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Pilotprojekt

Smart Grid im Dorf: Waschen bei Sonnenschein

Der Löwenzahn auf den Wiesen blüht, die benachbarten Nadelwälder duften, die Straßen sind menschenleer. Es ist ruhig und idyllisch. Ab und zu kurvt ein Elektroauto lautlos vorbei, mittags schlägt die Kirchturmuhr. Fast könnte man meinen, die 2500-Seelen-Gemeinde Köstendorf im Flachgau, die nur 25 Kilometer von Salzburg entfernt liegt, wäre eine ganz gewöhnlicher Ort am Lande. Doch der erste Eindruck täuscht. Köstendorf ist, wie auf einer Zusatztafel beim Ortsschild zu lesen ist, eine "Smart Grids Modellgemeinde".

Wie man Intelligenz schaffen kann
Unter einem Smart Grid versteht man ein intelligentes Informationsnetz, das alle Akteure des Energiesystems, also Erzeuger, Speicher und Verbraucher, intelligent miteinander vernetzt. Genau das passiert in Köstendorf. Im Ortsteil Eisbach findet man auf rund 80 Dächern Photovoltaikpaneele, die dazugehörigen Haushalte sind mit Wärmepumpen und intelligenten Stromzählern (Smart Metern) ausgestattet.

Außerdem gibt es rund 36 Elektroautos im Einsatz, die ein Jahr lang kostenlos benützt werden dürfen und danach "gemietet" werden können. "Intelligent" geht es dabei beispielsweise dann zu, wenn die Elektroautos aufgeladen werden oder die Waschmaschine betätigt wird, während die Sonne scheint. Dann kann dabei nämlich auf den selbst produzierten Strom zurückgegriffen werden.

"Kostengünstige Förderungen"
Familie Struber, die örtlichen Besitzer eines Getränkemarkts, ist eines jener Paare, das sich an dem Testprojekt beteiligt. Einer der Hauptgründe für sie: "Die kostengünstigen Förderungen. Die Solaranlage wird rund 20 Jahre halten, nach fünf Jahren rechnet sich der Einsatz bereits", erklärt Josef Struber der futurezone. Eine Anlage mit einer Leistung von vier Kilowatt kostete die Köstendorfer rund 4000 Euro.

"Wir sind ein Gewerbebetrieb mit einem großen Kühlraum, der viel Energie frisst. Wenn wir bis Mittag an einem sonnigen Tag bereits 3000 Watt erzeugen können, hilft uns das enorm", sagt Struber. Mit der Technik habe es bisher keine Probleme gegeben, fügt der Getränkemarkt-Besitzer hinzu, der mit Einsparungen von 200 bis 300 Euro pro Jahr rechnet. "Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Stromrechnung ist aber noch unklar. Wir bekommen die Rechnung erst zum Jahresende."

Trafo-Station verteilt Strom im Ort
Auch Ria Braumann, pensionierte Hauptschuldirektorin, zeigt sich trotz Anfangsschwierigkeiten bei der Installation der Photovoltaik-Anlage vom Pilotprojekt begeistert. "Den Geschirrspüler und die Waschmaschine schalte ich jetzt vorwiegend dann ein, wenn die Sonne scheint. Das sagt mir mein Hausverstand", erzählt Braumann. Am schlauen Stromzähler verfolgt die Pensionistin zudem regelmäßig ihren Stromverbrauch. Wenn einmal ein Köstendorfer Haushalt nicht den gesamten Strom, den seine Solaranlage am Dach erzeugt hat, verbraucht, wird dieser zum regelbaren Ortstrafo weitergeleitet. Dort wird der Strom an diejenigen im Dorf verteilt, die ihn gerade benötigen.

"Von Frau Braumann kann der Strom zum Beispiel zum Wirtshaus wandern. Angebot und Nachfrage werden optimiert", erklärt Michael Strebl, Geschäftsführer der Salzburg AG-Netztochter, die das Vorzeigeprojekt iniitiert hat. "Dadurch wird der Netzbetreiber vom reinen Energieverteiler zum Systemmanager." Das Wirtshaus ist an diesem Tag tatsächlich der Ort des größten Energieverbrauchs im Dorf, denn hier kehren die hungrigen Gemeinde-Besucher zum Mittagstisch ein.

1,7 Millionen Euro Investitionen
Laut Bürgermeister Wolfgang Wagner waren die meisten Einwohner von Anfang an bereit, das 1,72 Millionen schwere Projekt mitzutragen. Für eine Gesamtleistung der Photovoltaik-Anlagen von rund 160 Kilowatt-Peak (kWp) mussten die Bewohner rund 150.000 Euro selbst in die Hand nehmen, die Salzburg AG investierte rund 200.000 Euro, rund 1,23 Millionen wurden vom Klima- und Energiefonds beigesteuert. "Die Summe kam binnen drei Wochen zusammen", sagt Wagner. Die Gemeinde selbst hat die örtliche Hauptschule mit Solarpaneels ausgestattet. "Zirka 95 Prozent des dort erzeugten Stroms wird von der Schule selbst verwendet", erklärt Wagner.

Elektroautos als Zuckerl
Die Gemeinde bietet zudem ein Elektroauto für Sozialdienste sowie Car-Sharing-Zwecke an. Pensionistin Braumann gefällt das Elektroauto-Konzept: "Ich bin bereits 2600 Kilometer damit gefahren. Für kurze Strecken wie einen Besuch in Salzburg ist es ideal. Wir überlegen uns, ob wir ein Elektroauto als Zweitauto anschaffen sollen." Geladen werden die Elektroautos jeweils im eigenen Haushalt, bevorzugt mit dem Strom vom Dach. Dazu wurden intelligente Home-Ladestationen von ElectroDrive Salzburg installiert.

"Den Menschen ist es egal, wann ihr Auto tankt - Hauptsache der Akku ist dann voll, wenn sie es brauchen", sagt der Bürgermeister. "Wir erwarten uns beim Elektroauto einen Boost wie beim Smartphone, nachdem das iPhone auf den Markt gekommen ist. Dazu müssen die Systeme allerdings noch ein wenig attraktiver werden", erklärt Leonhard Schitter, Vorstand der Salzburg AG.

Auch in Salzburg-Stadt wird getestet
Köstendorf ist damit eines von mehreren Leuchtturmprojekten in der Smart-Grids-Modellregion Salzburg. Im Salzburger Stadtteil Taxham entsteht in der Rosa-Hofmann-Straße derzeit eine Wohnanlage, bei der neben einem Energiemanagementsystem auch ein innovatives Car-Sharing-Modell mit vier Elektroautos erprobt wird. Erste Bewohner ziehen dort allerdings frühestens zum Jahresende ein, derzeit ist die Anlage größtenteils noch eine Baustelle. Da das Pilotprojekt Köstendorf ebenfalls erst im März 2013 gestartet ist, ist es für konkrete Erkenntnisse noch zu früh.

Anzutreffen waren neben dem Getränkemarkt-Besitzer beim Vorort-Besuch hauptsächlich Pensionisten, die durch ihre Tagesfreizeit von der Solaranlage am Dach beim Betrieb von Haushaltsgeräten profitieren, denn die Sonne scheint nun einmal nicht abends, wenn Berufstätigte nach Hause kommen. Für diese könnte allerdings die geplante Heimautomatisierung Abhilfe schaffen.

Die Firma Miele bietet beispielsweise neben automatisch steuerbaren Waschmaschinen auch Trockner, Geschirrspüler und in Kürze auch Gefrierschränke an. Auch für das Muffel-Problem der Wäsche, wenn diese zu lange in der Waschmaschine liegen bleibt, gibt es bereits eine Lösung: Die Maschine lässt sich so programmieren, dass es vom Timing her genau passen soll, damit die Wäsche nicht zu lange in der Maschine verweilt. Blöd ist dabei nur eines: Vor die Sonne kann sich nur allzu schnell eine Wolke schieben. "Dann kommt der Strom halt wo anders her", so der Getränkelieferant Struber.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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