© FH Joanneum

Verkehrstechnik

Barrierefreie Navigation durch den Stadtverkehr

Ein österreichisches Projekt soll Menschen mit speziellen Bedürfnissen künftig das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wesentlich erleichtern.  Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Verkehrsnetzbetreiber wollen unter dem Titel "Ways4all" ein Smartphone-basiertes Navigationssystem entwickeln, das etwa sehbehinderte Menschen sicher und einfach durch die Stadt leitet. Ab Oktober soll das Projekt am neuen Wiener Hauptbahnhof getestet werden.

Von der Routenplanung bis zum Ziel

Ways4all besteht aus vier Projekten, die zusammen eine Komplettlösung ergeben sollen. Begonnen wird bei der Erstellung einer eigenen Benutzeroberfläche auf Android-Smartphones. Diese nutzt die integrierte Vorlese-Funktion, um durch ein spezielle gestaltetes, listenbasiertes Menü zu navigieren. Hier gibt der Anwender etwa ein Ausflugsziel ein, wofür es mehrere Möglichkeiten gibt, die erst getestet werden müssen. Möglich ist etwa Gestensteuerung, Schrifterkennung oder eine vereinfachte Touch-Tastatur mit mehrfacher Zahlen- und Buchstabenbelegung.

Ist die Route einmal ausgewählt, begibt sich der Anwender auf die Straße, wo er per GPS und Turn-by-Turn-Ansage etwa zu einer Bushaltestelle gelotst wird. Während er dort wartet, nimmt das Smartphone per WLAN automatisch Verbindung mit dem herannahenden Bus auf und signalisiert diesem, dass ein Fahrgast zusteigen will. Befinden sich Busse verschiedener Linien an der Haltestelle, wird man vom Smartphone zu demjenigen geleitet, der zur gewählten Route passt.

RFID-Sensoren im Leitsystem
Der Bus bringt den Anwender dann etwa zur U-Bahn-Station Hauptbahnhof. Dort wird er vom Smartphone bis zum taktilen Leitsystem geführt. In den Bodenrillen sind RFID-Chips eingelassen, die Verbindung mit einem RFID-Sensor am Schuh des Anwenders Kontakt aufnehmen. Die Sensoren sorgen zusammen mit Gebäudeplänen, die auf dem Ways4all-Server gespeichert sind, dafür, dass man auch in Innenräumen unabhängig von GPS seinen Weg findet.

Die RFID-Abdeckung - welche es ab Oktober am Wiener Hauptbahnhof tatsächlich geben wird - soll so dicht sein, dass man nie vom Weg abkommen kann. Sollte der Anwender mit dem betreffenden Ort vertraut sein, kann die Ways4all-App auch nur dazu benutzt werden, um einen momentanen exakten Standort ausfindig zu machen.

Community erweitert Open Street Map

Als Kartenmaterial kommt bei Ways4all Open Street Map zum Einsatz. Die Community-Mitglieder können während ihrer Streifzüge durch die Stadt zur Verbesserung der Karten beitragen und damit anderen Anwendern helfen, meint Projektleiter Werner Bischof. Ein sehbehinderter Ways4all-Nutzer kann seine zurückgelegte Route etwa aufnehmen, spezielle Attribute erfassen und hochladen. Mitarbeiter des Projektteams überprüfen die Daten auf ihre Richtigkeit, führen Nachbearbeitungen durch und spielen sie in die Datenbank ein. Die Route samt ihren Tricks und Tücken steht fortan allen Nutzern zur Verfügung.

Bei der Planung einer Route wird bei Ways4all auch auf aktuelle Änderungen, Hindernisse oder persönliche Fähigkeiten Rücksicht genommen. So werden etwa unterschiedliche Wege für mobile Personen oder Rollstuhlfahrer gewählt, bei Ausfall einer Rolltreppe wird der Lift angesteuert oder bei Sperren Umleitungen genommen.

Ways4all integriert auch eine bereits bestehende Hilfe für sehbehinderte Menschen: POPTIS. Bei dieser App, die Blindenverbände und BMVIT gemeinsam kreiert haben, werden alle Gehwege im Wiener U-Bahn-Netz beschrieben. Der POPTIS-Anwender kann sich unterwegs die als mp3 gespeicherte Wegbeschreibung ansagen lassen.

Vorführungen beim ITS Weltkongress
Im Rahmen des ITS Weltkongresses von 22. bis 26. Oktober in Wien wird Ways4all der Öffentlichkeit vorgestellt. Behörden, Verbände und andere Interessierte erhalten spezielle Führungen von der Messe bis zum Wiener Hauptbahnhof, bei denen das System in der Praxis gezeigt wird.

Das Ways4all-Projekt wurde 2008 gestartet. Die Leitung hat die FH Joanneum, weitere Projektpartner sind die TU Graz, Salzburg Research, digital concepts, BAUM Audiodata, Hilfsgemeinschaft, die Österreichische Blindenwohlfahrt, der Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverband, die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, SPI Intelligence Services und Transelektronik. Gefördert wird Ways4all vom BMVIT, den ÖBB und den Wiener Linien.

Die beiden letztgenannten Verkehrsdienstleister haben starke Ambitionen, das System dauerhaft zu integrieren, zunächst muss es sich jedoch erst einmal in der Praxis bewähren.

Mehr zum Thema

  • Linux steigt ins In-Car-Geschäft ein
  • Größter Test zu intelligentem Verkehr gestartet
  • ÖBB wollen Pendlern Elektrofahrzeuge anbieten

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen
David Kotrba

Kommentare