Wassernetze
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Technik

Nebelfängernetze sollen Wüste erblühen lassen

Abel Cruz Gutíerrez ist ein Fänger des Nebels. Er will, dass die Wüste grün wird - mit Wasser, das hier nahe der peruanischen Stadt Tacna aus dem oft wabernden Nebel gewonnen wird. Er will, dass Kartoffeln, Mais, Zwiebeln, Tomaten und Oliven geerntet werden. Dass Meerschweinchen hier mit Alfalfasprossen und Klee ernährt und als Wüsten-Delikatesse an Märkte im ganzen Land verkauft werden. Gegrilltes „Cuy“ ist in Peru ein Nationalgericht.

Im März allerdings wurde der Andenstaat vom Klimaphänomen „Küsten-El-Niño“ gebeutelt - mit verheerenden Überschwemmungen. Der Pazifik war fünf Grad wärmer als normalerweise um diese Jahreszeit. Wegen der stärkeren Verdunstung kam es zu heftigen Regenfällen, Flüsse wurden zu reißenden Strömen und brachten durch das mitgezogene Geröll die Trinkwassergewinnung für Lima zum Kollabieren.

Trocken

Aber: Viel Regen ist in der Gegend eigentlich eine Ausnahme, vielerorts wird Landwirtschaft immer schwieriger. Auch gegen die immer wieder herrschende Wassernot in Perus Hauptstadt Lima sieht Abel Cruz in seinen Nebelnetzen eine Lösung, gerade für eine bessere Wasserversorgung in Armenvierteln. Auch in Lima gibt es oft Nebel.

Abel Cruz ist Träumer und Kämpfer zugleich. „Wasserzugang ist ein Menschenrecht, unsere Regierung ignoriert das“, kritisiert er. Er weiß aus seiner Kindheit, wie schwer es war, Wasser zu bekommen: lange Wege, viel Schlepperei. Im Jahr 2005 hat er die Bewegung „Peruaner ohne Wasser“ gegründet und ist ihr Präsident. Allein in Lima hätten hunderttausende Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser, sagt er.

Mit dem Flugzeug geht es von Lima nach Tacna an der Grenze zu Chile, dann rund 230 Kilometer nordwestlich die Panamericana hoch. Eine Straße wie ein Strich, immer durch die Wüste hindurch. Nach einer rasanten Abfahrt in eine Talmulde ist das Dorf Pampa Colorada erreicht - eigentlich kein Dorf, nur einige provisorische Hütten zum Übernachten für die Bauern gibt es. Es ist ein verwegenes, fast utopisch anmutendes Projekt mitten in der Wüste. Der Name „Pampa Colorada“ heißt übersetzt „rote Pampa“. Bisher ist es hier ziemlich braun.

Landwirtschaft

„Wir wollen die Wüste grün machen, wir setzen auf organische Landwirtschaft, um unsere Produkte in die Welt zu exportieren“, sagt Abel Cruz. Es würde nicht verwundern, wenn der gnadenlose Optimist auch noch verkündet, hier Wassermelonen und Zitronen anbauen zu wollen. „Warum unterstützt der Staat dieses Projekt nicht?“ In Zeiten des Klimawandels müsse man doch jeden Strohhalm ergreifen. Im Januar sind im benachbarten Chile wegen der Trockenheit bei den schlimmsten Waldbränden in der Geschichte des Landes über 500 000 Hektar Wald- und Agrarland verbrannt, die Andengletscher schmelzen rasant.

Was ins Auge fällt in Pampa Colorada, sind Dutzende grüne Netze, meist 20 Quadratmeter groß, befestigt an Holzgestängen. Damit wird hier, wo es so oft und so viel Nebel gibt, der Nebel aufgefangen, von den Netzen tropft das Wasser in offene Halbrohre am Ende der Netze und fließt in große Wasserbehälter. „Ich habe gute Nachrichten. Die australische Botschaft will ein Projekt von uns unterstützen“, sagt Gutíerrez bei einem Treffen mit den Bauern. Die klatschen. Wieder ein paar Tausend US-Dollar Hoffnung. Und der Rotary Club im amerikanischen Pittsburgh will über 200 Filter spenden, damit das mit den Netzen aufgefangene Wasser als Trinkwasser genutzt werden kann.

Unregelmäßig

„Niemand hat an unser Projekt geglaubt und jetzt haben wir hier schon ein paar Pflanzen, die ersten Schritte zu Landwirtschaft.“ In einem Armenviertel Limas hat der 53-Jährige ebenfalls ein Netzprojekt. Es hat genauso wie das Projekt hier in der Wüste einen großen Haken: Zwar mangelt es in Peru keineswegs an Nebel - aber es gibt auch lange Phasen ohne ihn.

Franklin Cauna Huilca (30) ist der Verwalter der Comunidad. Rund 200 grüne Netze gibt es bereits. Im Hintergrund rauschen Autos über die Panamericana. „60 bis 80 Liter Wasser pro Tag gibt es eigentlich fast immer.“ Mit größeren Netzen würden auch teilweise rund 140 Liter geschafft. Pause. „Wenn wir Nebel haben.“ Vor allem im Sommer, von Dezember bis Ende März, gibt es fast nie Nebel - bei zugleich sengender Hitze. Da gehen die wenigen Pflänzchen schnell ein. Ohne große Wasserspeicher, die für eine Bewässerung auch in nebelfreien Zeiten sorgen, bleibt die Vision genau das: eine Vision. Es wirkt ein bisschen wie die Anfänge der Solarenergie - im Winter unter wolkenverhangenem Himmel produzieren die Panels vielfach kaum Strom. Erst durch immer bessere Speichertechnologien gelang es, immer mehr Wohnhäuser das ganze Jahr über verlässlich mit Solarstrom zu versorgen.

Speicher

Rund 300 Parzellen könnten in Pampa Colorada auf einer Fläche von acht Kilometern Länge bewirtschaftet werden - aber es wären pro Parzelle bis zu 50 Netze nur für die Wasserspeicher notwendig, erklärt Huilca. Sie müssten von April bis zur nächsten nebelfreien Zeit im Dezember so viel Wasser auffangen, dass es für den gesamten Sommer reicht. Das wäre vielleicht möglich, ist aber teuer: Rund 500 Soles (140 Euro) kostet ein Netz und man braucht große Wasserbehälter sowie ein Kanalsystem. Und der Wind hat schon so manchen „Nebelfänger“ zerstört - die grünen Fetzen wehen hin und her. Mit spanischer Hilfe gibt es ein 30 Netze umfassendes Pilotprojekt, das nur zum Wassersammeln dient. In die weißen Tanks, in die das Wasser von den Netzen fließt, passen jeweils 1000 Liter.

Viele Bewirtschafter wohnen in Dörfern der Umgebung oder in der Stadt Moquegua und kommen zum Arbeiten her. Philamena Mamani Tapia (56) war von Anfang an dabei. Seit drei Jahren bewirtschaftet sie eine Parzelle, rund 90 Pflanzen hat sie bisher gezüchtet. Stolz kniet sie vor ihrem ersten Feigenbusch. „Aber es ist ein Kampf im Sommer, bisher lässt sich kein Geld verdienen.“

Verschmutzt

Ihr Bruder Cristobal Mamani Tapia (49) hat die Parzelle Nr. 73, fünf Hektar groß. „Wenn es richtig viel Nebel in der Nacht gibt, sind beide Fässer voll“, sagt er und zeigt auf die Behälter, die je 100 Liter fassen. „Wir haben hier den Boden untersuchen lassen und es wurde gesagt, die Bedingungen sind gut, gerade auch für Oliven.“ Er ist vom Titicacasee in der Region Puno hierhin gesiedelt, weil dort das Land gar nicht mehr zu bewirtschaften war. „Bald will ich auch Oregano pflanzen.“

Eigentlich gebe es viel Wasser in Peru - dank der Anden. „Aber die Regierung kümmert sich nicht um Bewässerungssysteme für die trockenen Gegenden, sie kümmert sich nur um die Ausbeutung der Minen.“ Dadurch würden zudem die Flüsse kontaminiert. „Gold und Silber kann man nicht essen“, sagt Mamani. „Irgendwer muss sich doch darum kümmern, dass wir auch in Zukunft genug zu essen haben.“ Er vertraut auf den Optimismus von Abel Cruz. Fest steht allerdings: Die Fänger des Nebels haben bis zu blühenden Landschaften noch einen weiten Weg vor sich.

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