A1-Group-Chef Thomas Arnoldner und Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner im futurezone-Interview

A1-Group-Chef Thomas Arnoldner und Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner im futurezone-Interview

© A1 Telekom Austria/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Start-ups

A1: "Konzern wird vielerorts leider als Schimpfwort empfunden"

Am Rande des Wettbewerbs „Austria’s Next Top Start-up“ stellten sich der scheidende Runtastic-CEO Florian Gschwandtner und A1-Telekom-Group-Chef Thomas Arnoldner in einem Doppelinterview den futurezone-Fragen.

futurezone: Medial dreht sich im Moment fast alles um Start-ups. Ist der Hype berechtigt?
Arnoldner:  Start-ups spielen eine essenzielle Rolle, damit junge, talentierte Menschen nicht weggehen und hierzulande ihre Visionen entwickeln. Manche wollen ein traditionelles Umfeld in einem großen Unternehmen, andere machen sich selbstständig oder wollen lieber bei einer motivierten kleinen Firma anheuern. Ein Standort ist erfolgreich, wenn er alles anbieten kann.

Gschwandtner: Ich sehe das auch so, dass die Szene extrem wichtig ist, um neue Technologien anzutreiben und auch mit neuen Geschäftsmodellen zu experimentieren. Gleichzeitig habe ich schon auch das Gefühl, dass die Szene ein bisschen überhitzt ist. Dass es ein bisschen zu cool ist, ein Start-up zu sein. Man hat eine gefühlte Idee und eine Powerpoint-Präsentation und wird mit zwei Millionen bewertet. Das halte ich für den komplett falschen Weg.

Lange Zeit war aber doch genau das Problem, dass es in Österreich zu wenig Investitionsbereitschaft und Risikokapital gab. Inwiefern kritisieren Sie diese Entwicklung?
Gschwandtner: Dass mehr Geld investiert wird, ist natürlich positiv. Von politischer Seite sollte hier sogar noch mehr getan werden – Stichwort steuerliche Absetzbarkeit von Risikokapital. Länder wie Frankreich und England sind uns hier immer noch Welten voraus. Gleichzeitig muss man jungen Gründern sagen: Wenn deine einzige Motivation ist, das große Geld zu verdienen, dann lass es lieber. Denn von 100 Start-ups scheitern 95 nach drei Jahren.

Austria's Next Top Start Up

Was sind die größten Fehlannahmen, wenn man ein Start-up gründet?
Gschwandtner:
Vieles wird gerade auch von den Medien zu nett dargestellt. Wenn man glaubt, man schafft das, indem man abends Partys besucht, sich ein bisschen vernetzt und Spritzer trinkt, wird das nicht funktionieren. Ich kenne auch kein erfolgreiches Start-up, das mit einer reinen 40-Stunden-Woche erfolgreich geworden ist. Im Nachhinein schaut das alles natürlich immer cool aus. Bei aller Naivität und der Risikobereitschaft muss man mit einem Fuß aber immer in der Realität bleiben.

Inwiefern kann ein Konzern bei Innovation und Risikobereitschaft überhaupt mit diesen jungen, flexiblen Firmen mithalten?
Arnoldner:
Leider wird der Begriff „Konzern“ in Österreich vielerorts fast schon als Schimpfwort empfunden. Man sollte aber nicht unterschätzen, welche enormen Ressourcen – auch personeller Art – Konzerne haben und wie wertvoll es ist, in andere Märkte und Länder schauen zu können. Deswegen versuchen auch so viele Start-ups an Konzernen anzudocken. Umgekehrt dürfen Konzerne ihre Größe nicht als Entschuldigung hernehmen, um unflexibel, langsam und nicht innovativ zu agieren. Denn alles, was ein Start-up auf die Beine stellen kann, kann ein Konzern auch bewältigen.

Wie kann man als ehemals kleines Start-up sicherstellen, später als Teil von Konzernstrukturen nicht gelähmt zu werden?
Gschwandtner:
Das ist eine Frage der Führungskultur. Wenn ein Start-up so wächst wie wir, dann muss man immer aufpassen, dass die Innovation nicht auf der Strecke bleibt. Das ist aber auch bei US-Vorzeige-Firmen wie Instagram ständiges Thema. Gefährlich wird’s dann, wenn es nur mehr um Quartals- und Wachstumszahlen geht. Auch Konzernen kann man nur raten: Bringt mutige, talentierte Leute in eure Strukturen, denen ihr die Freiheit und Selbstverantwortung gebt, tatsächlich etwas umsetzen zu dürfen.

Austria's Next Top Start Up

Was müsste sich ändern, damit österreichische Firmen global noch erfolgreicher werden?
Arnoldner:
In Österreich, eigentlich in ganz Europa neigen wir dazu, wortreich zu erklären, warum etwas nicht funktioniert oder nicht funktioniert hat. Wir sollten versuchen, es einfach zu tun. Da können wir von den USA noch viel lernen. Dazu brauchen wir Rahmenbedingungen, die es Firmen ermöglichen, in Europa schnell groß zu werden, wie den digitalen Binnenmarkt. Man sollte in Europa nicht alles von Beginn an gleich zu Tode regulieren, so wie es heute leider oft der Fall ist.

Gschwandtner: Natürlich habe große Märkte wie die USA den Vorteil, dass man seine Geschäftsidee für eine Sprache und eine Kultur entwickelt und damit gleich 350 Millionen Menschen erreicht. Wer weiß, wie kompliziert es etwa im Online-Handel ist, ein Päckchen von Österreich in die Schweiz zu schicken, wird mir zustimmen, dass hier Handlungsbedarf gegeben ist. Die Politik wäre gerade in Europa gut beraten nicht zusätzliche Zäune und Grenzen aufzubauen, sondern als Einheit zu agieren und miteinander etwas zu schaffen. Die aktuelle Entwicklung sehe ich da durchaus kritisch.

Der Fachkräftemangel, aber auch das fehlende Interesse an technischen Berufen ist allgegenwärtig. Was läuft im Bildungssystem falsch?
Arnoldner:
Zuletzt war ich zu Besuch bei unser Tochtergesellschaft in Weißrussland. Es ist bemerkenswert, wie stark die Ausbildung in diesem, aber auch anderen osteuropäischen Ländern auf naturwissenschaftlichen Fächern, allen voran Data Science und Mathematik, ausgerichtet ist. Ganz viele junge Menschen gehen dort mit einem Ehrgeiz und einer Aufbruchsstimmung an die Sache, die wir auch in unserem Bildungssystem brauchen.

Gschwandtner: Das kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. Auch Skandinavien oder etwa China sind uns diesbezüglich weit voraus. Neben der Technikbegeisterung sollte in Schulen auch mehr Unternehmertun gelehrt werden bzw. das Interesse dafür geweckt werden.

Austria's Next Top Start Up

Woran liegt es, dass selbst in der hippen Start-up-Szene immer noch so wenig Frauen als Gründerinnen auftreten?
Gschwandtner:
Das ist einmal mehr ein Ausbildungs-, aber auch gesellschaftliches Thema. Der Bildungsweg in technischen Fächern ist extrem männlich dominiert. Immer noch haben Mädchen, die in eine HTL gehen, selbst im familiären Umfeld mit Unverständnis zu kämpfen. Das ist meiner Meinung nach eine altmodische und auch dumme Einstellung. Es liegt an uns allen, hier neue Rollenbilder zu entwickeln, von denen wir alle als Gesellschaft profitieren.

Arnoldner: Dass wir in Österreich teilweise mit überholten Rollenbildern zu kämpfen haben, merkt man auch in der A1 Group. In unseren osteuropäischen Niederlassungen haben wir teilweise einen Frauenanteil von über 50 Prozent, was für eine technologielastige Branche schon bemerkenswert ist. Der Anteil von Frauen in Technikberufen ist in Österreich viel geringer. Da muss sich noch einiges ändern.

Zur Person: Florian Gschwandtner
Der gebürtige Oberösterreicher (35) gründete 2009 mit Kollegen die Fitness-Firma . Spätestens seit dem Verkauf  um 220 Millionen Euro an Adidas im August 2015 gilt das Unternehmnen als das Vorzeige-Start-up Österreichs. Aktuell beschäftigt Runtastic 240 Mitarbeiter aus 42 Nationen. Das Hauptquartier befindet sich weiterhin in Linz. Im August gab Gschwandtner überraschend bekannt, per Jahresende als Geschäftsführer  von Runtastic abzutreten. 

Zur Person: Thomas Arnoldner
Der 40-jährige Wiener ist seit 1. September Vorstandsvorsitzender (CEO) der A1 Telekom Austria Group. Diese ist in sieben Ländern tätig (Österreich, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Weißrussland, Serbien und Mazedonien)  und verfügt über 19.000 Mitarbeiter sowie 24 Millionen Kunden. Der studierte Betriebswirt startete seine Karriere bei Alcatel Lucent, wo er 2013 den Vorstand übernahm. Vor seinem Wechsel zur A1 Telekom Group war er Geschäftsführer bei T-Systems Austria.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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Martin Jan Stepanek

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