© Marc Koetse/Holst Centre

Forschung

Hightech-Pflaster misst Temperatur und Puls

Am niederländischen Holst Centre etwa wird fleißig daran gearbeitet, solche smarten Systeme in dünne Folien zu integrieren, inklusive Batterie, Antenne und Sensoren. „Die Anwendungsmöglichkeiten sind praktisch unbegrenzt", erklärt der auf flexible Smart-Systeme spezialisierte Forscher Marc Koetse im Gespräch mit der futurezone. Auf der vergangenen

in Graz wurden einige der vielversprechenden Prototypen vorgestellt.

Intelligente Tablettenschachtel
Neben kostengünstigen Label-basierten Lösungen, die für die Überwachung von Lieferketten bei Lebensmitteln und anderen Waren gedacht sind, zeigt vor allem der Gesundheitssektor Interesse an derartigen aktiven RFID-Lösungen. So präsentierte Koetse etwa eine intelligente Tablettenschachtel, die ein entsprechendes System in die Folie integriert hat. Wird eine Tablette durch die Folie gedrückt, zeichnet das System den Zeitpunkt der Tabletten-Einnahme auf.

Der Patient oder aber auch der behandelnde Arzt kann so nachvollziehen, ob die Dosis eingehalten und die Tabletten rechtzeitig eingenommen wurden. Über eine entsprechende Applikation können Patienten aber auch erinnert werden, ihre Medikamente einzunehmen. Derzeit ist das System vor allem für Zulassungstests von neu eingeführten Medikamenten gedacht. Koetse zufolge ist der Prototyp bereits funktionsfähig und könnte innerhalb kurzer Zeit industriell gefertigt werden.

Smartes Pflaster

Etwas komplexer in der Umsetzung präsentierte sich ein am Holst Centre entwickeltes smartes Pflaster, das außen auf die Haut angebracht wird und verschiedenste Körperfunktionen messen soll. „Ein einfach zu messender Parameter ist die Körpertemperatur. Aber auch der Herzschlag, die Muskelspannung oder die chemische Zusammensetzung der Umweltumgebung könnten zukünftig über auf der Haut angebrachte Sensoren aufgezeichnet werden", so Koetse.

Ein derartiges mobiles Monitoring könnte etwa mehr Bewegungsfreiheit für Herzinfarkts-Patienten bedeuten, die nicht mehr an ihr Krankenzimmer und die dort befindlichen stationären Geräte gebunden wären. Personen, die in Arbeitsumgebungen mit schädlichen Stoffen konfrontiert sind, könnten über entsprechende Sensoren sichergehen, dass ihre Gesundheit keinen Schaden nimmt.

Energieversorgung als Herausforderung
Als größte Herausforderung für derartige aktive RFID-Systeme gilt neben der Materialbeschaffenheit, die mit dem menschlichen Körper kompatibel sein muss, aber weiterhin die Energiezufuhr. „Batterien können derzeit einfach nicht mit der rasanten Weiterentwicklung von Technologien mithalten. Das sieht man auch bei Smartphones und Notebooks", sagt Koetse. Als Ausweg gilt das sogenannte „Energy Harvesting", bei dem elektrische Energie durch die unmittelbare Umgebung des smarten Systems - etwa den menschlichen Körper gewonnen werden kann.

"Beim `Energy Harvesting` wird ebenfalls in viele Richtungen geforscht. Die Systeme können über Körperbewegungen oder auch über die Temperaturunterschiede zwischen dem menschlichen Körper und seiner Außenwelt mit Energie versorgt werden", erklärt Koetse. Dass letzteres in der Arktis besser funktioniere als in der Sahara liege auch auf der Hand, so der niederländische Forscher im futurezone-Interview.

Neben Solartechnologien gibt es aber noch ganz andere potenzielle Energiequellen, die für die Stromversorgung derartiger Systeme herangezogen werden können. "Bei einem durchschnittlichen Mobiltelefon-Anruf wird vom Gerät etwa ein Watt an Energie an die Umgebung abgegeben. Um derart kleine Sensoren und Systeme mit Energie versorgen zu können, reichen aber 100 Micro Watt", hat Koetse einen überraschenden Lösungsansatz parat.

Auflagen im Gesundheitsbereich hoch
Während smarte Tablettenschachteln, die nur einen Zeitsensor eingebaut haben, praktisch fertigungsreif sind, wird es bei der Realisierung eines smarten Elektronikpflasters mit komplexerer Sensorik noch einige Jahre dauern. Die Auflagen und zu berücksichtigenden Sicherheitsaspekte sind im Gesundheitsbereich naturgemäß um ein Vielfaches umfangreicher als etwa im Warenhandel. Dazu kommen datenschutzrelevante Aspekte, die man ebenfalls Ernst nehme und berücksichtige.

Schwerpunkt der multidisziplinären Forschungsarbeiten sei aber aufzuzeigen, was prinzipiell möglich ist. Die Gesellschaft sieht Koetse bei dem Thema ohnehin gespalten: "Zum einen rufen die Leute Datenschutz, Datenschutz, Datenschutz und stellen gleichzeitig aber alle ihre Daten auf Facebook. Oder sie haben Angst, dass ihr Körper durch den Einsatz von Elektronik gläsern wird, verwenden aber Messgeräte beim Joggen, die ihren Puls und ihre Route in Echtzeit auf Google Maps stellen." Koetse zufolge werde die Gesellschaft sich im Laufe der Zeit ihre Grenzen erst erarbeiten müssen.

Auch für Lebensmittel-Verpackungen interessant
Bis dahin werden derartige Systeme neben dem Einsatz in Wellness- und Sport-Anwendungen vor allem aber auch im Lebensmittelhandel verstärkt zum Einsatz kommen. Ein auf einer Packung angebrachter Temperatur- und Zeitsensor könnte das aufgedruckte Ablaufdatum obsolet machen und verhindern, dass noch gute Lebensmittel fälschlicherweise im Müll landen. Sorgt der Konsument oder der Händler jedoch nicht für eine entsprechende Kühlung, könnte die Packung schon vor dem eigentlichen Ablaufdatum Alarm schlagen.

Als Manko für die Verbreitung derartiger Systeme gilt derzeit noch der Preis. "Damit solche Systeme für Einzelverpackungen interessant werden, müsste man in den 10-Cent-Bereich kommen. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt", sagt Koetse. Das erklärte Preisziel, um smarte Labels etwa bei hochwertigen Produkten und Großlieferungen anbringen zu können, sind fünf Euro. Klobige Mess-Systeme, die mit aktiven Sensoren ausgestattet sind, kosten derzeit zwischen zehn und 100 Euro.

Mehr zum Thema

  • NFC setzt sich mit oder ohne Apple durch“
  • Technologieforum Euripides findet in Graz statt

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

mehr lesen
Martin Jan Stepanek

Kommentare