© Getty Images/Onfokus/iStockphoto/futurezone

Science

Drohnen gehen autonom auf Vermisstensuche

Etwa 30 Menschen werden in Österreich täglich als vermisst gemeldet. Im Jahr 2019 waren laut dem Bundeskriminalamt über 11.000 Personen abgängig. Um vermisste oder verunglückte Personen zu finden, kommen bei Rettungseinsätzen in der Regel Wärmebildkameras zur Anwendung, die vom Hubschrauber aus die Landschaft scannen. Sie messen die Infrarotenergie von Objekten – die Strahlung macht die Verteilung der Oberflächentemperatur dieses Objekts sichtbar. Es entsteht damit ein Bild, auf dem sich die Körperwärme von der Umgebungstemperatur abhebt.   

Die Technologie hat aber Grenzen – besonders in dicht bewaldeten Gebieten. Denn wird eine Person durch Bäume und Blätter verdeckt oder weisen die Pflanzen aufgrund der Sonneneinstrahlung eine ähnliche Temperatur wie die Person auf, wird die Suche schwieriger.

Einzelbilder kombiniert

Dank eines neuen Drohnensystems der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz, entwickelt vom Forschungsteam rund um Oliver Bimber vom Institut für Computergrafik, gibt es in diesen Fällen einen Lichtblick. Das System besteht aus einem kommerziellen Oktokopter und einer Wärmebildkamera. Der Clou dabei ist, dass mehrere Einzelbilder der Wärmebildkamera zu einem Integralbild kombiniert werden, das in Folge von einer künstlichen Intelligenz (KI) ausgewertet wird.

Laut Bimber basiert dieses System auf einem Messprinzip, das als „Synthetic Aperture Sensing“ bezeichnet wird und worauf etwa auch Radioteleskope stützen. „Die Messdaten, die man aufnimmt, werden besser, je größer die Radarschüssel ist. Wenn man bestimmte Grenzen überwinden will, verbindet man mehrere Sensoren oder Radioteleskope und kombiniert rechnerisch deren Messwerte“, erklärt der Forscher der futurezone. 

Damit komme man auf ein Messsignal, das jenem entspricht, das ein großer Sensor gemessen hätte. „Das machen wir auch mit Bildaufnahmen der Drohne. Wir fliegen über mehrere 100 Meter Waldgebiet und nehmen mit einer Linse von ein paar Millimetern Größe hunderte einzelne Bilder auf. Diese werden so aufgerechnet, als hätte die Linse  einen Durchmesser von mehreren Metern“,  sagt der Wissenschaftler.

Fokus auf Waldboden

Da die Tiefenschärfe bei dieser künstlich erzeugten riesigen Linse aber gering ist, muss sie auf eine bestimmte Ebene, die scharf sein soll, fokussiert werden – in dem Fall den Waldboden. In dieser Schnittebene werden Objekte somit scharf angezeigt – alles andere verschwindet optisch auf dem Integralbild. Die Verdeckung durch Bäume wird weggerechnet, im Fokus bleibt die Wärmesignatur auf dem Waldboden. „So können Personen ganz klar erkannt werden“, sagt Bimber. 

Während man bei der Standardmethode mit einzelnen Bildern normalerweise eine Erkennungsrate von unter 25 Prozent erreiche, schaffe man unter realistischen Bedingungen mit der Möglichkeit, Einzelbilder zu einem Integralbild zu kombinieren, eine Erkennungsrate von weit über 90 Prozent. 

Doch nicht nur dadurch könnten Suchzeiten in Zukunft enorm verkürzt werden: Um eine Person schnell und mit einer hohen Trefferquote zu finden, berechnet die Drohne autonom auch ihren optimalen Flugpfad.

Problem der Reichweite

Die Vermisstensuche ist aber nur eines von zahlreichen Anwendungsfeldern, die Bimber und sein Team untersucht haben. Generell könne das System überall dort zum Einsatz kommen, wo es Probleme mit einer Verdeckung gibt. Neben einem polizeilichen Einsatz zur Grenzkontrolle könne etwa auch die Feuerwehr das System nutzen, um Glutnester in Wäldern zu erkennen, die noch durch Bäume verdeckt werden. Auch im agrarwirtschaftlichen Bereich  oder für Wildbeobachtungen könne die Drohne zum Einsatz kommen.

Ein Problem hat der Prototyp aber noch: Die Reichweite. „Batteriebetriebene Drohnen fliegen nicht besonders lange“, sagt Bimber.  Daher arbeite er und sein Team an der Integration der Technologie in eine Drohne mit Verbrennungsmotor. Die schaffe mehrere Stunden Flugzeit und einige 100 Kilometer Reichweite. „Neben der JKU werden unter anderem der Drohnenhersteller Stromkind, der solche Großmodelle produziert und die ÖAMTC-Flugrettung als Anwendungspartner beteiligt sein, um die ersten Schritte in Richtung einer vollautonomen Rettungsdrohne ,Made in Austria’ zu gehen“, sagt der Forscher. 

Drohnenverordnung

Neben technischen Verbesserungen seien zudem luftrechtliche Angelegenheiten noch zu klären. Denn autonomes Fliegen sei laut dem Experten, wie auch autonomes Fahren bei Pkw, noch Neuland. So würde man zu  Beginn auf Sonderbewilligungen für Rettungseinsätze angewiesen sein. „Ich denke, dass das System in 2 bis 5 Jahren technisch  unter realistischen Bedingungen einsetzbar ist“, sagt Bimber. Wie weit die Gesetzeslage in Österreich oder der EU bis dahin sein wird, wird sich zeigen. 

Laut Bimber sei man  in anderen Ländern jedenfalls hier schon ein ganzes Stück weiter. „Eventuell werden die ersten realen Einsätze dann gegebenenfalls außerhalb  der EU geflogen, bis die Rechtslage bei uns dann auch geklärt ist“, sagt er.

Algorithmus erkennt abgängige Kinder

In Ländern wie Indien, Großbritannien oder den USA ist die Zahl vermisster Kinder enorm hoch. Laut dem International Centre for Missing and Exploited Children verschwinden in Indien beispielsweise 96.000 Kinder pro Jahr. Der Online-Datenbank TrackChild des indischen Familienministeriums Ministry of Women and Child Development zufolge sind alleine zwischen 2012 und 2014 um die 237.000 Kinder verschwunden. 

Um die Behörden in Neu Delhi bei der Suche nach den Kindern zu entlasten und sie schneller zu identifizieren, hat die Kinderschutzorganisation  Bachpan Bachao Andolan (BBA) vor nicht ganz 3 Jahren ein Pilotprojekt gestartet. In dessen Rahmen wurde eine Gesichtserkennungssoftware entwickelt und eingesetzt. Das Fazit: Innerhalb von nur 4 Tagen  ist es  mithilfe dieser Technologie und nach einer höchstrichterlichen Anordnung gelungen, fast 3.000 Kinder aufzuspüren und zu identifizieren. Genutzt wurden Fotos vermisster Kinder, die in der Online-Datenbank „TrackChild“ veröffentlicht sind. 

Kurz darauf hat die Regierung gemeinsam mit BBA und der Tech-Firma Capgemini auch eine App namens „ReUnite“ entwickelt, mit der Kinder ebenfalls per Gesichtserkennung gefunden werden können. Eltern können ihr vermisstes Kind per App melden. Bürger wiederum können die biometrischen Daten von Straßenkindern per Handy erfassen. Die App ist mit der Regierungsdatenbank verbunden.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

mehr lesen
Andreea Bensa-Cruz

Kommentare