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Wasserkraft

Kraftwerk Ybbs: Ein Blick unter die Staumauer

Ein 25 Meter langer dunkler Schacht führt zum Grund der Maschine 7 beim Südufer des 53 Jahre alten Donaukraftwerks Ybbs-Persenbeug hinab. Bei der Fahrt nach unten im auf sechs Personen zugelassenen Korb riecht es modrig. Kein Wunder, schließlich wird der Schacht nur rund alle sechs Jahre im Zuge einer Revision geöffnet. Bei einer solchen Revision werden das Innenleben des Wasserkraftwerks untersucht und technische Mängel behoben. Dieses Mal dauert die Revision länger als sonst. Der 1996 eingebaute Maschinensatz 7 mit einer Kaplan-Rohrturbine wird im Zuge des Projekts "Ybbs2020" rundum erneuert.

Modernisierung bis 2020
Bis 2020 investiert der Kraftwerkseigentümer Verbund 144 Millionen Euro, um das Laufkraftwerk in Ybbs um 4,5 Prozent effizienter als bisher zu machen - das entspricht dem Jahresstromverbrauch von rund 17.000 Haushalten. Dazu werden auch die übrigen sechs Maschinen, die bereits vor 53 Jahren gebaut wurden und seither bereits rund 400.000 Arbeitsstunden in Betrieb waren, dem aktuellen Stand der Technik angepasst. "Statt mit Diamanten wird das Kraftwerk mit Brillianten ausgestattet", erklärt Karl Heinz Gruber, technischer Vorstand der Verbund Hydro Power AG.

Neben den Turbinenlaufrädern werden auch die Generatoren, Transformatoren sowie die Hochspannungskabel und die Leistungsschalter getauscht. Die sechs vertikalen Kaplanturbinen werden maschinell modernisiert, der Ausbaudurchfluss wird von derzeit 2650 m3/s auf 2800 m3/s erhöht. Auch die Laufräder werden optimiert und bekommen statt fünf künftig nur noch vier Schaufeln. Um während der Modernisierungsarbeiten, die erst im Winter 2014 starten werden, keine Erzeugungsverluste hinnehmen zu müssen, wird derzeit die jüngste Maschine 7 auf Vordermann gebracht.

Generatorenraum als Kernstück
Beim Südufer der 460 Meter langen Staumauer in Ybbs-Persenbeug bei Stromkilometer 2060,42 ist derzeit der Schacht zur Schleuse, durch den normalerweise zur Stromerzeugung die Wassermassen gewirbelt werden, zugänglich. Durch einen kugelförmigen Generatorenraum und mehreren meterhohen, senkrecht montierten Leitern, geht es nach unten - zum Ursprung des durch Wasserkraft erzeugten Stroms.

An dem Ort angekommen - einem nach Fäulnis stinkenden, gigantisch großen Raum, der enorm hallt (der Abstieg über mehrere ungesicherte Leitern und Luken war dafür erforderlich), fühlt man sich beklemmt. Der Gedanke, dass sich direkt dahinter die Schleuse mit den Wassermassen der Donau befindet, geht einem nur schwer aus dem Kopf. Die Fallhöhe des Wassers von der Staumauer beträgt in Ybbs-Persenbeug 10,6 Meter, hier stürzt das Wasser mit voller Wucht auf die Schaufelräder der Turbinen.

Gigantisches Laufrad
Die an die Turbinen angeschlossenen Drehstrom-Generatoren erzeugen dann den Strom. Dieser wird im Transformator von 8 kV (KiloVolt) auf 110 kV hochgespannt. Nicht so während der Revision. Derzeit ist auch das 7,5 Meter große Laufrad zugänglich.

Auch direkt vor dem gewaltigen Laufrad, das direkt hinter den Generatoren liegt, hofft man, dass sich das Rad nicht plötzlich in Bewegung setzt. Die Dimensionen des Laufrads lassen sich nur schwer in Worte fassen - so klein kommt man sich vor, wenn man direkt davor steht. Durch das Rad werden normalerweise bis zu 500 m3/s geschaufelt. "In der Regel sieht man als Außenstehender nur die 460 Meter lange Staumauer und nicht, was sich dahinter verbirgt", sagt Florian Seidl, Mediensprecher des Verbunds.

Fernsteuerung über Freudenau
Ein paar Meter oberhalb des Laufrads liegt der Raum im klassischen 1950er-Jahre-Stil, in dem derzeit der Stator-Ring der Maschine 7 erneuert wird. Wie ein Werksmitarbeiter erläutert, dauert dies rund 4,5 Monate. Im Februar 2013 soll der Stator-Ring wieder betriebsfertig sein. Derzeit laufe alles nach Plan. Die Steuerungszentrale selbst ist nur noch in Notfällen (wie z.B. bei Hochwasser) besetzt, im Regelfall wird das Kraftwerk von Freudenau aus ferngesteuert. Wenn das Kraftwerk nicht gerade rundumerneuert wird, arbeiten zudem nur noch 20 Mitarbeiter direkt am Standort Ybbs-Persenbeug. Früher, als es noch mehr analoge Handgriffe gab, waren es rund 200.

EU-Gelder für Fischwanderhilfe
Das Kraftwerk Ybbs-Persenbeug ist mit einer Leistung von 236,5 MW das viertstärkste Donaukraftwerk in Österreich. Die 144 Millionen Euro schwere Erneuerung des Kraftwerks wird kostenmäßig vollständig vom Verbund getragen. Doch für ebenfalls bis 2020 umzusetzende Umweltprojekte gibt es auch EU-Fördergelder. Im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie der EU wird am Standort Ybbs-Persenbeug eine Studie durchgeführt, welche Art der "Fischwanderhilfe" für die Gegend am sinnvollsten sei. Bisher gebe es für Fische nämlich keine Möglichkeit (außer auf eher unfreiwilligem Weg durch die Schleuse) der Donauströmung zu folgen und das Kraftwerk zu passieren. "An das hat man in den 1950er-Jahren einfach nicht gedacht", so Seidl.

Beim Lokalaugenschein konnte man beobachten, wie sich Wasservögel rechtzeitig vor der Schleuse in Sicherheit brachten. Allerdings traten sie den Weg flußaufwärts gleich zweimal fliegend an: Beim ersten Mal nahmen sie scheinbar die Gefahr nicht sofort wahr. "Kraftwerke sind immer Eingriffe in die Natur. Wir müssen daher damit behutsam umgehen und die ökologischen Kriterien beachten", erklärt Ulrike Baumgartner-Gablitzer, das für Wasserkraft zuständige Vorstandsmitglied der Verbund Hydro Power AG.

Wasserkraftwerke zum Besichtigen:
Das Donaukraftwerk Wien-Freudenau, das wie Ybbs-Persenbeug zu den 123 Wasserkraftwerken des Verbunds gehört, verfügt über ein eigenes Besucherzentrum, in dem es neben Historischem auch Details zur Stromerzeugung per Wasserkraft zu sehen gibt.

Im hauseigenen Verbund-Blog "flow" gibt es zudem weitere Informationen zum Ursprung des Stroms und dem Kraftwerk Freudenau.

 

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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