© Joe Carrotta/NYU Langone Health

Science

Genmanipulierte Schweine geben Hoffnung für Organspenden

Es musste nur ein Gen verändert werden - das dürfte, zumindest bei Nieren, ausreichen, um die sogenannte hyperakute Abstoßung bei der Transplantation von artfremdem Gewebe zu verhindern. Diese Abstoßung ist die größte Hürde bei einer Xenotransplantation. Durch die Fortschritte in der Gentechnik hofft man, damit eine zusätzliche Organquelle entwickeln zu können und damit den weltweiten Mangel an menschlichen Spenderorganen ausgleichen zu können. 

Für die Abstoßung von Schweineorganen durch das Immunsystem des Menschen ist vor allem ein bestimmtes Molekül verantwortlich: Dieses Gen beinhaltet die Bauanleitung für ein Protein namens Alpha-Gal, das beim menschlichen Immunsystem eine sofortige Antikörper-Abwehrreaktion hervorruft. Durch das "Ausschalten" des Gens wird die Abstoßung verhindert. Das Unternehmen Revivcor Inc. entwickelte vor einigen Jahren das GalSafe-Schwein, bei dem dieses Gen von Haus aus fehlt. Daher genehmigte die US Food and Drug Administration (FDA) im Dezember 2020 diese Schweine als "potenzielle Quelle für Humantherapeutika". Ebenso wurden sie als Nahrungsquelle für Menschen zugelassen, die unter dem Alpha-Gal-Syndrom leiden. Dabei reagieren sie allergisch auf rotes Fleisch. Auch dafür wird Alpha Gal verantwortlich gemacht.

Geglückte Xenotransplantation

Zusammen reichen diese Anpassungen aus, um eine erfolgreiche Transplantation des Organs in einen Menschen zu ermöglichen, wie ein aktuelles Experiment in den USA zeigt.

Ein 57-jähriger New Yorker hat seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung gestellt, doch seine Organe waren für Transplantationen nicht geeignet – und dennoch leistet der für hirntot erklärte Patient der Forschung einen großen Dienst. Seit 14. Juli übernimmt eine gentechnisch veränderte Schweineniere die Entgiftungsarbeit seines Körpers.

Noch nie hat ein derartiges Organ in einem Menschen so lange funktioniert. Dies sei ein großer Schritt, um neue Quellen für Transplantationsorgane zu etablieren, kommentiert das Operationsteam den Eingriff.

„Das Tolle daran ist, dass es unter bestimmten Umständen und eine gewisse Zeit lang möglich ist, dass ein Schweineorgan die Funktion im menschlichen Körper übernehmen kann“, kommentiert Thomas Wekerle, Leiter der Transplantationsimmunologie an der MedUni Wien, den Fall.

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Es seien derzeit noch „absolute Einzelfälle“, die auch ein Grenzgebiet der Medizin berühren. Schon aus ethischen Gründen. „Man versucht daher, mit Einzelbeobachtungen Daten zu sammeln, um die Sicherheit der Methode zu zeigen“, erklärt der Mediziner die Gratwanderung in der Transplantationsforschung. Auch in New York musste die Verpflanzung von einem Ethikgremium genehmigt und vom Gesundheitsministerium bestätigt werden. Der aktuelle Eingriff ist der neueste im Rahmen einer größeren Serie an Transplantationsfällen.

Hoffnungsgebiet

Chirurg Robert Montgomery führte bereits 2021 am NYU Langone Transplant Institute an der Grossman School of Medicine die weltweit erste Transplantation einer genetisch veränderten Schweineniere in einen Menschen durch. Er verantwortet auch den aktuellen Eingriff.

Sogenannte Xenotransplantationen – also die Transplantation artfremden Gewebes – ist eines der großen Hoffnungsgebiete in der Transplantationsmedizin. Aus einem einfachen Grund: Der Mangel an transplantierbarem Gewebe. Der Bedarf ist hoch, erklärt Wekerle. „Es könnten noch viel mehr Patient*innen von einer Organtransplantation profitieren, wenn genügend Organe zur Verfügung stehen würden.“ Daraus resultieren die Versuche, auch artfremde Quellen zu nutzen und Alternativen zu Spenderorganen zu erschließen. „So viel mögliche Spenderorgane würde man kaum auf einem anderen Weg finden.“

In der Xenotransplantationsforschung zeigten sich mit Schweinen bisher die besten Erfolge. „Sie sind physiologisch dem Menschen ähnlich genug, um ihre Organe zu verwenden.“ Es sind vor allem Niere und Herz, die derzeit am intensivsten beforscht werden. „Bei ihnen werden die größten Chancen gesehen“, erklärt der Experte. Das „perfekte Schweineorgan“ gebe es allerdings nicht. Daher verfolgen Forscher verschiedene Ansätze. „Es gibt Versuche, wo bis zu zehn Gene verändert werden.“ Damit soll etwa das Immunsystem unterdrückt und die Abstoßung des Spenderorgans verhindert werden. Das sei aber nicht die einzige Hürde. „Auch das Gerinnungssystem reagiert sehr leicht.“ Bestimmte Schweine-Gene kann man bereits gezielt ausschalten, um etwa schädliche Eiweißstoffe zu eliminieren, die das menschliche Gerinnungssystem beeinträchtigen. Bei der Transplantation von Schweineherzen ist zudem wichtig, das Wachstum des Gewebes einzuschränken. „Schweine haben ein größeres Herz als Menschen.“

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Nur ein Gen verändert

Im Unterschied zu früheren Xenotransplantationen von Nieren wurde bei der aktuellen in New York lediglich jenes Gen eliminiert, das für die Bildung des Eiweißmoleküls Galaktose-Alpha-1, kurz Alpha-Gal, verantwortlich ist. „Dieses ist ein typisches Merkmal an der Oberfläche vieler Zellen und eine der wichtigsten Hürden rund um die Verhinderung der Abstoßung von transplantiertem Schweinegewebe“, sagt Wekerle. Alpha-gal ist für die sogenannte hyperakute Abstoßung eines fremden Organs verantwortlich, die innerhalb von Minuten eintritt. Wird es ausgeschaltet, ist das ein zentraler Schritt, um die unmittelbare Abstoßung zu verhindern. „Trotzdem wird das Transplantat vom Körper als fremd erkannt. Im Idealfall sind aber weniger Medikamente notwendig.“ Beides zusammen soll die Funktionsfähigkeit des Organs längerfristig gewährleisten, so die Hoffnung.

In New York stimmten die Angehörigen des hirntoten Patienten, dessen Kreislaufsystem mit einer Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten wird, einer Weiterführung der Beobachtung der Nierenfunktion bis Mitte September zu.

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Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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