Wie Zugfenster den Handyempfang verbessern können
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Wer in den letzten 20 Jahren einmal Bahn gefahren ist, kennt das Problem. Der Mobilfunkempfang in Zügen ist meistens eher schlecht. Das liegt nicht nur daran, dass es so wenige Funkmasten entlang der Strecke gibt - auf diesem Gebiet gibt es massive Verbesserungen. Die Zugwaggons selbst sind das Problem. Metall bildet nicht nur ihre Hülle, es überzieht auch als durchsichtige Beschichtung die Fensterscheiben, um die Temperatur im Zuginneren besser regulieren zu können. Die Mobilfunksignale prallen daran wie an einem Faradayschen Käfig ab. Ein neues Verfahren macht diese Wärmeschutzverglasung nun allerdings bis zu 500 mal durchlässiger für Funksignale als bisher.
Aufwendige Repeater
Seinen Ursprung hat die neue Zugfenster-Technologie in den Siemens-Labors in Wien. Hochfrequenztechniker Lukas W. Mayer und seine Kollegen haben sich seit 2011 mit der Frage beschäftigt, wie die Konnektivität in Zügen verbessert werden kann. Um das Bedürfnis von Reisenden, ihr Mobiltelefon im Zug verwenden zu können, zu erfüllen, kam bisher einzig die Ausstattung von Waggons mit Repeatern in Frage. Diese agieren als Signalverstärker, sind aber für den Zugbetreiber mit einigem Aufwand verbunden. Sie verbrauchen zusätzlichen Strom, erzeugen zusätzliche Wärme, müssen repariert und gewartet werden. Beim Öffnen der Türen müssen sie temporär abgeschaltet werden, um Rückkopplungen zu vermeiden. Bei Fortschritten in der Mobilfunktechnologie muss die Hardware möglicherweise komplett ausgetauscht werden.
Modifizierte Fenster
"Wir haben uns überlegt, wie können wir das anders machen", meint Mayer im Gespräch mit der futurezone. "Es war schnell klar, dass der Mobilfunkempfang nur besser werden kann, wenn wir etwas an den Scheiben verändern." Die Siemens-Entwickler griffen die bereits vorhandene Theorie auf, wonach bestimmte Muster in metallischen Oberflächen eine bessere Durchlässigkeit von Funkwellen erreichen können. Vor zweieinhalb Jahren habe man begonnen, das Mobilfunkverhalten von bestimmten Mustern in der Metallbeschichtung der Zugfensterscheiben zu simulieren. Immer wieder wurden Messungen durchgeführt, um Ergebnisse zu bestätigen und das Simulationsmodell so zu verbessern.
Patentierte Muster
Mit einem ausgereiften Simulationsmodell begann das Team, verschiedene Muster auszuprobieren. Die Ziele dabei: Die Fensterscheiben sollten für alle Frequenzen zwischen 500 Megahertz und 3,5 Gigahertz möglichst stark durchlässig sein. In den kommenden 30 Jahren sollte der Mobilfunk trotz neuen Technologien (etwa 5G) kaum diesen Frequenzbereich verlassen. Außerdem sollte durch das Muster möglichst wenig Beschichtungsmaterial verloren gehen, um die wärmeisolierenden Eigenschaften der Fensterscheiben nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. Schlussendlich wurden eine Reihe von Mustern gefunden, die diese Voraussetzungen erfüllten. Siemens ließ diese patentieren.
Schräge Bienenwaben
Das Endresultat sieht nun aus, wie eine Ansammlung von sechseckigen Bienenwaben mit unterschiedlichen Kantenlängen. Dieses Muster wird mit Laser in die Metallbeschichtung auf den Zugfensterscheiben gebrannt. Die gemusterte Metallbeschichtung ist erkennbar, wenn man das Zugfensterglas aus bestimmten Blickwinkeln betrachtet. Bei der Wahl des Musters spielen auch ästhetische Kriterien eine Rolle. Auffällig ist es jedenfalls nicht. Bei einem Versuch , der von der Universität für Bodenkultur im Auftrag von Siemens durchgeführt wurde, erkannte keine der Testpersonen eine Änderung an den Fensterscheiben.
Einsatz in Deutschland
Ertasten kann man das Muster nicht. Die Metallbeschichtung überzieht die Innenseite der äußeren Scheibe des doppelt verglasten Fensters. Das Einbrennen des Musters in die Beschichtung übernimmt nicht Siemens, sondern der jeweilige Fensterglashersteller. In Deutschland sollen die ersten Züge mit den neuartigen Fensterscheiben ab Ende 2018 im Einsatz sein. Passagiere des Rhein-Ruhr-Express (RRX) sollten dann wesentlich besseren Mobilfunkempfang feststellen können. Aus Österreich gibt es noch keine Bestellungen.
Kosten
Gefragt nach den Kosten für die neue mobilfunkfreundliche Zugfensterscheibe, bringen die Siemens-Entwickler einen Vergleich. Der Anschaffungspreis für einen Zugwaggon mit normalen Scheiben und Mobilfunk-Repeater sowie der Preis für einen Zugwaggon mit den neuen Scheiben seien ungefähr gleich. Während bei der ersten Lösung einige Folgekosten entstehen, sind die hochfrequenzdurchlässigen Scheiben wartungsfrei.
Varianten
Das Prinzip, wärmeisolierende Scheiben mit funkdurchlässigen Mustern zu verbinden, könnte abgesehen von Zügen in Zukunft auch in anderen Bereichen zur Anwendung kommen. Vorstellbar sei etwa eine entsprechende Verglasung von Gebäuden. Auch in Autos könnten solche Scheiben zum Einsatz kommen, allerdings nur an doppelt verglasten Stellen, wie der Windschutzscheibe. Die metallische Isolierungsschicht muss vor Berührung geschützt sein. Derzeit hat Siemens jedoch keine Pläne, seine Zugfenster auch in andere Anwendungsszenarien einzuführen.
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