So sehen Gravitationswellen aus - im Modell.
So sehen Gravitationswellen aus - im Modell.
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Gravitationswellen

"Wird lange dauern, bis wir eine Einstein-Korrektur finden"

Albert Einstein hat in seiner allgemeinen Relativitätstheorie vor rund 100 Jahren die Existenz von Gravitationswellen postuliert, die von bewegten Massen erzeugt werden und die Raumzeit selbst stauchen und dehnen. Nachgewiesen werden konnten die Wellen erst Anfang 2016 mit den LIGO-Detektoren in den USA. Das liegt daran, dass die Messungen Abstandsänderungen im Bereich von einem Tausendstel eines Protonendurchmessers notwendig sind. Jetzt sind die Instrumente sensibel genug, wodurch ein komplett neues Forschungsgebiet entsteht: Die Beobachtung des Universums durch Gravitationswellen.

An der LIGO-Entdeckung beteiligt war auch der Österreicher Sascha Husa, der an der Universität der Balearen auf Mallorca forscht. Die futurezone hat ihn in Wien, wo er auf Einladung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien im Rahmen einer Tagung der Österreichischen Physikalischen Gesllschaft einen Vortrag gehalten hat, getroffen und nach der Zukunft der Gravitationswellenforschung gefragt.

Was hat LIGO bisher gefunden?
Die erste Analyse der Daten aus dem ersten Durchlauf des Detektors ist abgeschlossen. Dabei haben wir uns auf die Suche nach schwarzen Löchern konzentriert und zwei Signale gefunden, bei denen es sich sicher um Binärsysteme aus schwarzen Löchern handelt. Ein weiteres, schwächeres Signal wurde auch gefunden, bei dem die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es sich auch um schwarze Löcher mit ähnlicher Masse wie bei den anderen Signalen handelt. Wir haben also zweieinhalb Signale gefunden.

Sascha Husa (rotes Hemd, Mitte)
Was könnte sonst noch entdeckt werden?
Das Hauptsignal für LIGO sind binäre schwarze Löcher, wir hoffen aber auch auf andere Ergebnisse. Die Suche nach anderen Signalen in den Daten läuft derzeit noch. Hier wären etwa zwei sich umkreisendeNeutronensternedenkbar, oder ein Binärsystem aus einem schwarzen Loch und einem Neutronenstern. Auch ein leicht deformierter Neutronenstern, dessen Masse nicht genau gleichmäßig verteilt ist, würde ein schwaches aber kontinuierliches Signal abgeben.

Sind hier schon erste Kandidaten aufgetaucht?
Wir sprechen über Ergebnisse erst, wenn sie publiziert sind. Aber bei nur einem Durchlauf und nach so kurzer Zeit wäre es ein großes Glück, wenn wir ein Signal finden würden.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, einen Neutronenstern zu finden?
Wie oft wir einen Neutronenstern finden werden, hängt davon ab, wie häufig eine Verformung ist. Wenn das gelingt, könnten wir Aussagen darüber treffen, wie dick die Neutronenflüssigkeit ist. Das sind Verhältnisse, die wir auf der Erde nicht erreichen können. Je weniger ich über etwas weiß, desto mehr kann entdeckt werden.

Was sind die nächsten Schritte für die LIGO-Detektoren?
Die Detektoren werden nach jedem Durchlauf, also einmal pro Jahr, abgeschaltet und verbessert. Damit steigen jedesmal die Chancen, neue Signale zu finden. Wie stark die Empfindlichkeit gesteigert werden kann, hängt von den jeweiligen Verbesserungen ab. Das Upgrade vor dem ersten Durchlauf hat sehr viel gebracht. Der zweite Durchlauf wird konservativer angegangen, die Sensitivität wird sich vielleicht nur um etwa 20 Prozent verbessern. Das heißt aber, dass wir 1,2³-mal mehr Signale bekommen.

Wie lange wird das so gehen?
Die Endausbaustufe wird voraussichtlich 2019 oder 20 erreicht. Dann werden wir 10-mal so sensibel messen können wie beim Start 2010. Das heißt, wir erwarten 1000-mal mehr Ereignisse. Dann sollten wir alle paar Tage ein Signal aufzeichnen können.

Was haben wir bisher aus den Gravitationswellen lernen können?
Wir waren ziemlich sicher, dass es Gravitationswellen gibt und dass wir wissen, wie sie funktionieren. Aber glauben allein reicht nicht, es braucht eine experimentelle Bestätigung. Wir haben Kollisionen von schwarzen Löchern gemessen, die relativ massereich sind. Es gibt zwar weitaus massivere, etwa in den Zentren von Galaxien, aber es war nicht klar, dass es auch im gemessenen Bereich schwarze Löcher gibt. Das hilft bei der Beantwortung der Frage, ob es schwarze Löcher in jeder Masse gibt oder nur in bestimmten. Es erlaubt auch Rückschlüsse über die Entstehung von schwarzen Löchern und den Lebenszyklus von Sternen. Bei ihrem Lebensende schleudern Sterne schwere Elemente ins All, die dann Rohstoff für neue Sternen, Planeten und auch für uns werden. Das ist also nicht nur abstrakt, sondern hat einen Bezug zum Leben.

Was heißt das für die Theorie?
Jetzt können wir beginnen, Einsteins allgemeine Relativitätstheorie in einem ganz neuen Regime zu testen, in Maßstäben die größer sind, als alles was auf der Erde möglich ist. Wir glauben, dass sie hält, müssen aber erst lernen, sie in diesen Bereichen zu testen.

Es wird also nicht erwartet, dass die Theorie über den Haufen geworfen werden muss?
Eine der faszinierenden Eigenschaften von Einsteins Theorie ist, dass sie Singularitäten beschreibt, in denen sie selbst zusammenbricht. Es muss also eine bessere Beschreibung geben, mit der das nicht passiert. Vielleicht sind nur Quanteneffekte das Problem, aber es wären auch andere Erklärungen denkbar. Ich vermute, dass es lange dauern wird, bis eine Korrektur für Einstein gefunden wird. Es ist aber wichtig, die Theorie auf fundamentaler Ebene abzuklopfen.

Was können wir noch mit Gravitationswellenastronomie herausfinden?
LIGO sucht wie gesagt auch andere Signale. Dinge wie das Echo des Urknalls oder einzelne schwarze Löcher sind auf der Erde aber schwer nachzuweisen. Je mehr Masse im Spiel ist, desto kleiner ist die Frequenz der Wellen. Auf der Erde ist im Bereich weniger Hertz keine Detektion mehr möglich, weil das seismische Rauschen alles überlagert. Die ESA hat ein Rahmenprogramm für Gravitationsphysik ausgeschrieben. Derzeit wird die LISA-Mission favorisiert. Das ist ein Detektor wie LIGO, nur im All. Statt zwei fixen Armen für die Interferometrie werden die Abstände dreier Sonden sehr genau gemessen. Ein Test der Technik mit LISA Pathfinder hat sehr gut geklappt. Es gibt Hoffnung, dass LISA vielleicht sogar schon einige Jahre früher als geplant - der Termin war 2034 oder 35 - starten könnte. Die USA waren ausgestiegen, möchten aber wieder mitmachen, was natürlich helfen würde.

Was lässt sich von der Erde aus noch entdecken?
Für LIGO erwarten wir Neutronensternkollisionen, die interessant für Astrophysiker und die Untersuchung von Materie mit extrem hoher Dichte wären. Hoffnung besteht wie erwähnt auch für die Beobachtung einzelner Neutronensterne, die keine perfekten Kugeln sind. Eine Supernova in unserer eigenen Galaxie sollte ebenfalls sichtbar sein, das kommt aber nicht sehr oft vor. Spekulativere Ziele wären etwa das Auffinden des Gravitationswellenechos des Urknalls - sicher eines der Langzeitziele. Nach einigen Modellen könnte das auch relativ schnell glücken..

Verraten die Gravitationswellen auch etwas über die Struktur des Raums?
Dadurch, wie Wellen den Raum durchqueren, können wir zwei Dinge lernen. Erstens können wir mit den Gravitationswellen das Universum und seine Ausdehnung vermessen. Und Zweitens könnte eine mögliche Körnigkeit der Raumzeit das Signal leicht verzerren. Nach solchen Abweichungen wird intensiv gesucht.

Es wird oft eine Analogie zwischen Licht und Gravitationswellen hergestellt. Wie weit gehen die Gemeinsamkeiten?
Gavitationswellen und elektromagnetische Wellen sind sich mathematisch sehr ähnlich, auch wenn sie sich in unterschiedlichen Medien ausbreiten. Elektromagnetische Wellen entstehen, wo sich große Mengen an Atomen und Molekülen überlagern. Durch Überlagerung geht hier Information verloren. Gravitationswellen werden von einzelnen, einfachen Systemen verursacht. Wenn man einen Vergleich ziehen will, entsprechen elektromagnetischen Wellen eher dem Sehen, und Gravitationswellen dem Hören.

Man könnte die Wellen also auch fokussieren?
Eine Linse wäre denkbar. Dazu müssten aber Massen in der Größenordnung ganzer Galaxien bewegt werden. Natürlich auftretende Linseneffekte gibt es aber. Gravitationslinsen, also Sterne oder Galaxien, die elektromagnetische Wellen durch ihre Masse bündeln, machen dasselbe auch mit Gravitationswellen.

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Markus Keßler

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