Walther Parson

Walther Parson

© Gerichtsmedizin Innsbruck / Lorbeg

Science

Wie mit DNA ein Phantombild des Täters erstellt werden kann

Walther Parson spricht von einem „Dogmenwechsel – die DNA nicht für die Identifizierung eines konkreten Täters zu verwenden, sondern dafür, um etwas vorherzusagen: Wo kommt die Person her, die die DNA-Spur hinterlassen hat? Wie alt ist sie? Welche äußerlichen Merkmale hat sie?“ Phänotypisierung nennen es die Wissenschafter, die Medien haben das griffige DNA-Analyse 3.0 dafür kreiert.

Die neue Methode ist vorerst nur in den Niederlanden und Großbritannien erlaubt, befindet sie sich doch noch im Stadium der wissenschaftlichen Forschung. Und da spielt der eingangs erwähnte Forensiker Walther Parson eine zentrale Rolle. Seit 2017 arbeitet er mit seinem Team von der Medizinischen Universität Innsbruck im Rahmen des EU-Projektes Visage (Visible Attributes Through Genomics) daran, mittels DNA-Spuren Phantombilder zu erstellen. Bis 2021 wollen die insgesamt 13 am Projekt beteiligten europäischen Forschungseinrichtungen diese DNA-Analyse so weit entwickeln, dass sie standardisiert eingesetzt werden kann.

Rückblick

1999 war ein 16-jähriges Mädchen in der Nähe eines Asylwerberheims in Nordholland vergewaltigt und ermordet worden. Prompt gerieten drei Asylwerber unter Verdacht. Rechtspopulisten heizten die Stimmung an. Der Mord aber blieb ungeklärt. 2012 unterzog ein Wissenschafter die Spuren in dem „Cold Case“ einer neuartigen DNA-Analyse – auf eigene Faust und ohne Rechtsgrundlage. Dabei fand er heraus, dass die Täter-DNA wohl einem Mittel- oder Nordeuropäer zuzurechnen ist. Bald wurde ein friesischer Bauer ausgeforscht und verurteilt. Die Asylwerber waren entlastet.

Seitdem wird die DNA-Analyse 3.0 weltweit diskutiert und gehypt. Parson, immerhin ein Star unter den DNA-Forensikern, ist vorsichtig: „Die Visualisierung steckt noch in den Kinderschuhen“. Was bereits gut funktioniere: „Die Ermittlung der kontinentalen Herkunft ist schon weiter fortgeschritten als beispielsweise die Altersbestimmung. Da gibt es noch mehr Frage- als Rufzeichen“, sagt Parson. Auch könne man blaue von dunklen Augen in der DNA gut unterscheiden. „Bei Zwischentönen wird es aber schwierig.“ Nach derzeitigem Stand könne man per DNA-Analyse also nur Stereotype darstellen, wie die Hautfarbe und das Geschlecht.

Das wollen die europäischen Wissenschafter ändern. „Im EU-Projekt Visage haben wir eine zentrale Rolle. Denn wir erstellen die molekulargenetischen Werkzeuge, mit Hilfe derer im Labor diese Marker ermittelt werden, die für die unterschiedlichen Merkmale verantwortlich sind“, sagt Parson über die Arbeit seines Innsbrucker Instituts. Auf den verständnislosen Blick der Autorin dieser Zeilen hin erklärt der DNA-Experte: „Es handelt sich um ein chemisches Werkzeug, das aber auch entwickelt, gebaut und optimiert werden muss, ehe man im Reagenzglas damit arbeiten kann.“ Eine chemische Substanz also? „Viele“, antwortet er. „Es ist eine sehr komplexe Kombination von Dutzenden chemischen Substanzen.“ Natriumchlorid (Kochsalz) sei genauso dabei wie Polymerasen, Enzyme oder Nukleotide.

Stimmt die Kombination, können die Forscher den Marker in der DNA lesen, und durch das Lesen wird eine Vorhersage bestimmter Eigenschaften möglich – etwa, dass jemand blaue Augen hat.

Walther Parson

Weltspitze

Fragt man Parson, ob er bei der Herstellung dieser Werkzeuge führend sei, antwortet er zurückhaltend: „Da haben wir einen guten Namen. Das EU-Konsortium hat sich nicht umsonst uns ausgesucht.“ Es gäbe bereits jetzt Anfragen von Labors aus aller Welt, die seine Tools testen möchten – zu früh, das will er vorerst lieber selbst machen.

Verständlich: Vor allem in den USA versuchen Firmen mit der Phänotypisierung das große Geld zu machen. Der US-Genforscher Craig Venter etwa stellt DNA-Phantombilder schon für die nahe Zukunft in Aussicht. „Wir werden von der EU aber bezahlt, um Wissen zu schaffen“, sagt Parson. Er ist sich bewusste, wie wichtig der verantwortungsvolle Umgang mit den erhobenen Daten ist. Darum beschäftigt sich Visage auch mit den ethischen und sozialen Aspekten der erweiterten DNA-Analyse und der neuen Methodik. Der Forscher: „Wie gehe ich mit einem DNA-Ergebnis um? Wie wahre ich die Rechte der Personen, die untersucht werden? Wen bindet man in die Diskussion mit ein?“ Derzeit ist es in Österreich nämlich nicht erlaubt, im Rahmen kriminalistischer Analysen Merkmale zu untersuchen. Parson und sein Team können daher nur in Abstimmung mit dem Ethikrat Proben von Freiwilligen analysieren.

Selbst wenn sich Österreich entscheidet, die Phänotypisierung irgendwann einzuführen, glaubt Parson, dass sie wohl nur dort verwendet würde, „wo man aus Mangel an möglichen Verdächtigen den potenziellen Täterkreis einschränken möchte“. Und weiter: „Es werden Einzelfälle sein, die sonst nicht lösbar wären. Aber es könnten Schlüsselfälle sein, die gesellschaftlich relevant sind. Dort, wo es derzeit keinerlei Ermittlungsansatz gibt, könnten wir neue Hoffnung geben.“

Zur Person

Egal, ob es um die  Tsunami-Opfer aus Sri Lanka  geht, um  die des Pinochet-Regimes oder um   Studenten, die in den mexikanischen Drogenkrieg geraten und verbrannt worden sind: Wann immer es um heikle, schier unlösbare DNA-Proben geht, werden der Molekularbiologe Walther Parson und die  spurenkundliche Abteilung der Gerichtsmedizin Innsbruck  mit der Analyse betraut.

So gelang es ihnen, die Knochen der russischen Zarenfamilie Romanow zu identifizieren, den Schädel, den man für jenen Friedrich Schillers hielt, als Fälschung zu enttarnen und 19 in Tirol lebende Nachkommen von Ötzi zu finden. Außerdem hat Parsons Team mitgeholfen, die mitochondriale DNA von König Richard III. zu analysieren.

Parson, 1966 in Innsbruck geboren, studierte Biologie an der Universität Innsbruck. 1997 richtete er dort das Österreichische DNA-Zentrallabor der Medizi-
nischen Universität Innsbruck mit  ein. Er  kooperiert  mit dem US-Armeelabor und berät das  FBI in Sachen DNA-Analysen.

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Susanne Mauthner-Weber

Noch bin ich ja nicht überzeugt, dass das tatsächlich irgend jemanden interessiert. Für den Fall, dass doch: Seit einem halben Leben beim KURIER. Fad wird mir nur deshalb nicht, weil ich ständig Abenteuer im Kopf erlebe, Besser-Wisser interviewe und mich zumindest auf dem Papier mit Erfindungen, Entdeckungen und Errungenschaften beschäftige. Anscheinend macht das nicht nur mir Spaß - 2012 wurde ich mit dem Staatspreis für Wissenschaftspublizistik ausgezeichnet, 2013 mit dem Kardinal-Innitzer-Preis für wissenschaftlich fundierte Publizistik und 2014 mit dem Inge-Morath-Preis für Wissenschaftspublizistik. Wie gesagt: Falls das wirklich irgendwen interessiert.

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