Mit Crowdfunding zum Fusionsreaktor
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Bei Lawrenceville Plasma Physic wird schon seit einigen Jahren an der Energieerzeugung mit Kernfusion geforscht. Ein funktionierender Reaktor könnte unbegrenzt kostengünstige und absolut saubere Energie liefern, die Technologie gilt aber schon seit Jahrzehnten als das “nächste große Ding”, bislang hat aber kein Experiment mehr Energie abgeworfen, als hineingesteckt wurde. Firmengründer und Forschungschef Eric Lerner behauptet, einem funktionierenden, Energie liefernden Fusionsapparat näher zu sein, als jedes andere Projekt auf dem Planeten. Einen Teil des des Geldes, das er für einen Abschluss seiner Arbeit braucht, will der Wissenschaftler über eine Crowdfunding-Kampagne einsammeln.
Was den Forscher von anderen Aposteln der günstigen, preiswerten Energie unterscheidet, sind Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften und das zumindest vorübergehende Interesse der US-WEltraumbehörde NASA und einigen renommierten Wissenschaftlern. Kritiker gibt es selbstverständlich auch. Zu entscheiden, ob Lerner schaffen kann, woran so viele andere gescheitert sind, bleibt potenziellen Crowdfunding-Geldegebern überlassen. Ernst meinen tut es der US-Forscher jedenfalls. Die futurezone hat den Wissenschaftler zu seinen Fusions-Experimenten und der aktuellen Crowdfunding-Aktion befragt.
futurezone: Sie behaupten, kurz vor dem Beweis zu stehen, dass kostengünstige Fusionsgeneratoren im Kleinformat möglich sind. Wie soll das funktionieren?
Eric Lerner: Wir setzen auf die sogenannte “Dense Plasma Fusion”- Technik. Dabei wird aus leistungsfähigen Kondensatoren ein extrem kurzer, starker elektrischer Puls über konzentrische Elektroden entladen. Das geschieht in einer luftleeren Kammer, in der der Brennstoff - derzeit Deuterium - in Gasform vorliegt. Die Ladung ionisiert das Gas auf ihrem Weg entlang der Elektrode zu Plasma. Am Ende der Elektroden entsteht durch die Form der Apperatur, die elektrischen Entladungen und natürliche Verwirbelungen im Plasma ein sogenannter Plasmoid, eine Region, in der das Plasma so weit verdichtet und erhitzt wird, dass für extrem kurze Zeit (rund 10 Nanosekunden, dh. 10 Milliardstel einer Sekunde, Anm. d. Red.) Fusionsprozesse ablaufen.
Was ist der Vorteil gegenüber anderen Fusions-Experimenten?
Wir brauchen keine Vorrichtungen, um das Plasma einzudämmen. Das geschieht normalerweise in einer aufwändigen Fusionskammer, einem sogenannten Tokamak, mit extrem starken Magnetfeldern. Zudem entsteht bei unserer Technik kaum gefährliche radioaktive Strahlung, kurz nach dem Experiment kann der Versuchsraum betreten werden. Der größte heute existierende Tokamak in England, braucht für einen Versuch rund zehn Milliarden Joule, wir brauchen dazu lediglich 100.000 Joule, also 100.000 mal weniger Energie. Unser Ziel sind kleine Fusionsapparate mit etwa fünf Megawatt Leistung, die eine dezentrale Energieversorgung erlauben.
Das klingt zu gut, um wahr zu sein.
Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht, aber laut unserer Theorie und den daraus folgenden Berechnungen sollte es möglich sein, einen funktionierenden Apparat zu bauen.
Die Idee ist nicht neu. Warum hat sich bislang niemand an der Technik versucht?
Wir sind bei weitem nicht die einzige Firma, die mit “Dense Plasma Fusion”-Geräten arbeitet. Rund 45 Gruppen verwenden ähnliche Geräte. Wir arbeiten eng mit anderen Wissenschaftlern zusammen, insgesamt gibt es rund 2.500 Publikationen über das Gerät.
Die nötigen Temperatur und Reaktionsdauer können wir in unserem Testgerät bereits erzeugen, jetzt müssen wir noch an der Dichte des Plasmoids arbeiten. Die ist derzeit noch um den Faktor 10.000 zu gering.
Wie wollen Sie das beheben?
Die Kupfer Elektroden, die wir derzeit einsetzen, verdampfen und verunreinigen so das Plasma. Die Materialunebenheiten stören zudem die Mantelwellen, in denen die Ladung über die Elektroden laufen. Dadurch sind sie nicht mehr symmetrisch, wodurch das Plasma nur ungenügend komprimiert wird. Das wollen wir mit Wolfram-Elektroden beheben, das erst bei deutlich höheren Temperaturen verdampft. Wir erwarten diese neuen Elektroden für August. Damit können wir die nächste Phase starten.
Warum haben SIe nicht schon früher auf Wolfram gesetzt?
Die Elektroden müssen aus einem Stück gefertigt sein. Das braucht viel Zeit, auch wenn sie nur 30 mal 15 Zentimeter messen. Das ist für Wolfram, das extrem schwierig zu verarbeiten ist, schon ein großes Werkstück. Solche Sonderanfertigungen sind sehr teuer.
Sie erwarten eine 10.000-fache Erhöhung der Plasma-Dichte durch den EInsatz von Wolfram?
Wir erwarten, durch die Beseitigung der Unreinheiten im Plasma mit den Wolfram Elektroden eine hundertfache Verbesserung. Durch den Einsatz des schwereren Bor-Wasserstoff-Gemischs anstelle von Deuterium erwarten wir eine höhere Kompression. Damit verbessert sich die Dichte nochmals um den Faktor 10. Die letzte Verzehnfachung wollen wir durch eine Steigerung der Stromstärke von 1,4 auf 2,8 Megaampere erreichen. Dadurch sollten wir die angestrebte Dichte sogar übertreffen.
Derzeit nutzen wir Deuterium in unseren Versuchen, um das Design unseres Geräts zu optimieren. Deuterium ist billig und es gibt einen enormen Erfahrungsschatz mit dem Material. Zudem werden bei der Reaktion Neutronen freigesetzt, die wir als Thermometer verwenden können, das passiert bei Bor-Wasserstoff fast nicht mehr. Wenn wir Bor-Wasserstoff verwenden wollen, brauchen wir nochmals andere Elektroden, diemal aus Beryllium, da starke Röntgenstrahlung entsteht, die das Wolfram angreifen würde.
Wie soll in ihrem Generator Energie gewonnen werden?
Bei unserer Reaktion verschmelzen im Plasmoid Protonen, also ionisierte Wasserstoffkerne, mit Bor-Kernen. Die entstehenden C12-Kerne, zerfallen sofort in Helium-Kerne. Die Masse-Differenz wird nach Einsteins e=mc2 als Energie frei, die zum Großteil in Form von kinetischer Energie in den Helium-Kernen vorliegt, also als Alpha-Strahlung, die wir mit einem Teilchen-Entschleuniger in Elektrizität umwandeln können. Ein Umweg über Dampf ist nicht nötig. Ein Teil der Energie wird auch in Form von Röntgenstrahlung abgegeben, die wir mit einer Art Photovoltaik-Element einfangen.
Sie behaupten, dass diese Technik wesentlich schneller und kostengünstiger Resultate liefern kann, als Tokamak-Projekte wie ITER, die mit Milliardenbeträgen gefördert werden.
Insgesamt brauchen wir voraussichtlich etwa eine Million Dollar, um unsere Theorie zu beweisen. Damit hätten wir noch keinen Prototypen, sondern lediglich eine Labor-Demonstration. Das können wir in zwölf bis 14 Monaten schaffen.
Sie sagen schon seit einigen Jahren, dass Sie kurz vor dem Durchbruch stehen. Warum heben sie bislang keinen Erfolg?
Wir haben 2008 gehofft, in drei Jahren erfolgreich sein zu können. Wir haben aber weniger Mittel bekommen als erwartet. Dadurch, dass es länger gedauert hat, das Geld aufzutreiben, ist die Arbeit viel langsamer vorangegangen. Zu wenig Geld heißt weniger Personal, weniger produktive Diskussionen, die zu neuen Ideen führen.
Wo stehen Sie derzeit finanziell?
Wir haben drei Millionen Dollar an Förderung bekommen, was uns auf sechs Jahre ein Budget von einer halben Million Dollar gesichert hat. Das reicht nicht aus, weshalb wir für unser finales Jahr eine Million sicherstellen wollen.
Ein Projekt, das bei Erfolg die Energieprobleme der ganzen Welt lösen kann, sollte sich doch vor Förderungen kaum retten können. Sie haben für ihre Arbeit früher sogar Gelder von der NASA bekommen...
Das US-Energieministerium hat vor vielen Jahren die Entscheidung getroffen, die Forschungsmittel im Fusions-Bereich auf Tokamak-Projekte zu fokussieren. Andere Apparate werden seither nicht mehr in Erwägung gezogen. Bis auf einen einzigen Geldgeber, die Abell Foundation aus Baltimore, sind derzeit alle Sponsoren Privatpersonen.
Wenn ihr Ansatz so vielversprechend ist, müssten Sie doch eine Menge Experten als Fürsprecher haben.
Wir haben vier angesehene Forscher, darunter Robert Hersh, den ehemaligen Forschungschef des Energieministeriums, eingeladen, unsere Anlage zu besichtigen. Der Tenor war, dass unser Projekt deutlich höhere Zuwendungen erhalten sollte. Wissenschaftler treffen solche Entscheidungen aber leider nicht.
Was ist mit potenten privaten Investoren?
Wir haben mit vielen reichen Investoren verhandelt, die unser Projekt im Alleingang finanzieren könnten, aber nur negative Antworten erhalten. Wir haben immer gehört ‘Kommen Sie mit einem funktionierenden Prototypen zurück’. Wenn ich einen solchen hätte, müsste ich nicht mühsam um Mittel betteln.
Wir haben gesehen, dass andere Forschungsprojekte so Erfolg hatten und versuchen das jetzt auch. Fusionsenergie betrifft jeden, das Versprechen ist immerhin günstige, saubere Energie für alle. Das macht unser Projekt zum idealen Kandidaten für Crowdfunding.
Einige Crowdfunding-Projekte haben wenig Hoffnung auf eine Realisierung. Ich denke da an die Beschichtung von Straßen mit Photovoltaik-Elementen, die vor kurzem für Aufsehen gesorgt hat. Ist die Finanzierung über Crowdfunding schlecht für das Image ihrer Unternehmung?
Bei Solar Roadways und anderen Projekten gab es viele Gründe, warum sie nicht funktionieren können. Wir haben eine solide Theorie, die auf Elektromagnetismus, Quantenmechanik und Erkenntnissen aus der Plasma-Physik fußt. Wir haben von Beginn an Wert darauf gelegt, solide Wissenschaft in Fachzeitschriften mit Peer-Review zu betreiben.
Warum wollen Sie “nur” 200.000 Dollar bei Indiegogo erreichen?
Wir wollten ein realistisches Ziel setzen. 200.000 Dollar bringen uns nicht ans Ziel, aber es sollte reichen, um die Beryllium-Elektroden zu beschaffen, die wir brauchen.
Zur Person:
Eric Lerner ist ein US-Forscher und Wissenschafts-Autor, der des öfteren mit kontroversen Ansichten auffällt. Er hat unter anderem ein Buch geschrieben, das gegen die Urknall-Theorie argumentiert und ist des öfteren als Polit-Aktivist aufgefallen, zuletzt bei den Occupy-Protesten in den USA.
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