© Monash University/futurezone

Science

Künstliche Embryo-Vorläufer helfen beim Erkennen von Erbkrankheiten

Die Vereinigung einer Samen- und einer Eizelle kennzeichnet den Beginn einer embryonalen Entwicklung. Die befruchtete Eizelle teilt sich – nach wenigen Tagen bildet sich die sogenannte Blastozyste als Quelle embryonaler Stammzellen heraus. Nach ihrer Einnistung in der Gebärmutterschleimhaut beginnt die Schwangerschaft. Zwei Forschungsteams haben einen derartigen menschlichen „Zellball“ nun künstlich erzeugt – und zwar ohne Befruchtung.

Ausgangspunkt für die Forscher der Monash University in Australien waren menschliche Hautzellen. Diese wurden so umprogrammiert, dass sie in ihr Stammzellstadium zurückversetzt wurden. Daraus wurden in einer Zellkultur embryonale Zellen zu einer dreidimensionalen Struktur ausgebildet, die einer Blastozyste ähnelt. Diese Gebilde nennen sich „induzierte Blastoide“ (iBlastoide). Wissenschafter der University of Texas haben zur gleichen Zeit embryonale Stammzellen anstatt Hautzellen zur Erzeugung von „humanen Blastoiden“ genutzt. 

iBlastoide mit Zellfärbung

Krankheiten erkennen

Ein Embryo könnte jedoch weder aus humanen noch aus iBlastoiden entstehen. Denn den Zellhaufen fehlen elementare Bestandteile wie die Eihülle („Zona pellucida“) und sie entwickeln sich dreimal langsamer als Embryonen. Was sich die Forscher primär erhoffen, ist, mithilfe von Blastoiden Erbkrankheiten zu bekämpfen oder den Einfluss von Giftstoffen und Viren in der frühen Embryonalentwicklung zu untersuchen.

"Bei 40 bis 50 Prozent der befruchteten Eizellen wird diese eingestellt“

Heinz Strohmer, ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrums an der Wien

Laut Heinz Strohmer, ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrums an der Wien, könnten die Blastoide auch dazu dienen, ein weitverbreitetes Problem besser zu verstehen: „Wir wollen erfahren, warum es bei manchen Paaren nicht zu einer geordneten Entwicklung von Blastozysten kommt. Bei 40 bis 50 Prozent der befruchteten Eizellen wird diese eingestellt“, sagt er gegenüber der futurezone. Aktuell verstehe man nur ansatzweise, welche Probleme dabei entstehen können. 

„Es gibt auch einzelne Gene bei Frauen, die eine Mutation aufweisen und diesen Frauen die Möglichkeit nehmen, schwanger zu werden. Alle Embryonen bleiben also in der Entwicklung stecken und wachsen nicht.“ Hier habe man die Möglichkeit, in die Eizelle ein bestimmtes Protein einzufüllen, sodass sie sich zu einer Blastozyste entwickelt. „Man kann also im Eizellstadium schon eine Art Medikament in die Eizelle einfüllen“, so der Fachmann. Getestet werden könnten solche Medikamente künftig ebenfalls an Blastoiden.

Pregnant woman embracing her belly

Symbolbild

Untersuchungen

Auch müsste man zu Forschungszwecken künftig nicht mehr auf begrenzt verfügbare, durch künstliche Befruchtung erzeugte Embryonen zurückgreifen, die von Paaren gespendet werden, sondern könnte laut den Monash-Forschern Hunderte solcher Zellmodelle im Labor herstellen und genetische oder biochemische Untersuchungen durchführen. Wird das Verfahren optimiert, hätten Blastoide eines Tages auch die Fähigkeit, sich einzunisten. Erste Experimente dazu wurden in Australien bereits durchgeführt, wobei sich einige Blastoide an die zellbesetzte Petrischale angeheftet haben. 

Ethische Fragen

Generell wirft die Entwicklung die Frage auf,  wie derartige Zellstrukturen künftig zu bewerten sind. Obwohl Blastoide nicht als menschliche Embryonen gelten, wurden sie wie solche behandelt: Die Einnistungstests wurden nach viereinhalb Tagen abgebrochen. Generell seien laut  Strohmer aber viele Regeln in der Forschung, die für Blastozysten gelten, auf Blastoiden nicht zwingend anwendbar. Beim Züchten von Hautzellen kommen ethische Bedenken etwa nicht auf. „Wenn ein Brandopfer eine künstliche Haut bekommt, wird sich niemand die Frage stellen, ob das ethisch vertretbar ist.“ Hierzulande ist die Erzeugung solcher Zellstrukturen nicht geregelt. Es sei eine Herausforderung für den Gesetzgeber, solchen rasanten Entwicklungen nicht hinterherzuhinken, sagt Strohmer.

"Ich beginne mit dem Genom eines Menschen, etwa von mir selbst, und erzeuge dann einen eineiigen Zwilling, dem ich als 50-Jähriger beim Aufwachsen zusehen kann"

Heinz Strohmer, ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrums an der Wien

Was Blastoide primär von Blastozysten unterscheidet, ist die Bestimmung der Zellen. „Das Erste, was einen Embryo differenziert, sind jene Zellen, die zu einem Mutterkuchen führen werden – sogenannte Trophoblasten – und die embryonalen Stammzellen. Aus diesen Zellen entwickelt sich ein Kind“, erklärt Strohmer. Sie differenzieren sich weiter und wandern nach oben, nach unten oder seitwärts, woraus sich der Körper nach und nach formt. „Bei Blastozysten haben diese Zellen eine Bestimmung“, so der Mediziner. Blastoiden fehle sie. 

Auch wenn man derzeit noch weit davon entfernt ist und die in den Studien vorgestellten Methoden diesbezüglich unbedenklich sind, könnten auf diesem Weg theoretisch eines Tages auch menschliche Klone erzeugt werden. „Die Entwicklung solcher Blastoide ist in dieser Form etwas noch nie Dagewesenes. Ich beginne mit dem Genom eines Menschen, etwa von mir selbst, und erzeuge dann einen eineiigen Zwilling, dem ich als 50-Jähriger beim Aufwachsen zusehen kann. Ohne Zutun einer menschlichen Ei- oder Samenzelle“, so der Mediziner.

Leben kopieren

1996 haben Wissenschafter das erste Säugetier geklont: das Schaf Dolly, das 7 Jahre alt geworden ist. Seitdem wurden mehr als  zwanzig Tierspezies geklont – darunter Hunde, Schweine, Kühe und Affen. Geklont wird nicht nur zu Forschungszwecken. So lassen viele Tierbesitzer für hohe Geldsummen ihre Haustiere kopieren. Bekannt sind etwa die beiden Hunde von Sängerin Barbra Streisand. Sie bestehen aus dem genetischen Material ihrer im Jahr 2017 verstorbenen Hündin. 

Ein solcher Kopiervorgang hat seit dem Schaf Dolly beim Menschen aber noch einige Jahre in Anspruch genommen. So haben 2013 Wissenschafter der Oregon Health and Science University eine Art Embryo-Klon erzeugt. Zur Anwendung kamen Hautzellen von Kindern. Die Kernelemente wurden dabei  Eizellen eingepflanzt. Mithilfe von Nährflüssigkeiten wuchsen in der Folge in Kulturschalen Embryonen heran. 

Aus diesen Embryonen hätten rein theoretisch Babys entstehen können, die zu jenen Kindern identisch gewesen wären, von denen die Hautzellen stammten. Aus ethischen Gründen wurde das Experiment aber 7 Tage später wieder abgebrochen. Ziel der Forschung war es vielmehr, Organe zu bilden, die einem kranken Kind eingesetzt werden könnten. Doch auch solche medizinischen Eingriffe werfen ethische Fragen auf.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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