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Science

Corona-Impfstoff: Hefe statt Hai

Die Entwicklung von Corona-Impfstoffen könnte eine dramatische Auswirkung auf Haie haben. Denn viele Vakzine enthalten Wirkstoffverstärker – sogenannte Adjuvanzien – die auf dem natürlichen Öl „Squalen“ basieren. Es unterstützt die Wirkstoffaufnahme von Impfstoffen und stärkt die Immunantwort des Körpers. 

Sowohl Menschen als auch Pflanzen produzieren dieses Öl, allerdings nur in kleiner Menge. In der Hai-Leber ist es hingegen reichlich vorhanden, wofür die Tiere in großer Zahl getötet werden. Für den ohnehin schon dezimierten Haibestand könnte die Pandemie daher fatale Folgen haben.

Kaum Alternativen

Laut der Tierschutzorganisation Shark Allies müssen für  eine Tonne Squalen rund 3.000 Haie getötet werden. Die NGO fordert daher eine pflanzenbasierte Alternative. Sie befürchtet, dass für die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs bis zu einer halben Million Haie getötet werden. Einen genauen Zeitrahmen nennt die Organisation  nicht. 

Ob diese Prognose der Realität  entspricht, ist unklar. Grundsätzlich basieren weniger als 3 Prozent der Impfstoffkandidaten gegen COVID-19, die sich in der präklinischen und klinischen Phase befinden, auf Squalen. Fest steht aber, dass es kaum nachhaltige und ergiebige Alternativen aus nicht-tierischen Quellen gibt.

Aufwändiger Prozess

„Eine technische Lösung zu entwickeln, mit der man eine große Ausbeute des reinen Produkts aus alternativen Quellen erzielen kann, war bislang schwierig“, sagt Harald Pichler, Forscher am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und am Institut für Molekulare Biotechnologie der TU  Graz.

Zwar ist eine Extraktion aus Pflanzen wie Olivenbäumen möglich, jedoch auch um etwa 30 Prozent teurer und langwieriger, wie Shark Allies berechnet. Während der Prozess zur Squalen-Gewinnung aus Haien nur 10 Stunden dauere, verlange jener aus Olivenbäumen etwa 7 Mal mehr Zeit. Zudem ist die Gewinnung aus Pflanzen von Ernte, geografischer Lage und Saison abhängig. 

Hefe als Alternative

Neue Hoffnung bietet aufgrund ihres schnellen Wachstums und ihrer Anpassungsfähigkeit Hefe, wie Pichler und sein Team erkannt haben. Denn der einzellige Pilz erzeugt Squalen in ähnlicher Weise wie Menschen und Pflanzen. „Den Hefen wird viel Kohlenstoff gegeben und der Sauerstoff limitiert“, so der Forscher. Der Kohlenstoff wird in Form von Zucker zugesetzt und sorgt durch einen Überschuss dafür, dass die Zellen Squalen anreichern können.

„Es ist mit unserer Ernährung vergleichbar: Sind die Nährstoffe ausgewogen, wachsen alle Organismen gesund bis zu einer bestimmten Größe an und teilen sich dann. Bei einem Überschuss an Zucker reichert sich sozusagen Fett an“, erklärt der Wissenschafter im futurezone-Interview. 

Neben dem wertvollen Öl werden dann auch andere Lipide (fettähnliche Substanzen) angereichert, die schließlich noch voneinander getrennt werden müssen, um das reine Squalen in hoher Qualität zu gewinnen.

Industrielle Herstellung

Die Hefezellen werden derzeit noch in kleinem Maßstab in Schüttelkolben im Labor präpariert. Die Stämme sollen nun so optimiert werden, dass sie künftig auch in der industriellen Produktion einsetzbar sind. Das erlaubt die Herstellung von Squalen im gleichen Prozess in Bioreaktoren, die laut Pichler 50 und mehr Kubikmeter fassen können.

„Unser Hauptziel ist, in Richtung Kommerzialisierung zu gehen, aber so weit sind wir noch nicht“, sagt der Forscher. Dafür muss acib noch Partner gewinnen.

Pharma interessiert

Bis es so weit ist, könnte es noch dauern: „Man muss wohl eher von Jahren als von Monaten sprechen“, sagt Pichler: „Die Methode könnte aber, wenn wir gleich starten, einen wichtigen Beitrag leisten.“ Denn auch Pharmaunternehmen sind um eine nachhaltige Extraktion bemüht.

Die Pharmafirma GlaxoSmithKline (GSK) betonte zuletzt zwar, dass es für seinen Wirkverstärker AS03 deutlich weniger Squalen beschaffen müsse, als Shark Allies behauptet. Gleichzeitig gab GSK auch zu, auf der Suche nach nicht-tierischen Quellen des wertvollen Öls zu sein.

Kosmetikprodukte

Auch Sektoren außerhalb der Pharmaindustrie könnten von der Hefe-Methode profitieren. Laut der Tierschutzorganisation würden Haie nämlich nicht primär für die Pharma-, sondern zu 90 Prozent für die Kosmetikindustrie abgeschlachtet. „Es ist denkbar, dass Squalen aus Hefe auch in der Kosmetikindustrie Anwendung findet. Es ist ein biologisches Produkt aus Mikroorganismen und kein synthetisch-chemisches. Dafür sind aber eigene Testserien notwendig, um eine sichere Anwendbarkeit sicherzustellen. Für jeden Sektor gibt es eigene Kriterien“, sagt Pichler.

Impfstoffverstärker aus Zuckerrohr

Ebenfalls einen Beitrag im Kampf gegen Corona leisten möchte das US-Biotechnologieunternehmen Amyris. Es ersetzt Squalen nicht durch Hefe, sondern durch Zuckerrohr. Das Unternehmen, das gemeinsam mit der Bill and Melinda Gates Stiftung bereits eine alternative Arznei gegen Malaria entwickelte, stellt derzeit mit dem Infectious Disease Research Institute (IDRI) Adjuvanzien her, also Impfstoff-Verstärker, die auf dem natürlichen Öl Squalen basieren.

Denn: „Ohne Adjuvanzien sind Impfungen nicht maximal effektiv und die Knappheit an Hai-basierten Adjuvanzien könnte sich in Zukunft als verheerend erweisen“, sagt Corey Casper, Geschäftsführer von IDRI. Die Substanz kommt daher nicht von Haien, sondern wird aus Zuckerrohr extrahiert. Die Funktionalität sei im Vergleich zu jener aus tierischen Quellen aber identisch, ist Casper überzeugt.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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