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T-Zellen-Impfung gegen Corona: Deshalb sind Experten skeptisch

Die in Kraft getretene Impfpflicht ist umstritten. Als Argument dagegen wird häufig vorgebracht, dass diese für die Delta-Variante konzipiert wurde und bei der aktuellen Omikron-Welle keinen Sinn mehr mache.

Unumstritten ist aber, dass Impfen immer noch der beste Schutz gegen eine schwere Corona-Erkrankung ist.  Besorgniserregend sind jedoch die weiter auftretenden Mutationen, die eine Immunantwort auch nach der Impfung erschweren können. Man dürfe nicht davon ausgehen, dass alle nächsten Mutationen „harmloser“ sein werden, ähnlich wie bei Delta zu Omikron, warnen Wissenschaftler*innen. Die nächste Variante könnte sich bereits wieder als gefährlicher erweisen, indem sie schwere Verläufe begünstigt.

Geheimwaffe T-Zellen

Forscher*innen des Eli and Edythe Broad Center of Regenerative Medicine and Stem Cell Research an der UCLA könnten eine Lösung gefunden haben. Sie haben T-Zellen identifiziert, die ein Protein angreifen können, welches in SARS-CoV2-2 und einer Reihe anderer Coronaviren vorkommt, einschließlich der Krankheitserreger von SARS, MERS und Erkältungen.

Die Studie deutet darauf hin, dass die virale RNA-Polymerase, bzw. eine Komponente dieses Proteins, zu COVID-19-Impfstoffen hinzugefügt werden könnte, um einen länger anhaltenden Impf-Schutz zu erhalten und diesen sogar gegen neue Varianten zu erhöhen.

„Sie würde dieselbe mRNA-Technologie wie die bestehenden Impfstoffe verwenden, sich aber hinsichtlich des Antigens, für das es kodiert, unterscheiden“, erklärt Pavlo Nesterenko, Erstautor der Studie, in einer E-Mail gegenüber futurezone.

Keine Allgemeinlösung

Wenn einer T-Zelle ein Antigen bzw. fremde Proteinfragmente präsentiert werden, die ihre Rezeptoren erkennen, vermehrt sie sich selbst und produziert weitere Immunzellen, von denen einige infizierte Zellen sofort angreifen und abtöten. Andere verbleiben jahrzehntelang im Körper, um dieselbe Infektion zu bekämpfen, sollte sie jemals zurückkehren.

Um festzustellen, ob das menschliche Immunsystem T-Zell-Rezeptoren besitzt, die die virale Polymerase erkennen können, setzten die Forscher*innen Blutproben von gesunden menschlichen Spendern (die vor der COVID-19-Pandemie entnommen wurden) dem viralen Polymerase-Antigen aus. Diese grundlegenden Tests haben gezeigt, dass solche T-Zellen tatsächlich nachweisbar sind.

Nach genetischer Sequenzierung veränderten die Forscher*innen T-Zellen anderer Spezifität dergestalt, dass diese auf die Polymerase gerichteten Rezeptoren trugen. Das ermöglichte es ihnen, die Fähigkeit der Rezeptoren zur Erkennung und Abtötung von SARS-CoV-2 und anderen Coronaviren im Detail zu untersuchen. Nun werden weitere Studien durchgeführt, um die virale Polymerase als mögliche neue Impfstoffkomponente zu testen.

Laut Winfried Pickl, Immunologe der MedUni Wien, wäre eine solche Impfung nicht unbedingt eine Lösung für die Allgemeinheit. Die Studie befasst sich nämlich mit bestimmten Proteinfragmenten, die den T-Zellen jedoch nicht immer präsentiert werden. „Das hängt sehr stark vom genetischen Hintergrund einer Person ab.“

Je nach genetischer „Komposition“ eines Menschen werden unterschiedliche organische Verbindungen von den Antigen-präsentierenden Zellen dargeboten und somit von den T-Zellen mithilfe ihrer Rezeptoren wahrgenommen. Daher kann auch nicht bei jedem von einer entsprechend gleichen Immunreaktion ausgegangen werden, wenn man mit T-Zell-Antigenen impft.

Mutationsunabhängiger Schutz

Die in Österreich zugelassenen und bis dato verabreichten Corona-Impfstoffe verwenden die genetische Information des Spike-Proteins, das sich auf der Oberfläche des Virus befindet, um das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern und T-Zell-Antworten anzuregen. Neuere Varianten tragen jedoch Mutationen des Spike-Proteins, wodurch sie von den Immunzellen und den durch die Impfung angeregten Antikörpern schlechter erkannt werden können.

Die neue Studie fokussiert sich auf ein anderes Antigen, welche T-Zell-Reaktionen auslösen würde, „die völlig anders sind“. „Der Hauptvorteil“ bestehe darin, dass die Reaktionen gegen dieses Fragment eines anderen Virusproteins gerichtet wären, die stärker konserviert und somit weniger anfällig für Mutationen sind als das Spike-Protein. „Somit könnte eine größere Anzahl an Varianten und potenziell verschiedenen Coronaviren erkannt werden,“ sagt Nesterenko. Die Polymerase mutiere zwar auch, aber viel langsamer.

Virale Polymerasen dienen als Motor, mit dem Coronaviren Kopien von sich selbst herstellen und so die Ausbreitung der Infektion ermöglichen. Da sie in verschiedenen Corona-Viren vorkommen, stellt sich die Frage, ob sie als Impfkomponente auch vor anderen Krankheiten schützen. „Das ist die Hoffnung“, laut Nesterenko. „Die Polymerasen der verschiedenen Coronaviren unterscheiden sich zwar in ihrer Sequenz, sind sich aber ähnlicher als jedes andere Virus-Protein. Wenn es also ein gemeinsames Ziel für alle Coronaviren gibt, die bereits bekannt sind, und auch für die, die in Zukunft auftauchen könnten, dann wäre es die Polymerase.“

Unterschiedlicher Ansatz

Spike-Protein-Impfungen ermöglichen keine Reaktion gegen andere Virusproteine. „Bei herkömmlichen Impfstoffen geht man davon aus, dass sie über eine Antikörperimmunität funktionieren. Das ist das Dogma!“, so Nesterenko. Es mache auch viel Sinn, da der neutralisierende Antikörper das Spike-Protein bindet und das Virus daran hindern kann, in eine Wirtszelle einzudringen.

Eine T-Zell-Reaktion funktioniere hingegen durch die Abtötung einer bereits infizierten Zelle. „Vielleicht hat man gezögert, in einen weniger gut verstandenen Ansatz zu investieren. Da das Spike-Protein immer mehr divergiert, denke ich, dass das Interesse an T-Zell-Impfstoffen gegen Covid zunehmen wird,“ so Nesterenko.

Austria Center, Impfzentrum

Impfstraße im Wiener Austria Center

„Ich habe da meine Zweifel. Die Induktion von T-Zell-Antworten und das Aufrechtbleiben derselben scheint nicht unser Hauptproblem zu sein,“ sagt Pickl. Problematisch sei, dass die Menge an spezifischem Immunglobulin (IgG-Antikörper) nach den Impfungen zum Teil sehr stark abgesunken ist. „Wir haben parallel untersucht, ob die T-Zell-Antwort ebenfalls stark absinkt. Sie war jedoch nach 10 Monaten noch immer erstaunlich stark.“

Die Antikörper sind aber stark abgesunken. Sie verwehren dem Virus den Eintritt in den Körper. „Auch wenn Sie 'nur' gegen das Spike-Protein geimpft wurden, haben Sie, speziell nach der Boosterung, auch spezifische-IgG-Antikörper in den Schleimhäuten, wo die Viren dann im Idealfall neutralisiert werden können“, erklärt Pickl. Ein Impfstoff, der ausschließlich T-Zellen aktiviere, würde hingegen nicht vor einer Infektion schützen.

Auch die Tatsache, dass die virale Polymerase anderer Corona-Viren bzw. Fragmente davon auf der Zelloberfläche von infizierten Zellen den T-Lymphozyten präsentiert werden, bedeutet nicht automatisch ein Schutz vor einer SARS-CoV-2 Infektion. „Das entspricht nicht der Beobachtung in der Bevölkerung. Wenn das so wäre, dann wären Kleinkinder oder Schulkinder viel schlechter gegen die Viren geschützt als Erwachsene oder ältere Menschen. Sie müssten ja noch die ganzen banalen Virus-Infektionen, einschließlich jener mit Corona-Schnupfviren durchmachen.“

Die bisherigen Corona-Daten zeigen aber, dass ältere Personen anfälliger sind und die Jüngeren „relativ gut über die Runden kommen“. Außerdem gebe es wissenschaftliche Publikationen, wonach Menschen, die mit anderen Coronaviren vorerkrankt waren, einen Nachteil haben, was die SARS-CoV-2 Abwehr betrifft.

Ungewünschte T-Zell-Reaktionen

„Außerdem sind wir uns nicht so sicher, welche T-Zell-Antworten wirklich hilfreich sind oder ob, es auch schädliche gibt“, fügt Pickl hinzu. „Es gibt schon Evidenzen dafür, dass zum Teil eine überschießende T-Zell-Antwort problematisch ist.“

Pickl könnte sich jedoch vorstellen, dass man die beiden Konzepte kombiniert, also die gezielte Antikörper-Induktion mit der Stimulation spezifischer T-Lymphozyten paart. „Dann würde sozusagen der eine Proteinabschnitt dem anderen bei der Ingangsetzung der Immunabwehr helfen. Es stellt sich aber die Frage, ob die Polymerase der beste Kandidat dafür wäre.“

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Armin Nadjafkhani

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Redakteur bei der futurezone seit Oktober 2021 Interessiere mich für Wissenschaft, Technologie und Medien, aber auch für Hiphop und Filmwerke.

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