"Gehaltsniveau bei IT-Jobs extrem gestiegen"
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2,2 Millionen Euro hat das Wiener Start-up Jobrocker im vergangenen halben Jahr an Investments erhalten. Mit dem Geld will das 2016 gegründete Unternehmen, das neue Wege im Headhunting und der Personalberatung geht, die Expansion nach Deutschland vorantreiben und weiter wachsen. Die futurezone hat mit Jobrocker-Gründer Günther Strenn über die Digitalisierung der Personalberatung, Veränderungen von Berufsbildern, Mangelberufe und den Boom an Human Resources (HR)-Start-ups in Wien gesprochen.
futurezone: Sie wollen mit frischem Geld die Expansion in Deutschland forcieren. Wie läuft es?
Günther Strenn: Der deutsche Markt ist für uns superspannend. Er ist zehnmal so groß wie der österreichische, es gibt ganz andere Herausforderungen. Es ist in Deutschland wesentlich schwieriger als in Österreich, Termine bei Firmen zu bekommen, weil alles was mit Personalberatung zu tun hat, abgeblockt wird. Wenn wir aber dazu kommen, zu erklären, was wir anders machen, funktioniert es.
Was machen Sie anders?
Wir haben einen Algorithmus entwickelt, der den Lebenslauf von Kandidaten mit Stellenanzeigen von Kunden abgleicht und auswertet. Das können wir in vielen Sprachen. Das ermöglicht uns, mehr Kandidaten zu berücksichtigen, schneller zu arbeiten und auch günstiger anzubieten. In der Branche ist es üblich, einen gewissen Prozentsatz vom Bruttojahresgehalt der vermittelten Stellen als Honorar einzubehalten. Die Technologie ermöglicht es uns, eine Flatrate anzubieten. Wir sind im Schnitt 40 bis 70 Prozent günstiger als Mitbewerber.
An der Auswahl der Kandidaten sind auch Menschen beteiligt?
Die Technologie besorgt nur die Vorauswahl. Die letztendliche Auswahl und auch Interviews mit den Kandidaten werden von unseren Beratern durchgeführt. Von einem vollautomatisierten Prozess, sind wir noch weit entfernt.
Kommen Maschinen zu anderen Bewertungen als Menschen?
Der Algorithmus bewertet sicher viel objektiver. Er geht rein auf die Fähigkeiten und kümmert sich nicht um liebe Fotos. Das ist aber nur im Vorauswahlprozess ein wichtiger Punkt. Danach führen wir Gespräche. Es ist auch wichtig, wie das Auftreten der Kandidaten ist.
Wie verändert die Digitalisierung die Personalberatungsbranche?
Sie ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten und viel mehr Kandidaten zu analysieren und auszuwerten. Wir sparen uns viele Arbeitsschritte. Die Branche hat sich seit 50 Jahren kaum verändert. Es gibt Aufholbedarf. Wir merken auch, dass wir zunehmend Aufträge von klassischen Personalberatern bekommen.
Wie hat sich der Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung gewandelt?
Wenn ich Busfahrer, Verkäufer oder Taxifahrer wäre, würde ich mir um meine Zukunft Gedanken machen. Wir merken, dass Unternehmen massiv im IT- und Forschungsbereich ausbauen. Da ist auch ein extremer Aufholbedarf da. Das nimmt massive Dimensionen an. Es gibt auch einen extremen Engpass. Aus den Universitäten und Fachhochschulen kommt nicht genug Nachwuchs. Wir suchen auch in Osteuropa. Ein guter Entwickler kann sich fünf Mal aussuchen, wo er hingeht. Auch das Gehaltsniveau bei IT-Jobs ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen. Das merken vor allem Unternehmen, die schon lange nicht mehr gesucht haben.
Verschieben sich auch Berufsbilder?
Die Anforderungen an Mitarbeiter steigen. Office-Kenntnisse reichen nicht mehr. Es kommen immer mehr neue Tools dazu. Mitarbeiter müssen für Veränderungen offen sein. Auch Jobs auf Lebenszeit gibt es nicht mehr. Es wird Flexibilität verlangt. Österreich befindet sich aber noch in einer gemütlichen Blase. Aber auch wir werden Kompromisse eingehen müssen.
Für welche Unternehmen suchen Sie Mitarbeiter?
Zu unseren Kunden zählen Start-ups ebenso wie DAX-Konzerne. Uns ist es egal, ob wir für ein Fünf-Mann-Unternehmen den sechsten Software-Entwickler suchen, oder für einen 300.000-Mann-Konzern weitere Ingenieure. Auch für die Unternehmen kostet es gleich viel.
Hat sich der Start-up-Boom der vergangenen Jahre auf ihr Geschäft ausgewirkt?
Wir haben viele Start-ups als Kunden. Wir sind in dem Dunstkreis auch sehr präsent. Wir wissen, wie Start-ups ticken, auch von der Kultur her, weil wir selbst ein Start-up sind.
In Wien gab es in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom bei HR-Start-ups. Warum?
Wien bietet ein gutes Ökosystem. Man kann hier schnell und gut wachsen. Dass es so viele HR-Start-ups gibt, ist aber ein ziemlicher Zufall. Das hat sich so ergeben. Es tritt auch keiner dem anderen auf die Füße, Firstbird, Myveeta, Prescreen, Whatchadoo oder wir sind komplett andere Baustellen. Das Nette ist, dass sich alle austauschen. Es ergeben sich gemeinsame Projekte und Synergien.
Sie sind sehr stark gewachsen. Wie schwer ist es, die Start-up-Kultur aufrechtzuerhalten?
Wir sind im März 2016 gestartet und haben mittlerweile 60 Mitarbeiter. Wir sind bereits im vierten Büro, zuletzt sind wir im November umgezogen. Das schnelle Wachstum stellt uns vor Herausforderungen. Wir werden als Firma erwachsen und müssen umdenken. Das Start-up-Feeling zu erhalten ist eine schwierige Gratwanderung.
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