"Evolution des Energiesystems steht bevor"
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In Österreich ist bereits jedes siebente heimische Einfamilienhaus mit einer Solaranlage ausgestattet. Manch einer würde damit auch gerne Energie dezentral ins Netz einspeisen. Auch Windkraft und Wasserkraft werden künftig bei der Energieversorgung eine große Rolle spielen. Mit beispielsweise 25 Windrädern könnte man rund 13.500 österreichische Haushalte mit Strom versorgen. Doch Sonne und Wind richten sich nicht nach dem aktuellen Bedarf der Bewohner. Um die Energie aufzunehmen und verarbeiten zu können, bedarf es daher einer neuen Lösung.
Wie lassen sich Wind und Solarenergie künftig ins Stromnetz integrieren?
Wir stehen am Beginn der Evolution des Energiesystems. Es gibt immer mehr dezentrale Energiequellen. Bisher konnte man diese noch relativ gut ins Energiesystem integrieren. Das Energiesystem, die Stromerzeugung und das Stromnetz, sind so designt, dass der Strom vom großen Kraftwerk in Richtung Kunden fließt. Wenn beim Kunden jetzt Energie eingespeist wird, steigt dort die Spannung und das System verhält sich anders, als es designt wurde. Das heißt, man muss dieses Energiesystem umbauen und intelligenter machen, so dass es automatisch weiß, wann Strom ins Netz zurückfließen möchte.
Die Kunden produzieren plötzlich selbst Strom und den muss man ins Netz hineinbekommen. Eines der Elemente, das ein Smart Meter in Zukunft bieten soll, ist einfach zu wissen, wie der Zustand des Netzes ist, wie hoch die Spannungslevel sind. Dazu braucht man Smart Meter, also intelligente Stromzähler, und Smart Grids, intelligente Netze. Erst dann kann man beginnen, das Netz zu steuern und die Energie, die dezentral hereinkommt, auch sinnvoll zu verwenden.
Um den Zustand des Netzes festzustellen, ist es aber eigentlich nicht notwendig, dass die Smart-Meter-Daten von einzelnen Haushalten übertragen werden. Da würde es doch auch reichen, wenn diese anonymisiert und in einem Knotenpunkt zusammengefasst werden?
Da haben Sie recht und das wird künftig auch genau so gemacht werden. Der Energieversorger braucht einerseits die Daten zur Netzsteuerung, aber da braucht er nicht die Daten der einzelnen Haushalte, sondern nur die Daten von einzelnen Netzgebieten. Diese werden auch nur pro Netzgebiet ausgewertet. Das wären ansonsten außerdem so viele Daten, dass es gar nicht sinnvoll wäre, diese an die Zentrale weiterzuleiten, sondern sie werden ad-hoc ausgewertet und direkt für die Netzsteuerung verwendet.
Was man zusätzlich braucht, sind die Spannungsdaten, also die Informationen über den Netzzustand. Parallel dazu möchte der Energieversorger wissen, wie viel Energie verbraucht wurde. Das sind dann die Haushaltsdaten. Da bleibt natürlich die Frage, wie hoch aggreggiert die beim Energieversorger landen. Das ELWOG schreibt vor, dass einmal am Tag eine Summe zur Verfügung steht. Das ist das Minimum, das der Netzbetreiber sammeln muss. Für die Netzsteuerung ist es nicht notwendig, detaillierte Daten zentral zu sammeln und das wird auch nicht gemacht.
Das heißt, das wird strikt getrennt?
Es wird getrennt. Für eine Netzsteuerung reichen Viertel-Stunden-Werte nicht aus, da braucht man genauere Daten. Das bedeutet allerdings eine Datenflut, so dass das System nicht mehr damit umgehen kann. Das heißt, man muss die Daten lokal aggreggieren und das System lokal steuern.
Wie lange würde das derzeitige Netz aus Ihrer Sicht noch aushalten, bevor es zusammenbricht?
Das Netz wird nicht zusammenbrechen, sondern es wird nicht mehr sicher sein. Das heißt, wenn ich jetzt in einer Siedlung viel dezentrale Energiequellen einspeise, steigt die Spannung und das ist für die Menschen gefährlich. Wenn man relevant über die 230 Volt drüber kommt würde das System technisch gesehen weiter funktionieren, es wäre aber nicht mehr erlaubt, es weiter zu betreiben. Der Netzbetreiber müsste es abschalten.
Es gibt jetzt schon in einzelnen Bereichen, in denen es viele dezentrale Energiequellen gibt, Probleme. Das heißt man schaut jetzt schon genauer hin: Kann ich dort noch eine dezentrale Anlage installieren? Es sind auch Fälle bekannt, bei denen der Energieversorger das Anschließen einer dezentralen Energiequelle verweigert hat, genau aus diesem Grund.
In Österreich ist mittlerweile jedes siebente Einfamilienhaus mit einer Solaranlage ausgestattet sein. Liegt darin die Zukunft, dass Häuselbauer auf eigene Energiequellen setzen?
Gerade im Bereich Photovoltaik haben wir seit vielen Jahren eine Preisdegression. Das heißt: Photovoltaik-Anlagen werden billiger. Es zahlt sich teilweise jetzt schon aus eine derartige Anlage am Dach zu haben. Spätestens in fünf bis sieben Jahren rentiert es sich dann wirklich. Und wenn es sich auszahlt, werden die, die es sich leisten können, Solaranlagen aufs Dach schnallen. Diese Anlagen werden da sein, weil sie sich rentieren. Damit werden sie wohl die Zukunft sein.
Man könnte dann den Häuselbauern verbieten, ihre Anlage ans System azuschließen. Dabei würde viel Energie erzeugt werden, die nicht ins System eingebunden werden kann. Das wäre vom Gesichtspunkt, dass wir mehr Erneuerbare Energien haben wollen, ein sehr unglücklicher Weg. Oder man findet Möglichkeiten, die Anlagen zu integrieren, um die die verfügbare Energie bestmöglich zu nutzen. Ich glaube, dass das das Ziel sein sollte.
Wie geht die Integration von so einer Solaranlage in ein Smart Grid vonstatten?
Grundsätzlich ist es das Anschließen an das Stromnetz, verbunden mit einer Messtechnik. Das Anschließen selbst ist trivial, aber die Messtechnik beschreibt, wie viel Energie von wo wohin fließt. Dann muss das Netz in der Lage sein, auf diesen Energiefluss von dezentralen Energiequellen ins Gesamtnetz zu reagieren. Das heißt, das Netz muss sich selbst steuern können. Das kann es im Moment noch nicht. Man braucht dazu andere Transformatoren, die selbst die Spannung rauf und runter schalten können, im Idealfall automatisiert. Das sind gemeinsam mit der Messtechnik Elemente des Smart Grids.
In Österreich sollen laut einem Entwurf des Wirtschaftsministeriums bis 2018 95 Prozent der Haushalte mit Smart Metern ausgestattet werden. Wie sieht es mit Smart Grids aus? Wann werden die Stromnetze intelligent sein?
Die Evolution des Energiesystems hat mehrere Komponenten. Einerseits die dezentralen Energiequellen wie Photovoltaik oder Windkraft, andererseits das Smart Grid, das damit umgehen muss und um das zu verbinden, gibt es den Smart Meter. Es ist kein Umbau, der von heute auf morgen geht, sondern eine Evolution. Teile des Energienetzes sind bereits intelligent, vor allen in den höheren Spannungsebenen. Die niederen Spannungsebenen sind noch relativ dumm. Hier beginnt man erst allmählich, diese intelligenter zu machen, das erfolgt in Abstimmung mit Smart Metern. Diese Entwicklungen gehen Hand in Hand. Ich brauche die Smart Meter-Messtechnik, um Smart Grid im Niederspannungsbereich gut betreiben zu können.
Das geht also parallel vonstatten. Gibt es hierzu auch Pilotprojekte in Österreich?
In Österreich gibt es eine Vielzahl an Smart Grid-Projekten, die sich genau diese Problematik anschauen, wie man dezentrale Energiequellen ins Gesamtsystem übernehmen kann. Hier hat Österreich eine Vorreiterrolle im globalen Kontext. Die österreichischen Firmen haben sich sehr stark darauf fokussiert, wie ich diese Integration der Energiequellen machen kann. Damit gibt es in Österreich einen Know-How-Vorsprung. Das ist ein weiterer Effekt von Smart Grid, dass wir hier Wissen aufbauen wollen und Arbeitsplätze und Wertschöpfung schaffen.
Wenn das Ganze, also auch der Smart Meter, hauptsächlich zur Einbindung von dezentraler Energiequellen und in Folge zur Sicherung und zum Ausbau der Netze gut ist und vor allem den Netzbetreibern etwas bringt, fragen sich viele, wieso sie für diesen Ausbau zahlen sollen.
Es gibt Studien, die sich angeschaut haben, wie man dezentrale Energiesysteme optimal integrieren kann. Wenn wir viele Erneuerbare Energiequellen haben, um unabhängiger vom Import fossiler Quellen zu sein, muss ich das Energiesystem ändern. Ich könnte zwar das bestehende Energie-System einfach verstärken und zum bestehenden System mehr und stärkere Kabel legen. Nur ist es deutlich preisgünstiger, nicht mehr Kabeln zu vergraben, sondern das Netz intelligenter zu machen. Es wird günstiger, wenn man Smart Grids macht.
Warum sollen aber alle diesen Ausbau durch ein höheres Netzentgelt zahlen, wenn sie einen Smart Meter bekommen, wenn nur der Nachbar mit seiner Solaranlage davon profitiert?
Sicher könnte ich jetzt einzelne Leitungen verstärken und den einen Häuselbauer, der eine Photovoltaik-Anlage am Dach hat, die Extra-Leitung zahlen lassen. Das wird er wahrscheinlich nicht machen, weil die Leitung wesentlich teurer ist, als die Anlage, die er am Dach hat. Es zahlt sich schlicht und einfach nicht mehr aus. Weiters haben wir im Energienetz die typischen Netzwerkeffekte. Das Netz zahlt sich aus dem Grund aus, weil es ein Netz ist. Das heißt, wir haben viele Nutzer und diese teilen sich die Kosten. Im Zuge dieser Kostenteilung ist es ein Optimum, dass man die Kosten in den gesamten Topf wirft und versucht, einen gerechten Preis darüber zu erzielen. Ob es in Zukunft für einzelne Photovoltaik-Betreiber höhere Kosten gibt, ist Teil der Netzpolitik. Das kann ich nicht ausschließen, aber da ist die Frage, was das Optimum für das Gesamtsystem ist. Ich will ja, dass sich die Leute so eine Anlage kaufen.
Das große Gesamte sozusagen. Wie viel rechnen Sie, dass die Smart Meter-Einführung kosten wird?
Wir haben selbst keine eigenen Schätzungen gemacht. Welche Schätzungen stimmen, kann ich nicht vorhersagen. Im Endeffekt wird der Markt einen Preis für Smart Meter vorgeben, es wird mehrere Smart Meter-Anbieter geben. Jetzt gibt es im Moment noch eine beschränkte Anzahl.
Sie sagen es. Im Moment gibt es nur zwei zertifizierte Zähler-Modelle in Österreich. Eines davon stammt von Siemens, das zweite von Echelon. Die dürften sich zudem nicht miteinander verstehen, können nicht miteinander kommunizieren. Wo bleibt da der Wettbewerb?
Es wäre nicht optimal, wenn es nur zwei Zähler-Anbieter gäbe. Meines Wissens nach befinden sich derzeit sehr wohl weitere Smart Meter in der Zertifizierung. Wir haben noch ein wenig Zeit, bis der Smart Meter Roll-Out hierzulande beginnen soll.Bis dahin, hier sind wir in Kontakt mit den Zähler-Herstellern, nehmen wir an, dass es eindeutig mehrere Hersteller geben wird, die Smart Meter anbieten werden.
Bis wann?
Kann ich Ihnen nicht sagen.
Stimmen Sie mir zu, dass das nicht ideal für den Wettbewerb ist?
Es wird mehr geben und es wird einen vernünftigen Markt geben. Es wird auch kompatbile Modelle geben. Da wird derzeit noch daran gearbeitet. Ich weiß von einigen Unternehmen, dass sie massiv daran arbeiten.
Derzeit bemängeln einige Netzbetreiber, dass es noch keinen EU-Standard gibt. Wann ist damit zu rechnen?
Der Standard ist grundsätzlich sehr weit entwickelt, es gibt auch mehrere Protokolle, die beschreiben, wie Smart Meter mit der restlichen Infrastruktur reden. Das ist im wesentlichen schon fertig, man ist in der Endphase und hat nur noch eine Reihe von Formalakten vor sich, um die Standardisierung abzuschließen. Aber technisch gesehen ist der Standard im Wesentlichen am Tisch. Ich habe in den letzten Tagen mit Standardisierungsexperten gesprochen und habe den Hinweis bekommen, dass das schlicht und einfach funktioniert.
Die Standards sind also nicht wirklich das Problem. Doch wie sieht es mit der Datensicherheit aus? Einige Sicherheitsexperten sagen ja, dass das Netz "danach", also nach der Umstellung auf Smart Meter, nicht mehr sicher sein wird. Wie groß schätzen Sie diese Gefahr ein?
Man muss sich auf alle Fälle gut überlegen, welche Anforderungen ein Smart Grid hat, damit es die grundsätzlichen Ziele wie Verfügbarkeit und Sicherheit einhält. Diese Elemente gehören vorab bedacht und möglichst konstruktiv diskutiert. Sie wurden bereits sehr intensiv diskutiert und es gibt es in Österreich eine Reihe von Unternehmen, die sich hier sehr gut auskennen. Hier muss man durch ein intelligentes Design bei den IT-basierten Komponenten, aber auch in der Netzstruktur die höchstmögliche Sicherheit erzeugen und gewähren. Daran arbeiten die Energieversorger. Die sind sich der Risiken bewusst.
Zur Person:
Klaus Bernhard ist Leiter der Kernbereiche Forschung und Entwicklung (F&E) und Energie im Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). Vor seinem Eintritt beim FEEI im Jahr 2004 war er bei Semperit, Frequentis oder Ericsson Austria tätig.
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