Geschichte verbirgt sich hinter verschlüsselten Steintafeln, die erst zum Ende des Spiels lesbar werden. So weiß der Spieler nicht, was ihn, mit Ausnahme der Neugierde auf das “Geheimnis der Maschine”, eigentlich antreibt. Das Gameplay ist flüssig und angenehm einfach gehalten, doch der Schwierigkeitsgrad variiert zu stark, um langfristig zum Spielen anzuregen.
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