Man kann den Kindern auch mit mobilen Smartphone-Experimenten Beschleunigung erklären, wie Christian Reimers im futurezone-Gespräch erklärt.
Man kann den Kindern auch mit mobilen Smartphone-Experimenten Beschleunigung erklären, wie Christian Reimers im futurezone-Gespräch erklärt.
© KURIER/Gerhard Deutsch

Interview

Mit Lern-Apps Kinder für Naturwissenschaften begeistern

Christian Reimers ist Astrophysiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien sowie ICT-Consultant und Software-Entwickler für diverse Plattformen. Er sitzt beim mLearning-Wettbewerb von Samsung in der Jury und wird über die schlausten Ideen für Lern-Apps mitentscheiden und erklärt im futurezone-Gespräch, was man im Bereich Naturwissenschaften mit Lern-Apps bei Kindern bewirken kann.

futurezone: Sie als E-Learning-Experte müssen das wissen: Haben Lern-Apps wirklich einen Effekt auf den Lernerfolg?
Christian Reimers: Ja, aber nur, wenn sie wirklich sinngemäß eingesetzt werden. Bei Serious Games gibt es häufig kontroversielle Meinungen über den Lerneffekt. Man darf diese nicht nur verwenden, um Scores zu erreichen, ohne dass die Kinder dabei nachdenken müssen. Kinder sind sehr flink im Verstehen und Umsetzen von Lernstrategien und irgendwann ist das keine Herausforderung mehr für sie und sie spielen intuitiv drauf los.

Es ist daher notwendig und sinnvoll, wenn man den Schülern mit den Lern-Apps Herausforderungen mit gibt und Challenges einbaut während des Spiels, durch die sie nachdenken müssen. Das unterbricht zwar eventuell den Spiele-Fluss, aber sie müssen selbst draufkommen, wie es weitergehen kann und sich mit einem Problem auseinandersetzen und dieses lösen.

Kann man mit Lern-Apps Kinder einfach für Naturwissenschaften begeistern?
Lern-Apps sind hier gut, um die Neugierde zu wecken. Sie kommen bei den Kindern recht gut an und sind cool, auch wenn es um komplizierte naturwissenschaftliche Hintergründe geht. Diese sind es gewöhnt mit Tablets umzugehen, und wenn es einen sinnvollen Hintergrund hat, sind Eltern in der Regel auch mehr gewillt, den Kindern mehr Zeit mit den Geräten einzugestehen.

Sie sagen mit Lern-Apps lässt sich die Neugier der Schüler wecken. Wie genau funktioniert das?
Im Physik-Unterricht ginge das anhand eines „mobilen Experiments“ folgendermaßen: Da zeigt man den Schülern in einem Videoclip, wie ein Experiment abzulaufen hat und welche Materialien dafür notwendig sind. Dann führen sie diese Experimente mit den echten Materialien oder mit einer Lern-App durch. Dann verstehen Schüler oft viel besser, warum man bestimmte Naturgesetze braucht und was diese im Alltag bewirken.

Am Ende gibt es noch ein interaktives Wissensquiz, bei dem man den Schülern spielerisch erklärt, wann das Naturgesetz entdeckt wurde und durch wen. Man hat etwa ein kleines Wissensquiz, ähnlich wie die Millionenshow nur ohne Joker. Die Kinder haben direktes Feedback, ob ihre Antwort richtig ist.

Lern-Apps sind im Bereich der Naturwissenschaften also eine sinnvolle Ergänzung?
Wenn wie auch ohne Lern-Apps das Konzept des forschenden Lernens eingesetzt wird, ja. Beim forschenden Lernen wird ein kompletter Forschungsprozess nachgebildet, jeder Schüler soll in dem Prozess aktiv tätig sein.

Wie funktioniert das im Unterricht genau?
Man fängt mit einer Frage zum Experimentieren an. Dann werden Daten gesammelt, aufgearbeitet und analysiert. Die Daten müssen außerdem interpretiert und diskutiert werden, das ist ein kollaborativer Prozess, bei dem die Kinder in Teams arbeiten, in denen jeder eine klare Rolle hat. So wird ein Forschungsteam simuliert. Am Ende werden die Ergebnisse präsentiert. In jeder dieser Phase können Lern-Apps eingesetzt werden. Eine Untersuchung kann etwa ein Experiment im Labor sein, oder eine Simulation am iPad. Es gibt z.B. Lern-Apps mit interaktiven Simulationen wie dem elektrischen Schaltkreis. Damit lassen sich elektrische Bauteile in Stromkreis zusammen anordnen und dann sieht man, ohne das etwas kaputt geht, wie der Stromkreis funktioniert und was mit den Lampen und anderen Bauteilen passiert.

Also man kann Physik-Experimente ergänzen, oder interaktive Simulationen durchführen. Was noch?
Wir hatten ein Projekt namens „Physik im Prater“. Da sind Schulklassen in den Wiener Prater gegangen mit iPhones und anderen Smartphones und haben damit die Beschleunigung aufgezeichnet beim Hochschaubahnfahren. Dadurch haben sie gelernt, was Beschleunigung bedeutet. Im Unterricht wurden diese Erlebnisse dann aufgearbeitet, ausgewertet und interpretiert. Man bekommt mit Smartphone-Sensoren gute Ergebnisse.

Ein anderes Beispiel ist die Lern-App GeoGebra. Damit lassen sich geometrische Probleme praktisch interaktiv in zweidimensionalem Raum skizzieren. Man kann schauen, was mit Winkeln und Längen passiert und das kann dann die Basis für weitere Untersuchungen sein.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gute Lern-App aus?
Das kommt drauf an, was man möchte. Die App muss einerseits fachlich korrekt sein und so umgesetzt, dass sie benutzerfreundlich und mit einem Touchscreen gut zu bedienen ist. Außerdem muss ein pädagogisch didaktischer Hintergrund vorhanden sein.

Lehrer wollen solche Apps, die in ihren Lehrplan hineinpassen. Vor allem Themen, die im Lehrplan vorkommen, sind gefragt. Darum muss bei jeder Lern-App eine gute Beschreibung dabei sein, für welchen Zweck, für welchen didaktisch-pädagogischen Rahmen und für welche Schulstufen die App geeignet ist.

Wer sollte das Ihrer Meinung nach festlegen? Der Entwickler selbst?
Am besten wäre eine Entwicklung, bei der ein ganzes Team aus verschiedenen Institutionen mitarbeitet. Auf der einen Seite die Fachdidaktik-Zentren, die sich mit Lehrplänen gut auskennen. Die inhaltlichen Inputs kommen dann von Wissenschaftlern und Lehrkräfte, die schauen, ob die Inhalte benutzerfreundlich aufbereitet werden, damit die Kinder damit arbeiten. Dann braucht es noch die, die die App programmieren können. So ein „Vierer“-Team wäre ideal. Es braucht also Expertise von verschiedenen Stellen.

Also keine einfache Aufgabe...
Der Anspruch an Lern-Apps ist höher als der bei normalen kommerziellen Apps, ja.

Gibt es schon genug Apps, die diesen Kriterien gerecht werden?
Die man empfehlen kann, kann man einer Hand abzählen. Gerade bei Gratis-Apps kann man viele nicht empfehlen, weil sie Werbung beinhalten und daher für den Schuleinsatz nicht so geeignet sind. Es gibt Aufholbedarf bei Lern-Apps, die den inhaltlichen und technischen Maßstäben entsprechen. Gerade am deutschsprachigen Markt ist da noch viel zu tun.

Wie lassen sich derartige Projekte finanzieren?
Ohne Förderungen wird es nicht gehen. Es braucht Projektförderungen von verschiedenen Förderstellen. Wir haben unsere Lern-Apps, die frei zur Verfügung gestellt sind, im Team entwickelt und über EU-Projekte finanziert. In anderen Fällen – ohne finanzielle Unterstützung - sehe ich wenig Erfolg.

Einige der Apps, die Reimers erwähnt hat, sind auf der Plattform "Virtuelle Schule" zu finden.

Der Technologie-Konzern Samsung sucht in Österreich bei einem mLearning-Wettbewerb Ideen für innovative Lehr- und Lernunterlagen, digitale Spiele und Lernsoftware für Tablets und Smartphones. Der Wettbewerb spricht alle Lehrer und pädagogischen Mitarbeiter über 18 an, die in Österreich arbeiten. Noch bis zum 27. Mai 2015 können Ideen eingereicht werden, die Preisverleihung findet Ende Juni in Wien statt. Eine Fachjury sucht die besten Einreichungen aus.

Digitale Kompetenzen fördern

Lern-Apps sollen unter anderem die digitale Medienkompetenz der Schüler fördern. Digitale Fähigkeiten der Schüler geben diesen jedoch nicht nur mehr Selbstbewusstsein, sondern sind ein wichtiger Baustein für ihre Zukunft, weil sie auch im Berufsleben stark nachgefragt werden. „Wir schlagen mit unserer Initiative eine Brücke zwischen dem, was die Schüler in ihrer Ausbildung an den Schulen lernen und den Bedürfnissen ihrer zukünftigen Arbeitergeber in der Wirtschaft“, sagt der Samsung-Österreich-Chef Stuart Kang, der mit Jahresbeginn die Führung des Österreich-Geschäfts bei Samsung Electronics übernommen hat.

Eingereicht werden können Ideen in zwei Hauptkategorien und mehreren Unterkategorien. Einerseits werden Ideen für innovative Lernunterlagen gesucht, andererseits Ideen für Lernsoftware und ein digitales Spiel für Tablets und Smartphones. Die Unterkategorien widmen sich den Bereichen Sprach- und Leseförderung, forschendes Lernen, Förderung von Kreativität und spielbasiertes Lernen. Die Sonderkategorien widmen sich dem fächerübergreifenden, schulformenübergreifenden, schulstufenübergreifenden und schulübergreifenden Unterricht.

Preise

Zu gewinnen gibt es Preise im Gesamtwert von 50.000 Euro. Darunter als Hauptpreis die Ausstattung einer Schulklasse mit einem smarten Klassenzimmer sowie als zweiten Preis die Produktion der entwickelten Lern-App für Android-Smartphones. In Österreich gibt es bereits 16 Tablet-Klassen, die mit der smarten Technik von Samsung ausgestattet sind.

Mobiler Unterricht bietet enorme Möglichkeiten, sehr individuell auf die Persönlichkeit, Kenntnisse und Bedürfnisse der einzelnen Schüler einzugehen und so bessere Lernergebnisse zu erzielen“, ergänzt Kang.

Disclaimer: Dieser Artikel entstand in einer Kooperation mit Samsung.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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