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Wissenschaft

Innsbrucker Physiker machen Atome ununterscheidbar

Auch völlig idente Atome können, solange sie sich an verschiedenen Orten aufhalten, unterschieden werden. Wie eine internationale Forschungskooperation unter österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Physical Review Letters" berichtet, hat sie einen theoretischen Weg gefunden, um zwei Atome durch Austausch ihrer Positionen ununterscheidbar zu machen - ohne dass sie sich dabei nahe kommen.

Zwei Atome mit der gleichen Zahl an Kernbausteinen und im gleichen elektronischen Anregungszustand sind absolut identisch. Die einzige Möglichkeit sie zu unterscheiden, sind die unterschiedlichen Orte, an denen sie sich befinden. Bringt man sie aber nahe aneinander oder lässt sie gegeneinanderstoßen, kann es passieren, dass sich danach nicht mehr feststellen lässt, welches Atom welches war. Physiker beschreiben einen solchen Vorgang damit, dass sich die Wellenfunktionen der einzelnen Teilchen, die letztendlich ihren Aufenthaltsort beschreiben, stark überlappen.

Lehrbuchexperiment

Die Innsbrucker Physiker haben nun gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und Kalifornien (USA) einen Weg vorgeschlagen, wie sich dieser Vorgang auch umsetzen ließe, ohne dass sich die beiden Atome dabei jemals nahekommen. Gemäß den Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik ließe sich dabei zwar zu jedem Zeitpunkt feststellen, wo sich jedes einzelne Atom befindet. Führt man die Messung jedoch erst am Ende der Atombewegung durch, sind die ursprünglichen Identitäten nicht mehr feststellbar - die Information ist sozusagen gelöscht.

Im Grunde ist dieser kuriose Effekt allerdings nur ein Nebenprodukt. "Uns ging es darum, ein Lehrbuchexperiment zu entwerfen, um die Austauschphase der Wellenfunktionen von Teilchen einer direkten Messung zugänglich zu machen", erklärt der Hauptautor der Studie, Christian Roos, vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber der APA.

Bosonen und Fermionen

Bei der Austauschphase handelt es sich um eine spezielle Eigenschaft der Wellenfunktionen, die zutage tritt, wenn die Positionen zweier identischer Teilchen vertauscht werden. Sie zeigt einen wesentlichen Unterschied zwischen zwei Klassen von Teilchen auf: während die Austauschphase beim Vertauschen zweier Fermionen negativ ist und sich die gesamte Wellenfunktion verändert, ist sie bei Bosonen positiv und lässt die Wellenfunktion unbeeinflusst.

Das hat zur Folge, dass mehrere Fermionen nicht alle den selben Zustand einnehmen können. Ein Beispiel dafür sind die Elektronen in der Atomhülle, die sich über die zur Verfügung stehenden Orbitale verteilen. Bosonen dagegen können alle in ein und dem selben Zustand existieren und bei tiefen Temperaturen etwa ein Bose-Einstein-Kondensat bilden. Dabei verlieren die Teilchen quasi ihre Identität und bewegen sich im Gleichschritt. Obwohl seit jeher ein fester Bestandteil der Quantentheorie entzieht sich die Austauschphase bisher einem direkten Nachweis.

Zur Umsetzung des neuen, theoretischen Konzepts haben die Forscher bereits zwei konkrete Experimente geplant. Eines an der Universität Bonn, bei dem Atome in einem optischen Gitter wie auf einem Schachbrett entlang unterschiedlicher Wege gehen sollen, und eines in Innsbruck. "Wir wollen hier versuchen, zwei geladene Atome zu vertauschen, die gemeinsam in einer Art Falle eingesperrt sind", erklärt Roos. "Dabei garantiert die abstoßende Kraft zwischen den beiden Atomen, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt zu nahe kommen."

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