Künstlerische Darstellung von Proxima b
© Wikimedia, CC-BY 4.0 ESO/M. Kornmesser

Proxima b

"Die Menschheit kann sich auf einiges gefasst machen"

Erst vor kurzem wurde entdeckt, dass Proxima Centauri, der unserer Sonne am nächsten liegende Stern, einen Planeten hat (die futurezone berichtete). Es handelt sich bei Proxima b mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Gesteinsplaneten, der etwas schwerer als die Erde sein soll und der sogar in der habitablen Zone des roten Zwergsterns liegt. Dass dort unter Umständen Leben möglich wäre, macht den Exoplaneten zu einem interessanten Forschungsobjekt. Die futurezone hat Ruslan Belikov und Eduardo Bendek, beide Experten bei der NASA Forschungsabteilung "Space Science and Astrobiology at Ames", gefragt, wie es auf Proxima b aussieht, wie man dort Leben aufspüren könnte und ob wir je ein detailliertes Bild von der Oberfläche zu sehen bekommen werden. Die Antworten kommen von Ruslan Belikov, Eduardo Bendek hat fachlichen Input beigesteuert.

futurezone: Was wissen wir derzeit genau über Proxima b?
Ruslan Belikov: Wir kennen die Mindestmasse von 1,3 Erdmassen, die wahrscheinlichste Masse, die etwas darüber liegt und die Umlaufbahn, was auch eine Schätzung der Temperatur erlaubt. Was die gebundene Rotation angeht, sind die Szenarien in abnehmender Wahrscheinlichkeit wie folgt: Eine 1:1 Rotationsbindung, bei der dem Stern immer dieselbe Planetenseite zugewandt ist. Eine andere Kopplung, wie beispielsweise bei Merkur. Oder gar keine Rotationsbindung. Wir wissen auch, dass Proxima b bei erdähnlicher Atmosphäre nicht blau, sondern grau mit grünem Schimmer erscheinen würde. Das liegt aber bereits im Bereich der Spekulation. Das ist lustig aber nicht wissenschaftlich.

Ruslan Belikov
Ist es möglich, dass es mehr als einen Planeten im Proxima-Centauri-System gibt?
Natürlich, ich würde sogar sagen, dass es wahrscheinlich ist.

Wie wahrscheinlich ist es, dass auch Alpha Centauri A und B über Planeten verfügen?
Darauf gibt es noch keine wissenschaftlich gesicherte Antwort. Die durchschnittliche Zahl bewohnbarer Planeten pro sonnenähnlichem Stern liegt laut wissenschaftlichen Schätzungen zwischen 0,1 und eins. Unser Sonnensystem hat ein bis drei, je nachdem, wie wir “potenziell bewohnbar” definieren. Wenn wir von 0,5 bewohnbaren Planeten ausgehen, dann würden wir für das Alpha-Centauri-A-B-System einen erwarten, zumindest wenn wir die beiden Sterne als unabhängig betrachten. Ob das legitim ist, wird derzeit noch diskutiert. Aus Simulationen wissen wir, dass die beiden habitablen Zonen um A und B stabile Orbits erlauben. Wir haben auch schon Planeten um ähnliche Doppelsternsysteme gefunden. Allerdings gibt es einen aktuellen Fachartikel, der nahelegt, dass Doppelsterne mit geringerer Wahrscheinlichkeit Planeten ausbilden. Wenn sich aber ein Planetensystem bildet, ist die zu erwartende Zahl an bewohnbaren Planeten gleich hoch wie in einem Ein-Stern-System, wenn die Orbits stabil sind.

Was werden die nächsten Schritte sein, um mehr über Proxima B herauszufinden?
Wir sollten als nächstes prüfen, ob wir von der Erde aus einen Transit sehen können. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt aber nur bei 1,5 Prozent. Falls das geht, hätten wir zwei Dinge erreicht: Erstens könnten wir die Größe des Planeten bestimmen und die “Sinus i”-Unsicherheit (die für Beobachter, die nicht auf der Planetenebene liegen, vorliegt) aus unserer Massebestimmung streichen. Dann wären 1,3 Erdmassen die tatsächliche Masse und wir könnten auch die Dichte errechnen und zweifelsfrei nachweisen, dass es ein Felsplanet ist. Für die Zusammensetzung ergäben sich so erste Einschränkungen. Zweitens würde es die Möglichkeit eröffnen, das Spektrum der Atmosphäre mit dem JWST (James Webb Space Telescope, geplanter Start 2018) zu analysieren. Das wäre ein riesiger Schritt, weil es uns erlauben würde, nach Biomarkern wie Sauerstoff oder Methan in der Atmosphäre zu suchen.

Und wenn kein Transit beobachtet werden kann?
Unabhängig davon, ob wir einen Transit sehen können, wäre ein nächster wichtiger Schritt, ein direktes Bild von Proxima zu machen. Dazu bräuchten wir aber ein Teleskop mit mindestens 5-Meter-Spiegel und aggressivem Sternenlicht-Unterdrückungsmechanismus (Koronograf) im Weltraum, so wie bei den geplanten Projekten HabEX oder LUVOIR. Ein Dreißig-Meter-Teleskop auf der Erde ginge auch, es müsste allerdings auf der Südhalbkugel stehen. HabEX un LUVOIR werden frühestens in den 2030ern starten. 30-Meter-Bodenteleskope werden wir vor Mitte der 2020er nicht zur Verfügung haben. Die WFIRST-Mission startet Mitte der 2020er, ist aber zu klein, um Proxima b mit ihrem Koronograf aufzulösen. Es würde einen Starshade benötigen, um das zu schaffen. Allerdings müsste dieser Starshade größer, weiter weg und teurer sein, als alles, was für WFIRST diskutiert wird. Es sieht also so aus: Mit heutigen Methoden und Techniken liegt Proxima b wohl außer Reichweite für alles außer der Radialgeschwindigkeitsmethode (mit der der Planet entdeckt wurde) - es sei denn, wir können den Transit beobachten. Es ist aber natürlich immer möglich, dass jemand noch in diesem Jahrzehnt einen wirklich cleveren Trick findet, der es erlaubt, das Spektrum zu analysieren oder eine andere interessante Messung zu machen. Ich würde die Wahrscheinlichkeit dafür mit 50 zu 50 angeben.

Eduardo Bendek
Ist Proxima b unser aussichtsreichster Kandidat für den Nachweis von extrasolarem Leben?
Ich tendiere zu nein, weil ich denke, dass es geringfügig wahrscheinlicher ist, dass wir Leben finden, wenn wir eine orchestrierte Suche nach Planeten um Proxima A und B mitdem geplanten ACESatstarten und dann mit größeren Teleskopen auf den gefundenen Kandidaten nach Leben suchen. Die Gründe sind folgende: Proxima b ist vielleicht weder selten noch speziell, abgesehen davon dass es der naheliegendste potenziell habitable Planet ist. Es wäre viel einfacher, Leben auf Planeten mit sonnenähnlichen Sternen zu finden als um rote Zwerge wie Proxima Centauri. Das liegt daran, dass potenziell habitable Planeten wie Proxima b hier so nah an ihren Sternen liegen müssen, dass es ein enorm leistungsfähiges Teleskop braucht, um sie auflösen zu können. Man kann auch argumentieren, dass Leben auf Planeten mit sonnenähnlichen Sternen viel häufiger ist. Leben auf Proxima b ist verglichen mit Planeten um sonnenähnliche Sterne mit einigen zusätzlichen Herausforderungen verbunden, etwa Rotationsbindung und hohe Strahlung. Es gibt zwei Dinge, die meine Argumente entkräften könnten: Wenn Proxima b uns eine Transitbeobachtung erlaubt, dann wird er plötzlich unsere beste Möglichkeit, extrasolares Leben zu finden. Wenn ACESat nicht gestartet wird, keine potenziell habitablen Planeten findet, oder eine Nachfolgemission nicht vor den 2030ern beginnt, dann ist Proxima b auch unsere beste Option, nämlich durch erdbasierte Teleskope in den 2020ern.

Erwarten Sie, dass sie zu ihren Lebzeiten noch erfahren werden, ob es Leben auf Proxima b gibt?
Wir werden das nie mit Sicherheit sagen können, außer wir fliegen hin. Bis dahin können wir nur mit Begriffen wie “50 Prozent Sicherheit” oder “99 Prozent Sicherheit” operieren. Ich bin sicher, dass wir zu meiner Lebzeit mit 90-prozentiger Sicherheit sagen können, ob es eine erdähnliche Biosphäre auf dem Planeten gibt - oder präziser, eine Biosphäre, die einen so starken Effekt auf ihre Atmosphäre hat wie auf der Erde. Das könnten wir schaffen, indem wir eine Kombination von Gasen in der Atmosphäre suchen, die ohne biologischen Einfluss schwierig zu erklären wäre. Wenn das Spektrum beispielsweise wie auf der Erde aussehen würde, wäre die Kombination aus Sauerstoff, Wasserdampf und Methan in diesen Verhältnissen ohne Leben schwer zu erklären. Aber selbst dann wäre ein abwegiger, nicht-biologischer Prozesses nicht komplett auszuschließen, weshalb wir nicht sicher sein können, ohne eine Probe vor Ort zu nehmen. Und wenn wir keine Hinweise auf Leben im Spektrum finden könnten, könnte immer noch eine unauffälligere Biosphäre als unsere existieren. Die Suche nach Leben wird ein zutiefst faszinierender Prozess und die Menschheit kann sich auf einiges gefasst machen.

Wie könnte Leben gefunden werden?
Die Schlüsselelemente sind a) bestätigen, dass Proxima b ein Gesteinsplanet ist, indem wir seine Größe messen und b) ein Spektrum des Planeten analysieren. Zweiteres ist hier wahrscheinlich der wichtigere Faktor. Wenn wir sich nicht im Gleichgewicht befindliche Gaskombinationen wie etwa Sauerstoff und Methan finden, müssten wir uns zwischen zwei Erklärungen entscheiden: 1. es gibt Leben oder 2. eine eher abwegige und konstruierte nicht-biologische Erklärung. Ich erwarte endlose Debatten darüber, ob 1. wahrscheinlicher als 2. ist. Es gibt eine interessante Möglichkeit, die helfen könnte, das zu klären: Wenn wir viele Planeten mit erdähnlichen Atmsphären oder Biomarkern finden, die um andere Sterne kreisen, wäre eine abwegige nicht-biologische Erklärung zunehmend unwahrscheinlich, da sie per Definition selten sein muss. Leben hingegen kann selten oder sehr häufig sein.

Was halten Sie von Breakthrough Starshot? Ist das machbar?
Machbar? Sicher. Wahrscheinlich? Das bleibt abzuwarten. Herausfordernd? Sehr. Das ist eines dieser Projekte, die sehr unwahrscheinlich sind, aber den Aufwand auf jeden Fall lohnen. Wenn wir solche Dinge nicht probieren, werden wir das Problem interstellarer Reisen nie lösen können.

Proxima b liegt in der habitablen Zone. Welche anderen Kriterien müssten für Leben erfüllt sein und wie wahrscheinlich ist das?
Diese Frage lässt sich nur schwer wissenschaftlich beantworten. Das einzige, das wir mit ziemlicher Sicherheit sagen können, ist, dass es drei unabdingbare Voraussetzungen für erdähnliches Leben gibt, die wir messen können: a) Der Planet muss in der habitablen Zone liegen b) es muss ein Gesteinsplanet sein und c) der Planet muss eine Atmosphäre haben, in der flüssiges Wasser auf der Oberfläche möglich ist. Für Proxima b ist die Antwort für a) ja, für b) sehr wahrscheinlich und für c) liegen noch keine Daten vor. Ich denke, es gibt auf der Erde Lebensformen, die auf Proxima b überleben könnten, wenn diese Voraussetzungen erfüllt wären und es keine weiteren Anforderungen gäbe. Wenn sie nicht erfüllt sind, kann wahrscheinlich kein oder kaum ein Erdorganismus dort dauerhaft überleben. Das deckt außerirdisches Leben noch nicht ab. Außerhalb dieser Annahmen bewegen wir uns auf dem Gebiet umstrittener Meinungen, etwa dazu, ob Leben auf rotationsgebundenen Planeten existieren kann, unter hohen Strahlendosen und Masseauswürfen des Sterns. Braucht Leben einen die Achse stabilisierenden Mond? Braucht Leben einen Jupiter im System, der es vor kosmischen Bombardements schützt? Die Liste ist endlos, aber ich hoffe, dass wir noch zu meinen Lebzeiten, wenn wir Leben auf anderen Planeten finden, Klarheit darüber bekommen werden, was die Voraussetzungen für Leben sind.

Werden wir je ein Bild von Proxima b haben, das gut genug ist, um zu sehen, wie es auf der Oberfläche aussieht?
Natürlich. Es gibt mehrere Konzepte, so etwas anzugehen, etwa sehr große Interferometerbatterien im All oder das Nutzen der Sonne als Gravitationslinse. Aber das erwarte ich nicht mehr zu meinen Lebzeiten. Wir könnten aber immerhin messen, um wieviel die sonnenzugewandte Seite heller als die abgewandte ist, wenn eine Rotationsbindung vorliegt. So ließe sich eine sehr niedrigauflösende Karte der Oberfläche rekonstruieren, die mehr oder weniger aber nur einen hellen Fleck für eine Seite und einen dunklen für die andere Zeigen würde. Das sollte eine gute Näherung für das Ergebnis sein, wenn man den Planeten gerade noch so auflösen könnte.

Was könnten wir mit ACESat über den Planeten lernen?
So wie ACESat in unserem jüngsten Vorschlag von 2014 geplant war, ist keine Arbeit an Proxima b vorgesehen. Wir arbeiten aber gerade an Modifizierungen, die es erlauben würden, einige Messungen an Proxima b durchzuführen. Ein direktes Bild wäre nicht möglich und noch ist es zu früh, um über Details zu sprechen. Wenn wir mit Doppler-Spektroskopie einen Planeten um Alpha Centauri A oder B finden könnten, was sehr schwierig ist, könnte ACESat folgendes leisten: 1. Unabhängige Bestätigung durch ein direktes Bild. 2. Die Neigung der Umlaufbahn messen. Das hieße, wir könnten die exakte Masse bestimmen, nicht nur die Minimalmasse, die wir jetzt von Proxma b kennen. 3. Eine grobe Schätzung der Größe, die dann eine Schätzung der Dichte erlaubt und die möglichen Bestandteile einschränkt - zum Beispiel wie viel Eisen im Verhältnis zu Silikaten und Wasser der Planet haben kann. 4. Eine Messung der Tageslänge - sofern die Oberfläche große helle und dunkle Gebiete aufweist, können wir eine Aufhellung und Abdunklung beobachten, während der Planet rotiert. 5. Eine Schätzung, wie viel Atmosphäre der Planet hat und einige Einschränkungen für mögliche Bestandteile. Beispielsweise können wir, wenn wir annehmen, dass es eine relativ wolkenfreie Atmosphäre gibt, die Dichte daran abschätzen, wie blau sie ist. 6. Einige Einschränkungen für die Eigenschaften der Atmosphäre. Beispielsweise könnten wir zwischen erdähnlich, marsähnlich oder venusähnlich unterscheiden

Was ist der derzeitige Status von ACESat?
Wir arbeiten hart daran, die Technik mit NASA-Finanzierung weiterzuentwickeln, unter Einbeziehung des Feedbacks, das wir vom Kontrollgremium bekommen haben. Wir hoffen, dass wir eine Mission wie ACESat innerhalb der nächsten fünf Jahre starten können.

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Markus Keßler

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