Doppelte Belichtung des kreativen menschlichen Gehirnmikrokreises mit Handeingabe auf Computertastatur im Hintergrund. Zukunftstechnologie und KI-Konzept - Stock-Fotografie

Doppelte Belichtung der kreativen Mikroschaltung des menschlichen Gehirns mit Handeingabe auf der Computertastatur im Hintergrund. Zukunftstechnologie und KI-Konzept

© Igor Kutyaev/ gettyimages

Science

Institut von KI-Pionier Hochreiter kündigte in Wien 20 Forscher

Sepp Hochreiter ist ein weltweit anerkannter Forscher im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Er hat in den 1990er-Jahren die Grundlagen für Deep Learning geschaffen, die Basis für Sprachmodelle wie ChatGPT. Noch arbeitet er in Österreich. Doch was ihm hier fehlt, ist: Geld für die Grundlagenforschung. Im Gespräch mit der futurezone erklärt Hochreiter, dass er vor kurzem 20 hochrangige KI-Forscher*innen aus aller Welt kündigen musste, die für ihn in Wien gearbeitet haben - und zwar ganz konkret am Institute of Advanced Research in Artificial Intelligence (IARAI).

Hochreiter ist Geschäftsführer, Mitgründer und einer der Science-Leader am IARAI. „Ich habe für die Wiener Forschungseinrichtung ursprünglich die besten KI-Forscher*innen aus aller Welt nach Wien geholt. Es sind vor allem Expert*innen im Bereich Deep Learning, sie kamen aus China und Südamerika. Jetzt musste ich 20 von ihnen kündigen, weil wir einfach kein Geld mehr haben für die Grundlagenforschung“, sagt Hochreiter im Gespräch mit der futurezone. Die KI-Forscher*innen hätten sofort neue Jobs gefunden, so Hochreiter, unter anderem in Deutschland und Frankreich, aber für die Forschung in Österreich sind sie nicht mehr verfügbar.

Sepp Hochreiter ist angesehener KI-Forscher an der JKU Linz

Austrias ChatGPT "macht Spaß"

Am IARAI Institut habe man „ähnliche KI-Forschung in den Bereichen Verkehr und Mobilität“ betrieben wie an der Johannes Keppler Universität (JKU) in Linz, an der Hochreiter Professor ist. „Austrias ChatGPT entstand halb am IARAI und halb an der JKU“, so Hochreiter. „Austrias ChatGPT“ ist ein Sprachmodell, das so ähnlich wie die beliebte Anwendung ChatGPT von Open AI werden soll. Was Hochreiter dafür allerdings fehlt, sind vor allem Gelder, um die KI-Systeme mit einer ausreichenden Rechenleistung trainieren zu können.

„Austrias ChatGPT ist ein Projekt mit hohen Erfolgsaussichten. Es macht richtig Spaß und es geht etwas voran“, so Hochreiter. „Wenn es allerdings nicht bald konkrete Zusagen für Gelder gibt, könnte es sein, dass auch dazu in Deutschland oder Großbritannien weiter geforscht wird“, sagt der Wissenschaftler. Man erzielte bei der Entwicklung derzeit laufend kleinere Erfolge, sei aber noch am Beginn der Forschung. „Wir haben einen mathematischen Trick angewandt, durch den es möglich ist, mit weniger Rechenleistung mehr Daten durchzubringen, um leichter auf das Level von ChatGPT zu kommen“, so der KI-Forscher. Einen Prototypen gebe es aber noch nicht.

Wieviel Geld gibt es für KI-Grundlagenforschung?

Für KI-Grundlagenforschung waren in Österreich laut der KI-Strategie im Jahr 2021 7 Millionen Euro vorgesehen. Zum Vergleich: Deutschland hat bereits 2018 eine eigene KI-Strategie entwickelt und einem Bericht von ORF.at zufolge seither mit 5 Milliarden Euro 100 KI-Professuren in 5 Jahren aufgebaut.

Im Herbst 2022 haben die drei Agenturen aws, FFG und FWF unter dem Titel „AI Mission Austria (AIM AT)“ allerdings noch eine zusätzliche, gemeinsame Förderinitiative gestartet. Insgesamt sind dadurch 12 Millionen Euro pro Jahr an Geldern vorgesehen. Davon fließen allerdings nicht alle Fördergelder in Grundlagenforschung, sondern auch in anwendungsorientierte Forschung sowie in Forschung in Unternehmen. Für Grundlagenforschung sind davon 1,9 Millionen Euro vorgesehen, die vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF vergeben werden.

Der FWF hat für KI-Forschung im Zeitraum 2013 bis 2022 etwa 130 Forschungsprojekte mit einem Umfang von über 40 Millionen Euro gefördert, wie eine Anfrage der futurezone ergab. Die Projekte stammen dabei in Teilen oder zur Gänze aus dem KI-Grundlagenbereich.

Unterfinanziert, nicht nur im Bereich KI

Seitens des FWF sieht man, dass Österreich im europäischen Vergleich, sowohl beim direkten Vergleich mit „Innovationsleadern“, als auch mit dem „europäischen Durchschnitt“ feststellen kann, dass projektfinanzierte Grundlagenforschung „unterfinanziert“ ist. Das gelte allerdings nicht nur für KI-Forschung, sondern für Grundlagenforschung generell, heißt es.

Erst vergangene Woche hatte Hochreiter Besuch vom Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) erhalten, der viel Potenzial in KI sieht. „Es war ein sehr freundliches, wertschätzendes und konstruktives Gespräch, aber es gab keine konkrete Zusage von Forschungsgeldern“, sagt Hochreiter dazu.

"Handlungsbedarf", aber nichts Konkretes

Nachgefragt im Staatsekretariat für Digitalisierung hieß es auf futurezone-Anfrage, dass man im Ausbau von KI-Grundlagenforschung für Universitäten „Handlungsbedarf“ sehe. „Wir sehen die Notwendigkeit, dass Universitäten mehr Rechenleistung benötigen. Hier gilt es, die Lücke zu schließen“, so die Antwort aus dem Staatssekretariat. Auf einen konkreten Zeitraum oder eine konkrete Summe wollte man sich nicht festlegen. „Es wurde Unterstützung zugesagt“, heißt es hingegen vage.

Hochreiter gab gegenüber der futurezone an, „laufend" Projekte beim FWF einzureichen. 2023 habe er einen umfangreichen „Cluster of Excellence“-Antrag eingereicht, der jedoch abgelehnt wurde. Seitens des FWF hieß es dazu: „Der Antrag war auch in der Endauswahl. Sein COE-Antrag mit dem Titel „Bilaterale Künstliche Intelligenz“ und einem Antragsvolumen von rund 20 Millionen Euro wurde auch von der internationalen Jury als exzellent eingestuft, konnte jedoch wegen massiver Überzeichnung des für die Cluster of Excellence zur Verfügung stehenden Budgets nicht bewilligt werden.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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