So soll es  aussehen, wenn die verlängerte Linie 18 ab 2026 durch den Prater fährt

So soll es aussehen, wenn die verlängerte Straßenbahnlinie 18 ab 2026 durch den Wiener Prater fährt

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Vom Plan auf das Gleis: Wie eine neue Straßenbahnlinie entsteht

Wien hat eines der längsten Straßenbahnnetze weltweit. Es wächst aber noch weiter. Manche Linien werden verlängert, andere werden komplett neu gebaut. „Häufig sind Stadtentwicklungsprozesse der Auslöser dafür, eine neue Straßenbahnlinie zu errichten“, sagt Clemens Horak, Leiter der Wiener Magistratsabteilung 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung. „Es gibt aber natürlich auch Überlegungen, die mit der Netzstruktur der Wiener Linien zusammenhängen, etwa um neue Verbindungen zu schaffen.“ Auch Zielvorstellungen der Politik sowie Ideen von Bürger*innen können Impulse geben oder in die Überlegungen einfließen.

 

Das bestehende Öffi-Netz kann durch neue Straßenbahnlinien verdichtet werden, oder man dehnt das Netz in die Peripherie aus

Prognosen über 20 Jahre

Bei den Wiener Linien spiele die datengestützte Analyse eine wichtige Rolle bei der Planung, erklärt Johannes Kehrer, Leiter des Referats für Netzentwicklung und Infrastrukturplanung: „Mit einer Netzanalyse prognostizieren wir Wirkungen neuer Verbindungen und erstellen längerfristige Prognosen.“ Neben der Mathematik sei man dabei aber auch auf Expert*innenwissen angewiesen. „Um Annahmen für die nächsten 20 Jahre zu treffen und vorauszusehen, wie sich die Stadt entwickelt, braucht es viel Know-how.“

Prognosen zur Linie 18, die in den nächsten Jahren von der Schlachthausgasse bis zum Stadion im Prater verlängert wird, wurden bereits 2011 erstmals angestellt. „Die Linie 18 ist spannend, weil sie vor allem dem Netzausbau dient“, sagt Kehrer. „Für Stadtentwicklungsgebiete ist sie zwar auch relevant, etwa für das Viertel Zwei oder die Donaumarina, aber die Netzwirkung ist wichtiger, weil sie die U2 und die U3 verbindet. Außerdem liegen der neue Fernbusterminal im zweiten Bezirk, das Stadion und der Hauptbahnhof daran.“ Quasi ein Bonus sei, dass die Linie 18 eine Rolle als Ausweichroute bei der geplanten Sperre der S-Bahn-Stammstrecke von 2026 bis 2027 spielt.

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Mit einer neuen Straßenbahnstrecke wird meist die gesamte Straße umgebaut

Mit der Errichtung neuer Gleise für eine Straßenbahnlinie wird meist das gesamte Straßenbild verändert

Chance auf Erneuerung

Wo eine neue Straßenbahnlinie genau verlaufen soll, wird in einem mehrstufigen Prozess entschieden. „Manche Strecken können Experten schon von vornherein ausschließen, etwa weil die Straßenbreite oder Kurvenverläufe nicht passen“, sagt Horak. „Typischerweise werden mehrere Varianten geprüft. Am Ende wird eine ausgewählt.“ Bei der Planung einer Straßenbahnlinie werde der gesamte Straßenquerschnitt betrachtet. „Wenn man Straßenbahngleise wo neu hineinlegt, ist das sowieso ein massiver Eingriff. Da sieht man sich gleich an, wie man die Klimaanpassung und die Aufenthaltsqualität in dieser Straße verbessern kann“, sagt Horak.

Füllung und Entleerung

Wenn man eine neue Linie erschafft, muss diese auf bestehende Linien abgestimmt werden. Kehrer: „Wir stellen Prognosen an, wo man wie umsteigen kann, welche Intervalle notwendig sind.“ Je nach Verlauf einer Straßenbahnlinie müsse man mit unterschiedlichen Nutzungsmustern rechnen. Manche Linien, vor allem solche, die vom Stadtrand Richtung Innenstadt führen, füllen und entleeren sich oft an den Endpunkten. Linien, die hingegen quer zu den anderen Linien verlaufen (tangential), füllen und entleeren sich meist an mehreren Punkten. „Die Linie 18 vom Stadion bis zur Burggasse werden nur wenige Fahrgäste durchfahren“, so Kehrer.

Bei der Planung von Verknüpfungen werden auch Fußwege analysiert. Man sieht sich etwa an, wo Fahrgäste Straßen queren müssten, um in eine U-Bahn-Station zu gelangen, und versucht, dies nach Möglichkeit zu vermeiden.

Ein Gleis, mehrere Linien

Neue Straßenbahnlinien nutzen teilweise schon vorhandene Gleise und teilen sich diese mit anderen Linien. Auf manchen Abschnitten, etwa am Beginn der Währinger Straße, fahren gleich fünf Linien auf einem Gleis. „Über eine sechste würden wir uns nicht freuen, aber in den meisten Fällen ist es möglich, eine zusätzliche Linie auf ein Gleis zu setzen“, sagt Kehrer. Es gebe aber natürlich Abstimmungsfragen. Wie schaltet man etwa die Ampel, wenn Straßenbahnen zweier Linien direkt hintereinander zu einer Kreuzung kommen?

Beim konkreten Bauvorhaben müssen ebenso viele Detailfragen geklärt werden. „Bei Neubauten gibt es Verkehrskonzepte, wo einzelne Bauphasen und Bauzeiten definiert werden“, sagt Marlene Eistert, die Gesamtprojektleiterin für die Linie 18. Umleitungen werden genau festgelegt und es erfolgt eine Abstimmung mit verschiedenen Behörden.

So wird eine neue Linie mit Strom versorgt

Neue Straßenbahnlinien benötigen neue Oberleitungen. Um diese mit Strom zu versorgen, sind wiederum sogenannte „Unterwerke“ notwendig, also Transformatorstationen. Manchmal können diese Unterwerke in bestehenden Gebäuden der Wiener Linien untergebracht werden, etwa in U-Bahn-Stationen. Ab und an müssen dafür auch kleine Häuschen errichtet werden. Im Falle der Neubaustrecke für die Linie 18 durch den Prater sind etwa zwei neue Unterwerke notwendig, erklärt Projektleiterin Marlene Eistert. Eines davon sollte im Bereich des Stadions errichtet werden.

„Wir wollen keine Grünfläche angreifen, deshalb wird auf einer bereits versiegelten Fläche nahe dem Stadionbadparkplatz ein kleines Gebäude mit begrünter Fassade und Dach errichtet.“  Den erhöhten Strombedarf für eine neue Straßenbahnlinie müsse man bei Energieversorgern nicht anmelden, jedoch gebe es laufend Abstimmungen im Zuge der Errichtung.

Rückgewinnung

„Eine Straßenbahn verbraucht nicht so viel.“ Pro Kilometer ist es aber immerhin so viel, wie ein durchschnittlicher Haushalt am Tag verbraucht. Ein Teil des Stromverbrauchs wird beim Bremsen auch wieder rückgewonnen und ins Netz zurückgespeist. Die Rückgewinnung beherrschen nicht nur neue Straßenbahnmodelle. Auch die älteren E2-Garnituren wurden dafür mit neuer Elektronik nachgerüstet.

Für neue Linien werden üblicherweise auch neue Fahrzeuge angekauft, derzeit etwa Straßenbahnen des Typs Flexity. Das heißt aber nicht, dass auf neuen Linien nur neue Fahrzeuge im Einsatz sind. „Straßenbahnen sind sehr langlebig. Es wäre Geldverschwendung, sie nicht mehr fahren zu lassen“, sagt Eistert. Die alten E2-Straßenbahnen werden vor allem als Verstärkung, zum Beispiel bei Veranstaltungen, eingesetzt, um Intervalle zu verdichten. Vorrangig werden aber barrierefreie Fahrzeuge eingesetzt.

Änderungen möglich

Ist eine neue Straßenbahnlinie einmal errichtet, wird ihre Nutzung laufend erhoben, etwa durch automatische Zählvorrichtungen in den Straßenbahnen. Meistens wird mittels Lichtschranken an den Türen gezählt, an welchen Stationen wie viele Menschen ein- und aussteigen. Außerdem werde evaluiert, ob man Linien auf bestehenden Gleisen anders fahren lassen soll, erklärt Horak. „Es ist also nicht gesagt, dass eine Linie bis ans Ende aller Tage genau dort verläuft, wo man es geplant hat, aber ein Ablaufdatum hat eine Linie grundsätzlich nicht.“

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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