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Open-Source-Sessel aus dem Computer

"Sessel braucht jeder", sagt Greg Saul. "Aber jeder hat andere Körpermaße und andere Anforderungen an einen Sessel". Für den aus Neuseeland stammenden Industrial Designer lag es nahe, nach Möglichkeiten zu suchen, wie sich Stühle individuell entwickeln und produzieren lassen. Gemeinsam mit dem japanischen Design-Projekt JST ERATO entwickelte der aus Neuseeland stammende Industrial Designer die quelloffene Software SketchChair.

Einfaches Interface
Mit dem intuitiv zu bedienenden Programm können Stühle nach den eigenen Vorstellungen entworfen und auch auf ihre Stabilität getestet werden. Mithilfe eines Dummys lassen sich die Sessel "probesitzen" und an spezifsche Körpermaße, Situationen und Umgebungen anpassen. Das Ergebnis ist ein Bauplan in Form eines digitalen Files. Der kann an eine CNC-Maschine geschickt werden, die schließlich die einzelnen Teile der Sitzunterlage produziert. Sie müssen dann nur noch zusammengesetzt werden. Online-Dienste wie etwa Ponoko oder 100k Garages stellen die Gegenstände aus digitalen Vorlagen auch auf Bestellung her oder helfen bei der Suche nach CNC-Herstellern.

Tausch von Designs
Die Nutzer spielen bei SketchChair nicht nur beim Entwurf der Produkte eine zentrale Rollen. Sie können ihre Entwürfe auch auf eine Web-Plattform laden, mit anderen tauschen oder deren Vorlagen bearbeiten. Dabei ist auch an ein Spendensystem gedacht. Wenn etwa vorhandene Entwürfe verwendet und schließlich über Herstellern produziert werden, soll es für die Nutzer eine Möglichkeit geben, die Designer dafür zu vergüten. "Wenn die Produkten von den Leuten Wert beigemessen wird, werden sie dafür auch etwas geben."

Breites Spektrum an Entwürfen
Das Spektrum der Entwürfe ist breit und reicht von einfachen Sesseln, über Lehnstühle und Hocker bis hin zu Liegen und Schaukelstühlen. Die Material- und Herstellungskosten eines einfach gehaltenen Sessels, der mit SketchChair entworfen wird, belaufen sich laut Saul auf rund 110 Dollar (rund 88 Euro). Das liege aber auch daran, dass beim Hersteller noch viel an manueller Tätigkeit anfällt, sagt der Industrial Designer: "Wir arbeiten daran es billiger zu machen. Die Kosten spielen eine große Rolle."

Open Design
Die Einbeziehung der Nutzer beim Entwurf von Produkten und die individuelle Produktion mittels digitaler Herstellungsmethoden wie CNC-Fräsen,  Lasercutter oder 3D-Printer haben in den vergangenen Jahren unter der Bezeichnung Open Design von sich reden gemacht. Open Design, das die Philosophie von Open Source Software auf physische Gegenstände anwendet, habe ein großes Potenzial, ist Saul überzeugt.

"Weil Wissen geteilt wird, werden die Herstellungsprozesse zugänglicher ", sagt der Designer, der vergangene Woche bei einem Symposium zu Open Design in Linz zu Gast war: "Damit kann jeder Dinge produzieren und es entstehen auch neue Perspektiven auf die Entstehung von Produkten." Daneben würden auch lokale Besonderheiten, die in massenproduzierten Produkten keinen Platz haben, wieder in die Objekte einfließen.

Crowdfunding
Finanziert wurde das Projekt über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Rund 600 Leute zahlten insgesamt fast 31.500 Dollar ein. Dafür bekamen sie - je nach eingezahltem Betrag -  Miniaturen oder lebensgroße Sessel und konnten die Entwicklung des Projekts verfolgen und die Software testen.

"Die Reaktionen waren sehr positiv",  erzählt Saul. Das Projekt sei nicht nur auf das Interesse von Designern gestoßen. "Viele Leute sind begeistert, weil sie Teil des Entstehungsprozesses von Produkten werden." Das Programm kam auch schon bei Workshops mit Kindern zum Einsatz. "Sie haben vor allem mit dem Dummy gespielt", erzählt Saul. Der sei dabei auch öfters vom Sessel gefallen: "Die Leute lernen sehr viel über den Designprozess, wenn sie die Software verwenden."

Suche nach einem Geschäftsmodell
Wie sein Design Studio mit SketchChair auch Geld verdienen kann, weiß Saul noch nicht. "Wir sind keine guten Geschäftsleute, ich bin aber überzeugt, dass es ein Geschäftsmodell gibt." Vorstellbar sei etwa, dass Hersteller einen bestimmten Prozentsatz des Kaufpreises von mit dem Programm hergestellten Produkte an SketchChair überweisen.

Die Frage, wie mit digitalen Designvorlagen Geld verdient werden könne, werde künftig viele Designer betreffen, sagt Saul: "Der Download von Entwürfen gewinnt an Bedeutung." Entwürfe würden zunehmend von Nutzern bearbeitet und mit digitalen Herstellungsmethoden lokal produziert.

Einfach zu bedienende Programme, mit denen die Vorlagen bearbeitet werden können, seien für die neuen Formen der Produktion und Entwicklung unverzichtbar. Sie müssten die Besonderheiten der verwendeten Materialien und des Produktionsprozesses berücksichtigen. Mit SketchChair ließen sich deshalb auch nur Stühle entwerfen, meint Saul. "Die Software muss genau auf eine Produktgruppe zugeschnitten sein. Sie ist Teil des Design-Prozesses."

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Patrick Dax

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Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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