Am österreichischen Forschungsinstitut CEST arbeiten Wissenschaftler an Geräten, die Gerüche erkennen und messen können. Als Vorbild für den künstlichen Geruchssinn gilt die menschliche Nase

Am österreichischen Forschungsinstitut CEST arbeiten Wissenschaftler an Geräten, die Gerüche erkennen und messen können. Als Vorbild für den künstlichen Geruchssinn gilt die menschliche Nase

© Rosa Egg / CEST / Bildmontage

Science

So können Handys künftig Krebs riechen

Sehen, hören, fühlen. Längst hat der Mensch es geschafft, einige seiner wichtigsten Sinne künstlich nachzubauen und elektronische Geräte damit auszustatten. So fungieren Smartphones mit ihren hochauflösenden Kameras und sensiblen Mikrofonen als unsere digitalen Augen und Ohren, während die berührungsempfindlichen Bildschirme auf den Druck unserer Finger reagieren.

Keine digitale Nase

Es gibt aber auch eine Ausnahme. Ungeachtet des enormen technologischen Fortschritts der vergangenen Jahrzehnte ist es Forschern noch nicht gelungen, unseren Geruchs- und Geschmackssinn annähernd zuverlässig nachzubilden. „Riechen ist weitaus komplexer als hören oder sehen. Denn es gibt ja nicht nur die eine Substanz, die wahrgenommen werden kann. Es gibt Millionen von Gerüchen“, erklärt Chemiker Philipp Fruhmann vom österreichischen Forschungsinstitut CEST (Centre for Electromechanical Surface Technology) im futurezone-Interview.

Sensoren können auch auf Polymer-Basis gedruckt werden, wie beim CEST-Forschungsprojekt NFB Nr. FTI18-009

„Der Mensch verfügt über 300 bis 400 unterschiedliche Rezeptoren, die Geruchsmoleküle binden und so für unsere Geruchswahrnehmung sorgen. Die einzelnen Rezeptoren, die in Millionen von Riechzellen untergebracht sind, sind aber nicht gleichgeschaltet, sondern sprechen bei verschiedenen Gerüchen in einem unterschiedlichen Muster an. Diese Vielzahl an Parameter macht das ganze so kompliziert“, erklärt Fruhmann.

Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten

Sinnvolle Anwendungsgebiete gäbe es allerdings zuhauf. Mit künstlichen elektronischen Nasen könnten Roboter Sprengstoff auf Flughäfen oder gefährliche Gasaustritte erschnüffeln. Entsprechende Sensoren könnten auch bei verdorbenen Lebensmitteln oder Krankheiten Alarm schlagen, die sich schon frühzeitig durch Geruchsmoleküle bemerkbar machen.

Auf dem Weg zur elektronischen Nase gibt es mehrere Ansätze. Bereits im Einsatz sind recht einfach gestrickte Sensoren, bei denen Gasmoleküle auf einer Metalloxid-Oberfläche eingefangen werden und mit dieser reagieren. Auf diese Weise kann man Industriegase wie Kohlendioxid (CO2), Stickstoffdioxid (NO2) oder Schwefeldioxid (SO2) nachweisen. Die Sensoren sind vom Material her kostengünstig und robust, allerdings nur bedingt genau.

Lawinen- und Erdbebenopfer orten

Abgesehen von der Schadstoff-Detektion können diese Geruchssensoren aber auch eingesetzt werden, um Verschüttete bei Erdbeben oder unter einer Lawine zu orten. Wissenschaftler der ETH Zürich etwa kombinierten in einem Forschungsprojekt CO2- und Feuchtigkeitssensoren mit Gassensoren für Aceton, Ammoniak und Isopren, um Menschen zuverlässig aufspüren zu können.

Bei der Atmung wird zwar CO2 ausgestoßen, in einem Trümmerberg kann es aber auch einen anderen Ursprung haben. Wird zusätzlich noch das beim Atmen ausgestoßene Aceton und Isopren sowie der über die Haut abgegebene Ammoniak erkannt, erhöht sich die Zuverlässigkeit, tatsächlich Menschen aufzuspüren, immens.

Die Natur als Vorbild

Der spannendere, aber zugleich kompliziertere Zugang bietet die Biomimetik, die sich - wie der Name schon sagt - an der Natur orientiert und diese zu imitieren versucht. Angelehnt an die menschliche Nase sollen hier Sensoren entwickelt werden, die mit einer Vielzahl an Biorezeptoren ausgestattet sind. Dafür sind geruchsbindende Proteine notwendig, die auf einer membranbeschichteten Oberfläche angebracht werden und die Geruchsmoleküle sozusagen einfangen.

Prototyp einer sensitiven elektronischen Nase

Die biotechnologische Herstellung der Rezeptoren ist kompliziert. Da sich die künstlich hergestellten Riechzellen anders als bei der menschlichen Nasenschleimhaut nicht regenerieren können, ist die Lebensdauer derartiger Sensoren begrenzt. Auch die Signalverstärkung und -übertragung, um den Geruch schließlich analysieren und messen zu können, bleibt eine Herausforderung, die etwa auch die Forscher am österreichischen CEST in diversen Forschungsprojekten zu meistern versuchen.

Verdorbene Lebensmittel

Gelingt es, ein stabiles und zuverlässiges System zu schaffen, könnten diese neuartigen Riechsensoren ganze Branchen revolutionieren. „Der einfachste Test, ob Lebensmittel verdorben sind, ist daran zu riechen. Jeder von uns macht das instinktiv, wenn wir etwas aus dem Kühlschrank holen“, sagt Fruhmann. Im Lebensmittelhandel könnte ein entsprechender Sensor den Zustand der Ware überwachen und so aufwändige Tests obsolet machen.

„Bis so eine Probe ausgewertet ist, dauert es oft mehrere Tage. Da liegen die Produkte dann meist schon im Kühlregal oder sind sogar verkauft worden. Statt die verdorbenen Waren schließlich rückrufen zu müssen, könnte ein im Inneren der Packung angebrachter Sensor frühzeitig mittels Farbstoff anzeigen, wenn das Produkt nicht mehr gut ist. Alternativ kann man die Rezeptoren auch mit einem NFC-Chip koppeln, der elektronisch ausgelesen werden kann“, sagt Fruhmann.

Krebs im Frühstadium erkennen

Eine weiteres vielversprechendes Feld ist die Medizin. Ein noch recht junger Forschungszweig ist die Früherkennung von Krankheiten über Gerüche. So wird bereits mit Hunden experimentiert, die einen viel feineren Geruchssinn als Menschen aufweisen und etwa Krebs riechen können, wenn dieser auf anderem Weg noch kaum nachweisbar ist. Auch mit der elektronischen Nase wird in diese Richtung geforscht.

„Es ist bekannt, dass etwa bei Lungenkrebs und Brustkrebs Marker auftreten, die man über den menschlichen Atem messen könnte“, erklärt Fruhmann. Risikopatienten, aber auch Personen, die bereits behandelt wurden, könnten mit einem entsprechenden Gerät ihre Werte zuhause messen und müssten folglich nur zum Arzt, wenn diese Auffälligkeiten zeigen. Für den Chemiker ist sogar denkbar, dass ein derartiger Sensor in Zukunft auch in einem Smartphone eingebaut sein könnte. Um den Test zu machen, würde man dann einfach das Telefon anhauchen.

Erste Produkte in 10 Jahren

Bis dahin wird es aber noch dauern. Auch hochwertige Kameras und Touch-Bildschirme fanden schließlich nicht von heute auf morgen ihren Weg in unsere Telefone. Eine völlig futuristische Vision ist die elektronische Nase laut Fruhmann aber definitiv nicht: „Gerade im Bereich der Lebensmitteldetektion und der Atemgasdiagnostik rechne ich damit, dass bereits in 10 Jahren serienreife Produkte auf dem Markt sind.“

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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