James Webb Teleskop: Babyfotos vom Universum ab 2018
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Das James Webb Space Telescope (JWST) wird oft als Nachfolger von Hubble bezeichnet. Das Teleskop, das über einen Hauptspiegel mit 6,5 Meter Durchmesser verfügt, wird von den Raumfahrtorganisationen Europas, Kanadas und der USA (ESA, CSA und NASA) in Kooperation entwickelt und soll einen bislang unerreicht detaillierten Blick ins Universum erlauben.
Das Teleskop ist so leistungsfähig, dass damit sogar einige Planeten in anderen Sonnensystemen direkt beobachtet werden können. Auch die allerersten Galaxien, die im Universum entstanden sind, können mit dem neuen Instrument erstmals beobachtet werden. Die futurezone hat beim ESA-Wissenschaftler Pierre Ferruit nachgefragt, wie die Vorbereitungen für den Start laufen, was sich die Astronomen von den Bildern des neuen Teleskops erwarten und was nach JWST kommen könnte.
Pierre Ferruit:Der Starttermin im Oktober 2018 steht seit fünf Jahren. Derzeit passieren sehr viele Dinge gleichzeitig. Der Primärspiegel, der aus 18 goldbeschichteten Segmenten aus Beryllium besteht, ist vor kurzem zusammengebaut worden. Das war ein Meilenstein für uns. Parallel dazu machen auch alle anderen Elemente Fortschritte.
Gold ist ein exzellenter Reflektor für infrarotes Licht, mit dem das JWST hauptsächlich arbeitet. Die Spiegel sind aus Beryllium, weil das Material sehr leicht ist und sich auch bei minus 230 Grad kaum deformiert.
Was tragen die ESA und Europa zu JWST bei?
Die ESA übernimmt den Transport ins All mit einer Ariane-5-Rakete vom Weltraumhafen Kourou aus. Wir bauen zusammen mit europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zwei Instrumente, MIRI und NIRSpec. Zudem steuern wir 15 Mitarbeiter bei, die am Betrieb des JWST mitarbeiten. Europäische Wissenschaftler bekommen 15 Prozent der Teleskopzeit.
MIRI ist ein Infrarotsensor, der für Bilder, Spektralanalyse und Koronografie - das ist die Analyse der Korona von Gestirnen - verwendet wird. Dazu wird ein Stern mit einer Maske vor dem Sensor abgedeckt, um lichtschwache Objekte in seiner Umgebung sichtbar zu machen. MIRI muss kälter als die anderen Instrumente sein und hat deshalb ein mechanisches Kühlaggregat, das ohne Kühlmittel auf minus 265 Grad kühlt. NIRSpec kümmert sich um einen anderen Teil des Infrarotspektrums und dient als Spektrograph. Das Instrument kann mehrere Zehn bis Hundert Objekte gleichzeitig analysieren. Das ist enorm wichtig, weil Zeit am JWST extrem wertvoll ist und lichtschwache Objekte stundenlange Belichtungszeiten erfordern.
Wie wird JWST mit Strom versorgt?
Wir nutzen Sonnenenergie. Das hat den Vorteil, dass keine Hitzequelle mitgeführt werden muss. Für JWST ist es essenziell, dass so wenig Hitze wie möglich abgestrahlt wird, um die empfindlichen Instrumente nicht zu stören.
Sind die Temperaturunterschiede im All ein Problem?
JWST befindet sich im Schatten eines Sonnenschilds, der so groß wie ein Tennisplatz ist. Es muss einen 6,5 Meter Spiegel samt Instrumenten beschatten und trägt die Photovoltaikelemente. Der Sonnenschutz besteht aus fünf dünnen Folien, die durch Vakua getrennt sind. Auf der Sonnenzugewandten Seite betragen die Temperaturen 80 Grad Celsius, auf der Teleskopseite minus 230.
Wie lange soll JWST im Einsatz sein?
Alles an JWST ist auf mindestens zehn Jahre Laufzeit ausgelegt.
JWST wird den zweiten Lagrange-Punkt (wo sich die Schwerkraft von Sonne und Erde aufheben, Anm.) umkreisen. Der liegt von der Sonne aus gesehen hinter der Erde und kreist mit dieser um die Sonne. Dadurch befinden sich Erde, Sonne und Mond vom Teleskop aus immer hinter dem Sonnenschild, damit die Instrumente nicht gestört werden. Es dauert ein paar Monate, dorthin zu gelangen. Um die Umlaufbahn zu halten, müssen hin und wieder Steuerdüsen eingesetzt werden, weil Sonnenwind und Strahlungsdruck den Orbit beeinflussen.
Können Updates oder Reparaturen vorgenommen werden, wie es bei Hubble der Fall war?
Reparaturen und Updates sind für JWST keine Option. L2 ist weit weg und das Design von JWST ist nicht für Änderungen ausgelegt. Deshalb gibt es auch so viele Tests: Weil alles funktionieren muss.
Die Erdatmosphäre schluckt einen Teil des Infrarotlichts, im All haben wir freie Sicht. Das Licht der ersten Galaxien, die entstanden sind, ist zudem rotverschoben, liegt also im Infrarot-Spektrum. Das ist eines der Ziele: Die allerersten Galaxien sehen. Infrarotes Licht wird kaum von Gas und Staub im All absorbiert. So können wir auch in Gebiete sehen, in denen Sterne entstehen.
Exoplaneten werden auch öfter als lohnende Ziele genannt.
Über Exoplaneten wussten wir nicht viel, als die Planung für JWST in den 90er-Jahren begonnen hat. Jetzt ist das eine große Sache. Im Infrarotspektrum lassen sich die Atmosphären solcher Planeten hervorragend analysieren. Die Atmosphären blockieren einen Teil des Lichts, was einen Bestimmung der enthaltenen Atome und Moleküle durch Spektroskopie erlaubt. Diese "Fingerabdrücke" im Infrarotbereich sind gut für den Nachweis von Wasser, Stickoxiden oder Methan geeignet.
Wie werden die Bilder aussehen?
JWST kann auch den roten Teil des sichtbaren Lichts erfassen. Die Bilder werden ähnlich aussehen, wie die Hubble-Bilder, nur besser aufgelöst. JWST liefert dieselbe Schärfe im Infrarotbereich wie Hubble im sichtbaren Spektrum.
JWST kann bis zur dunklen Periode des Alls zurückblicken, bevor es Licht gab. Wird das als dunkle Wand sichtbar?
Wir können mit JWST das Ende der dunklen Periode des Weltalls sehen. Den Anfang aber nicht, weil wir ja Licht brauchen. Die dunkle Phase des Weltalls wird nicht wirklich als Barriere in den Bildern auftauchen, weil so viele Dinge zwischen JWST und der dunklen Ära liegen. Egal wo wir hinschauen, es gibt überall Sachen zu sehen. Wenn wir scheinbar leeren Raum ins Visier nehmen und lang genug schauen, werden wir dort etwas sehen.
Werden wir Planeten direkt sehen können?
In einigen Fällen ja. Bei der Koronographie ist die Schwierigkeit, das gleißende Licht des Sterns auszublenden. Wenn wir das machen, können wir nur Planeten entdecken, die weiter weg von ihrem Stern sind. Direkte Bilder von Planeten werden wir hauptsächlich in relativ erdnahen Sonnensystemen machen können. Mehr als ein Punkt wird auf den Bildern aber nicht zu sehen sein.
Kann JWST Exoplaneten indirekt nachweisen?
JWST wird im Gegensatz zu Missionen wie Kepler (die sich auf weit entferte Objekte konzentrieren, Anm.) auch Planeten in erdnahen Systemen nachweisen können, wenn sie an ihrem Mutterstern vorbeiziehen und dessen Helligkeit dadurch schwankt. Ein Planet, der eng um seinen Stern kreist ist mit höherer Wahrscheinlichkeit beim Transit zu beobachten. Wir können so aber nur einen Bruchteil der Planeten entdecken, weil wir das Glück haben müssen, dass der Orbit in der richtigen Ebene liegt.
Aus europäischer Sicht wird es so schnell nichts mit JWST vergleichbares geben. Es gibt aber zumindest Ideen für ein noch größeres Weltraumteleskop. Angedacht ist, wieder zum sichtbaren Spektrum zurückzukehren. Wir müssen uns ansehen, was die wichtigsten wissenschaftlichen Fragen sind und uns dann überlegen, wie ein Observatorium aussehen müsste, um sie zu beantworten.
Kann ein Teleskop je Details auf einem Exoplaneten erkennen?
Mit der übernächsten Teleskopgeneration werden wir mehr Planeten als mit JWST direkt sehen können. Detailaufnahmen sind aber noch weit weg, Planeten werden auf absehbare Zeit maximal als Punkt auf den Bildern zu erkennen sein. Detailaufnahmen lassen sich mit einen einzelnen Teleskop vermutlich gar nicht realisieren, auch wenn es keine theoretischen Hürden gibt. Das Zusammenschalten mehrerer Teleskope wäre vielleicht ein möglicher Weg.
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