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Science

Studie erklärt, warum Zaubertricks funktionieren

Nachdem Criss Angel seinen Zenit (weit) überschritten hatte, wurde es eine Weile ruhig um die Magie. Mittlerweile ist diese Unterhaltungsform aber wieder voll im Trend.

Schwebende Jungfrauen und Entfesselungen haben für das Revival aber wenig beigetragen. Vielmehr war es die sogenannte Mentalmagie. Magier sorgen für Verblüffen, indem sie geistige Nachrichten zur Assistentin übertragen. Obwohl diese Augenbinde und Kopfhörer trägt, ist immer der ein oder andere im Publikum skeptisch – schließlich ist die hübsche Dame im Ballkleid ja Teil der Show.

Sobald aber das Publikum selbst involviert und deren Gedanken gelesen werden, gibt es tosenden Applaus für den Magier. Dahinter steckt meist eine alte, bekannte Technik der Psychologie: Priming. Dabei werden Reize gesetzt, um die Person zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Eine aktuelle Studie befasst sich damit, wie Magier Priming einsetzen.

Vorgeschichte

Um zu verstehen, warum diese Studie wissenschaftlich relevant ist, muss man in die Vergangenheit blicken. Während die Existenz von Priming anerkannt ist, sind es dessen Effekte, beziehungsweise die erfolgreiche Anwendung, nicht. Zumindest nicht aus wissenschaftlicher Sicht. Schuld daran sind einige berüchtigte Studien aus der Vergangenheit.

Eine der bekanntesten ist von 1957, die visuelles Priming behandelte. James Vicary behauptete, mit unterschwelliger Werbung den Verzehr von Coca Cola und Popcorn angekurbelt zu haben. Dazu bekamen über 45.000 Menschen während des Kinofilms Picnic mehrfach die Botschaften „Trinke Coca Cola“ und „Iss Popcorn“ angezeigt. Weil dies nur für eine Dreitausendstel Sekunde sichtbar war, bemerkten es die Kinobesucher nicht. Trotzdem kauften sie im Kino 18 Prozent mehr Cola und 57 Prozent mehr Popcorn.

Die Nachricht über diese Form der Manipulation verbreitete sich, wurde sogar Teil der Populärkultur. In TV-Krimis und Filmen wurden so unschuldige Personen manipuliert, um andere zu töten. In den USA warnte sogar das CIA vor solcher Manipulation. Später stellte sich heraus, dass die Ergebnisse der Studie gefälscht waren. Vicary wollte damit das Geschäft seiner strauchelnden Marketing-Firma ankurbeln.

Auftritt der Magier

Seit Vicarys Studie konnte diese Form des Primings nicht ausreichend wissenschaftlich nachgewiesen werden. Es gab bisher nur kleine Erfolge in Labor-Umgebung, bei dem die Probanden nur aus 2 oder 3 Möglichkeiten wählen konnten.

Mentalmagier schaffen es aber regelmäßig, dass die Person aus dem Publikum aus 52 Karten genau die nimmt, die sie nehmen soll. Deshalb hat Alice Pailhès, die Co-Autorin der Studie, das Priming anhand der Methoden der Magier untersucht.

Karo 3

Ihre Inspiration dazu war der britische Illusionist Derren Brown, sagt sie gegenüber Ars Technica. Sie erklärt seine Technik anhand des typischen Tricks mit 52 Pokerkarten. Brown sucht sich jemanden aus dem Publikum aus, der sich eine Pokerkarte vorstellen soll. Diese Karte wird Brown aus den Gedanken der Person herauslesen. Tatsächlich wird er die Person aber dahinbringen, an die Karo 3 zu denken.

Brown sagt, die Person solle sich die Farbe kräftig und strahlend vorstellen, damit er sie in den Gedankenströmen erfassen kann. Das bringt die Person dazu, an eine rote statt schwarze Karte zu denken. Als nächstes sagt er, die Person solle sich einen Bildschirm darstellen, auf die er das Zeichen der Karte projiziert. Dazu formt er ein Rechteck mit Zeigefingern und Daumen, hält es aber so schräg, dass es wie ein Karo aussieht. Damit denkt die Person an Karo.

Danach sagt Brown, die Person soll an die kleinen Zahlen oben und unten auf der Karte denken. Er zeigt dabei mit dem Zeigefinger auf diese imaginäre Karte in der Luft. Er deutet aber nicht bloß nach oben und unten, sondern malt dabei die Zahl 3 in die Luft. Danach sagt Brown, man solle jetzt zum Abschluss auf die Symbole in der Mitte der Karte denken. Dazu deutet er 3 mal in die Luft und sagt dazu: „hier, hier hier!“ Nach insgesamt 15 Sekunden ist die Performance zu Ende und die Person denkt so gut wie immer an die Karo 3.

Experiment im Kaffeehaus

Pailhès rekrutierte 90 Freiwillige für das Experiment. Die Hälfte sah diesen Trick live, die andere sah eine Videoaufzeichnung davon. Um den Vorwurf einer „Labor-Situation“ vorzubeugen, führte Pailhès den Trick selbst vor und zwar in einem Kaffeehaus. Die Teilnehmer, die das Video sahen, waren ebenfalls im Kaffeehaus, mit Notebook und Kopfhörern.

Danach schrieben die Teilnehmer auf, welche Karte sie gewählt hatten und ob sie das Gefühl hatten, dass sie selbst diese Entscheidung getroffen hatten. Die Illusion von Freiheit ist wichtig für die Tricks, so Pailhès. Denn wenn der Magier dem Publikum das Gefühl gibt, ihm seinen Willen aufgezwungen zu haben, funktioniert der Trick nicht mehr. Pailhès fragte auch, ob die Teilnehmer bestimmte Gesten während der Darbietung bemerkt hatten.

17,8 Prozent der Teilnehmer wählten genau die Karo 3. 38,9 Prozent wählten die Zahl 3, 33,3 Prozent wählten Karo. Nach der Karo 3 wurde die Herz 3 am häufigsten gewählt. Einer Kontrollgruppe wurde ebenfalls ein Video mit dem Trick gezeigt, allerdings ohne die Priming-Gesten. Hier wurde viel weniger oft die Karo 3 und die 3 gewählt. Bei der Wahl von Karo gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe mit und ohne Priming-Gesten.

Unbemerkte Manipulation

Von 16 Teilnehmern, die die Karo 3 gewählt hatten, gaben nur 3 an, den Grund dafür zu kennen. Von 35 Teilnehmern, die die 3 gewählt hatten, gaben nur 7 an, den Grund zu kennen. Und wiederum nur 3 dieser 7 haben die Gesten während des Tricks bemerkt. Alle anderen gaben an, die Karte zufällig gewählt zu haben oder fanden eigene Gründe dafür wie „ich zähle in 3er-Schritten“ und „3 ist meine Lieblingszahl“. Pailhès schlussfolgert daraus, dass die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Menschen oft nicht den wahren Grund für ihre Wahl kennen.

72 Prozent der Teilnehmer gaben an zumindest ein paar der Priming-Methoden erkannt zu haben, unabhängig davon, ob sie die Karo 3 gewählt hatten. Allerdings konnten sie die Gesten nicht genau beschreiben. Pailhès zufolge gab es dabei keinen Unterschied, ob die Priming-Gesten live oder per Video zu sehen waren.

Zuvor nahm sie an, dass diese Gesten bei einer Live-Darbietung besser funktionieren, als bei einem Video. Pailhès war zudem überrascht, dass es überhaupt bei so vielen Teilnehmern funktionierte, da sie keine professionelle Magierin sei und auch sonst keine Auftritte mache. Für sie sei es auch faszinierend gewesen, wie wenig der Menschen tatsächlich bemerkten, dass sie mit diesen Gesten beeinflusst wurden.

Höhere Trefferquote

Natürlich sind 17,8 Prozent zu wenig für einen richtigen Magier. Wenn der nicht 100 Prozent richtig liegt, ist er bald arbeitslos. In diesem wissenschaftlichen Experiment waren die 17,8 Prozent aber viel höher, als wenn die Karo 3 von einer Kontrollgruppe zufällig genannt wurde, die weder Live-Show noch Video gesehen hat.

Richtige Magier bauen eine durchgeplante Show auf. Sie erkennen schon aufgrund ihrer Erfahrung, welche Menschen im Publikum empfänglicher für Manipulation sind. Mit den Tricks davor wird auch schon vorbereitet, dass dann bei diesem Trick das gewünschte Ergebnis herauskommt.

Manipulation von Zeugen

Pailhès will mit den Ergebnissen dieser Studie auf weitere Forschungen aufbauen. Das Ziel ist kognitive Mechanismen, die hinter Priming stecken, zu verstehen. Diese könnten nämlich nicht nur für Mentalmagie genutzt werden, sondern auch um Personen zu schaden. Frühere Studien hätten etwa gezeigt, dass durch subtile Handgesten und andere Priming-Methoden die Aussagen von Augenzeugen manipuliert werden können.

Als Beispiel nennt Pailhès einen Schmuckraub, den der Augenzeuge beobachtet hat. „Wenn ich den Zeugen frage, welchen Schmuck das Opfer getragen hat und nur leicht meinen Finger berühre, ist die Chance sehr hoch, dass sich der Zeuge an einen Ring erinnert – auch wenn es eine Armbanduhr war“, sagt Pailhès.

Wenn man dieses Priming wissenschaftlich belegen kann, kann man zukünftig besser auf solche Gesten achten. Anhand von Videoaufzeichnungen von Gerichtsverhandlungen könnte man etwa feststellen, wenn Zeugen bei der Befragung manipuliert wurden.

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