Smart City: "Geschäftsmodell darf nicht zielgerichtete Werbung sein"
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Das Internet hat unser Leben grundsätzlich verändert. „Es gab viele positive Effekte“, sagt Christopher Frauenberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Wien, im Gespräch mit der futurezone. „Doch es gab auch sehr viele negative Entwicklungen. Die Monetarisierung privater Informationen ist zur Hauptgeschäftsstrategie von Unternehmen geworden. Das große Geschäftsmodell des Internets beruht auf der Verbindung von Informationen, um damit im Zuge von zielgerichteter Werbung Geld machen zu können.“
Es wäre fatal, wenn dieses Geschäftsmodell auch auf das Internet der Dinge übertragen werden würde, so der Experte. „Smart Home und Smart City würden viele zusätzliche Daten anbieten. Wenn man diese Daten ähnlich verwenden würde wie bisher, dann wären die Konsequenzen noch um einiges schlimmer. Das wäre dystopisch und wir würden uns ungeahnten Manipulationen aussetzen“, so die eindeutige Warnung.
Es geht um Macht
Frauenberger beschäftigt sich jedoch vor allem mit den positiven Seiten und damit, wie neue Technologien wie das Internet der Dinge Menschen ermächtigt, anstatt sie zu manipulieren. „Smarte Technologie verschiebt Machtverhältnisse“, so Frauenberger. Darüber wird er auch beim 3. IoT-Fachkongress von Austrian Standards, der am 23. Oktober in Wien stattfinden wird, sprechen.
Ein konkretes Beispiel aus einem Smart-City-Projekt eines Anbieters in Salzburg: Sensoren messen dort in Wohnungen im Raum das Klima und die Temperatur und die Heizung wird direkt, angepasst an die jeweilige Wohlfühltemperatur der Bewohner, aus der Ferne gesteuert. So sollen alle einen Beitrag zur Energieeffizienz leisten. „So etwas kann gut oder schlecht gemacht sein“, meint Frauenberger.
Mitbestimmung von Anfang an
„Menschen haben immer das Recht und Bedürfnis, ihre Lebensumstände mitzubestimmen. Durch das Internet der Dinge wird der Verhandlungsraum verschoben. Doch genau diese Räume müssen offenbleiben. Die Hausbewohnerinnen und -bewohnermüssen sich mit dem Energielieferanten hinsetzen und miteinander verhandeln können“, fordert Frauenberger.
Technologie dürfe nicht über Menschen „drübergestülpt“ werden, wie es jetzt meistens passiert. „Menschen müssen bei der Gestaltung von Technologie mitreden können“, sagt Frauenberger. Am Beispiel der Heizung, die aus der Ferne gesteuert werde, müsse man diese Dinge vorher zur Disposition stellen und sich noch vor der Entwicklung der technischen Lösung gemeinsam Gedanken darüber machen, wie diese aussehen könnte. „Im IoT-Bereich gibt es wenig Best-Practice-Beispiele“, sagt Frauenberger.
Erste Schritte
Doch bei Städten gibt es durchaus Vorbilder. Mit Barcelona gibt es etwa eine Stadt, die auf Open Data setzt sowie auf Transparenz bei Verträgen. „Das ist ein wichtiger, erster Schritt, aber Open Data hat seine Grenzen. Wenn Firmen beauftragt werden, muss man immer auch auf die Intention schauen, mit denen sie bestimmte Services anbieten“, so der Forscher. In Wien gibt es mit einem Schwerpunkt auf „digitalen Humanismus“ ebenfalls bereits den „politischen Willen“, sich mit Ethik und Digitalisierung auseinanderzusetzen. „Der politische Wille rund um Inklusion und Fairness ist formuliert und da. Wir haben jetzt noch den Schritt zu tun und uns zu überlegen, wie wir das umsetzen können.“
Doch wie sieht in einer smarten Stadt das Internet der Dinge aus, das wir gerne haben würden? „Genau dazu braucht es eine breit angelegte Diskussion und Räume, in denen wir darüber nachdenken können.“ Dieser Partizipationsprozess kommt dem wissenschaftlichen Forscher oftmals zu kurz. „Man macht stattdessen Dinge, die vermarktbar sind. Doch die Auseinandersetzung mit Menschen sollte von Anfang an zu einer digitalen Neugestaltung gehören.“
Forschungsprojekt
Bis Oktober läuft zudem noch ein Forschungsprojekt namens „Compass“ dazu, bei dem auch das AIT, die Uni Wien, die TU Wien, das Research Institute und die OCG Partner sind. Dabei geht es darum, IoT-Innovationen mit gesellschaftlicher Verantwortung zu verbinden. „Wir sehen, dass im IoT-Bereich ganz viel einem technologischen Opportunismus folgt. Es wird gemacht, was möglich ist. Auf der anderen Seite ist ein starker wirtschaftlicher Treiber vorhanden, der die Monetarisierung der Daten vorantreibt. Wir wollen dem etwas gegenüberstellen“, erklärt Frauenberger die Intention des Projekts.
Ein Teil davon spielt sich in einem kleinen Start-up ab, das Smart-Home-Produkte entwickelt. „Dort geht es darum, rauszufinden, wie man Innovationsprozesse umdenken könnte, um ethische Diskussionen schon bei der Entwicklung mitzuberücksichtigen“, sagt Frauenberger. Ein anderer Teil beschäftigt sich damit, wie man an Unternehmen herangehen muss, um diese auf Ethik-Themen hinzuweisen. „Wir sehen, dass es ein Bewusstsein bei den Firmen für diese Themen gibt, doch auch hier wissen wir noch nicht genau, wie man Willenserklärungen in konkrete, technologische Lösungen übersetzen kann“, sagt der Experte.
Das Projekt, das auch von der FFG gefördert, wird, läuft noch bis Ende Oktober. „Viele Firmen fallen wieder in den technologischen Opportunismus zurück, wenn man nicht sofort Lösungen parat hat. Daran sieht man, dass das Problem viel komplexer ist, als man glaubt.“
IoT-Fachkongress
Der 3. IoT-Fachkongress „Mit Standards in die Zukunft – gemeinsame Innovation im Zeitalter der Digitalisierung“ findet am 23. Oktober 2019 im Austrian Standards Meeting Center in der Heinestraße 38 in Wien statt. Aktuell läuft der Frühbucherpreis – Anwender zahlen bei Anmeldung bis 30. Juni 2019 nur 390 Euro für die Teilnahme.
Tickets sind erhältlich auf der Website von Austrian Standards: www.austrian-standards.at/iot
Die futurezone ist Medienpartner des IoT-Fachkongresses.
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