Experiment

Keine Laptops, Smartphones oder Tablets im Hörsaal

Bent Sørensen traute seinen Augen nicht. Da hatte der Philosophieprofessor an der Wirtschaftsuniversität Kopenhagen eigens einen hochkarätigen Konsulenten in seine Vorlesung eingeladen, doch etliche seiner rund 60 Studenten wussten etwas Besseres mit ihrer Zeit anzufangen. „Ich setzte mich für den Vortrag unter die Studenten. Und direkt vor mir schrieb einer ungeniert E-Mails und tat sich auf Facebook um.“ Und das wäre ja noch angegangen, aber: „Nicht nur störte es den Studenten gar nicht, dass ich das mitbekam, er war nicht der einzige. Etliche andere waren ebenfalls im Internet anderweitig beschäftigt.“

Was tun gegen Langeweile?

Die erste Reaktion des Philosophieprofessors war begreiflicherweise Ärger. Dann wurde er - wie es sich für einen Philosophen ja gehört - nachdenklich. „Diese Generation von Studenten ist mit allzeit griffbereiten Laptops, Smartphones und Tablets aufgewachsen. Klar hat sie ein anderes Verhältnis dazu als wir Lehrer.“

Für Mada Belu, eine von Sørensens Studentinnen, ist Surfen im Web während der Vorlesung schlicht eine Bewältigungsstrategie. „Wenn’s zu langweilig wird oder ich etwas nicht kapiere, dann greife ich eben zum Laptop oder zum iPhone.“ Nur etwa zehn Prozent der Zeit, die die Studentin während einer Vorlesung im Internet verbringt, habe tatsächlich mit Lerninhalten zu tun.

Diese subjektive Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen einer jüngsten Beobachtungsstudie der Universität des Saarlandes: Die Forscher gingen sozusagen „under cover“ in Vorlesungen der populären Fächer Betriebswirtschaft, Erziehungswissenschaft und Informatik. Von 600 Studenten nutzte der Großteil den Computer für so genannte vorlesungsferne Tätigkeiten.

Ein radikales Experiement

Fade Vorlesungen gehören zum Studienalltag. Manchmal liegt’s am Inhalt, manchmal an der Präsentation, manchmal an beidem. Frühere Generationen von angeödeten Studenten kritzelten vor sich hin. Doch das lenkt nicht so sehr ab wie die virtuelle Welt. Ist man in diese einmal abgetaucht, findet man den Weg so schnell nicht wieder zurück. Hier mehrere Mails, dort ein paar Likes, dazwischen der eine oder andere Chat, - und schon ist die Vorlesung fast vorbei, ohne dass man auch nur peripher zugehört hat.

Philosophieprofessor Bent Sørensen entschloss sich zu einem radikalen Experiment. Nämlich: Keine Laptops oder Tablets mehr in seiner Vorlesung. „Wir waren schon sehr überrascht“, erzählt sich Mada Belu. Denn so etwas hatte bisher noch nie ein Professor verlangt. „Einige Laptops wurden nur außerordentlich langsam und widerwillig zugeklappt“, erinnert sich Bent Sørensen. Auch Smartphones waren verboten. Wer Nachrichten checken wollte, würde dafür den Hörsaal verlassen müssen. „Es war schon interessant, dass das keiner gemacht hat“, meint der Philosophieprofessor. Sein Schluss daraus: „Studenten treffen nicht bewusst die Wahl, ja, jetzt gehe ich auf Facebook oder schaue nach, wer mir gemailt oder getextet hat. Sie machen das meist unbewusst. So wie andere sich vielleicht am Rücken kratzen. Es ist unsere Aufgabe, diese unbewussten Entscheidungen bewusst zu machen.“

Diskussion im realen statt im virtuellen Raum

Bent Sørensen nahm sich selber vom Laptop-Verbot nicht aus. Das bedeutete nun auch: keine Powerpoint-Präsentationen. Statt dessen notierte er wichtige Punkte mit der Kreide auf der Tafel. Diese – vergleichsweise - Steinzeitmethode hatte jedoch auch ihr Gutes: „Früher habe ich in Prüfungsessays immer meine eigenen Formulierungen vom Powerpoint-Text statt der eigene Gedanken meiner Studenten gefunden.“

Viele - wenn auch nicht alle - Studenten, bewerteten das Experiment auf den Evaluierungsfragebögen als gelungen. Mada Belu gefiel gerade, dass die Möglichkeit zur Ablenkung eliminiert war. So kam sie erst gar nicht in Versuchung. Außerdem förderte Sørensen inhaltliche Debatten der Studenten untereinander. „Wir wurden dadurch eine engere Gruppe“, so die Studentin. „Wir diskutierten viel mehr miteinander als früher. Als Gemeinschaft hat uns das gut getan.“

Skeptiker des Experiments gibt es freilich überall, unter den Studenten sowie unter den Kollegen. „Einige haben mich als Maschinenstürmer bezeichnet“, so der Professor. Das Experiment führte nun aber dazu, dass sich die Universitätsleitung nun erstmals mit Gebrauch bzw. Missbrauch von Technologie im Hörsaal befasst. Denn: „An den wenigsten Universitäten macht man sich Gedanken darüber, wie man damit eigentlich umgehen soll.“

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Madeleine Amberger

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