Mit dem neuen Crowdfunding-Gesetz sind alle, die es betrifft, großteils zufrieden.
Mit dem neuen Crowdfunding-Gesetz sind alle, die es betrifft, großteils zufrieden.
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Start-Ups

Crowdfunding-Gesetz: "Österreich ist Vorreiter"

Das neue Crowdfunding-Gesetz in Österreich, das offiziell den Titel „Alternativfinanzierungsgesetz“ (AltFG) trägt, ist seit Mitte April offiziell in Begutachtung (PDF). Die Regierung rechnet pro Jahr mit 65 Millionen Euro, die jährlich via Crowdfunding in Start-ups fließen könnten. Die Branche reagiert auf den neuen Gesetzesentwurf durchwegs erfreut.

„Die Regierung hat ein sehr konstruktives Ergebnis geliefert“, erklärt etwa Paul Pöltner, Geschäftsführer der Crowdinvesting-Plattform Conda.at, im Gespräch mit der futurezone. Pöltner ist auch Vorsitzender des Arbeitskreises der Crowdinvesting-Plattformen in der Wirtschaftskammer Österreich. „Es ist ein gutes Mittelmaß zwischen Konsumentenschutz und den Wünschen der Branche“, so Pöltner. Er sieht Österreich mit dem neuen Gesetz im Europa-Vergleich gut aufgestellt. „Österreich kann damit so etwas wie eine Vorreiter-Rolle in der EU einnehmen“, sagt der Conda-Geschäftsführer.

Crowdinvesting-Plattformen betroffen

Conda.at ist dabei eine von mehreren Crowdinvesting-Plattformen, die vom neuen Gesetzesentwurf direkt betroffen ist. Über diese Plattform können sich Interessierte in der Frühphase von Projekten von Start-ups direkt am Unternehmen beteiligen oder in Nachranganleihen investieren. Der Plattformbetreiber sucht dabei die Start-ups aus.

Die Crowdinvestoren sind dann mittels Genussscheinen oder als typische stille Gesellschafter am Unternehmen beteiligt. Investoren können dabei maximal ihre Einlage verlieren. Durch die Streuung ihres Risikokapitals auf mehrere Projekte können sie außerdem das Investitionsrisiko senken. Denn dieses Risiko besteht für Anleger praktisch immer. Immerhin überleben rund ein Drittel der Start-ups die ersten drei Jahre nicht.

"Keine Garantie, dass es funktioniert"

Erst kürzlich ging mit Woodero ein über Crowdinvesting finanziertes Unternehmen pleite. 175 Investoren haben damit rund 166.000 Euro in den Sand gesetzt. „Es gibt keine Garantie, dass es funktioniert. Dann gibt es dafür allerdings meistens auch gute Gründe. Man muss es als Lerneffekt sehen, das gehört dazu“, sagt Pöltner.

„Das Risiko liegt in der Natur der Sache: Das investierte Kapital ist Wagniskapital, das unter Umständen verloren gehen kann. Wichtig ist, damit offen umzugehen. Wir brauchen nicht eine Kultur des Scheiterns, sondern eine Kultur des Aufstehens,“ erklärt Christoph Jeschke von der Initiative AustrianStartups.com.

Anlegerschutz

Die Anleger sollen durch das neue Crowdfunding-Gesetz insofern geschützt werden, als dass sie maximal 5000 Euro pro Projekt und pro Jahr investieren können. Möglich ist, dass man im Folgejahr noch einmal 5000 Euro in ein Projekt steckt, oder man anderen Projekten Geld gibt. Damit soll das Risiko, das eben existiert, besser gestreut werden. Wer mehr als 5000 Euro in ein Projekt investieren möchte, muss nachweisen, dass er mehr als durchschnittlich 2500 Euro netto verdient. Dann kann er laut Gesetzesentwurf das zweifache des Monatsnettoeinkommens oder zehn Prozent seines Finanzvermögens veranlagen.

"Eigenes Bild vom Projekt machen"

Dadurch sieht Jeschke keine Gefahr, dass unbedarfte Kleinanleger Geld versenken könnten. „Crowdfunding-Plattformen weisen ausdrücklich auf potenzielle Risiken hin und schließlich muss jeder eigenverantwortlich einschätzen, wie man sein Geld veranlagt. Man informiert sich ja auch beim Kauf eines Flatscreen-TVs und kauft nicht das erst beste Gerät“, sagt Jeschke.

Bei Conda.at könne man etwa in einer eigenen Rubrik Fragen an die Unternehmen stellen und mit den Gründern in Kontakt treten. „Die Gründer machen auch oft Veranstaltungen, bei denen sie ihre Projekte vorstellen. Als Einzelinvestor kann man zudem immer fragen, ob man vorbeikommen kann und sich selbst ein Bild vom Projekt machen“, erklärt Pöltner die Möglichkeiten für potenzielle Investoren. Um das Risiko besser abschätzen zu können, stellt die Plattform zudem einen Leitfaden bereit, worauf man beim Crowdinvesting achten sollte.

"Müssen mehr Investoren finden"

Die Beschränkung der Frist für Einzelanleger auf 5000 Euro pro Projekt kommt nicht bei allen Start-ups gut an. Fran Seher, der das Start-up holis market gegründet hat, sagt dazu etwa: „Für ein Start-up heißt das, dass noch viel mehr Investoren überzeugt und gefunden werden müssen, was natürlich den Kommunikationsbedarf erhöht.“ Seher will mit holis market den weltweit ersten On- und Offline-Marktplatz für gesunde und biologische Lebensmittel für eine „individuell angepasste Ernäherung“ starten.

Dazu sammelt das Start-up gerade Geld über die Schweizer Crowdfunding-Plattform We Make itein. Der Unterschied zum Crowdinvesting liegt dabei klar auf der Hand: Bei holis market erwirbt man keine Unternehmensanteile, sondern Gegenleistungen, wie etwa eine Rezeptbox. „Es entsteht dadurch eine Art Kaufvertrag. Außerdem sind die investierten Summen meistens viel geringer als beim Crowdinvesting“, erklärt Wolfgang Gumpelmaier, der Start-ups dabei berät, welche Finanzierungsform für sie am besten geeignet ist. „Hier besteht oft noch viel Unwissenheit“, fügt Gumpelmaier hinzu.

"Sind gar nicht betroffen"

Dies bestätigt auch Simone Mathys-Parnreiter, Leiterin von We Make it in Österreich. „Wir sind vom neuen Crowdfunding-Gesetz gar nicht betroffen, weil im Gesetz alternative Finanzinstrumente als Aktien, Anleihen, Geschäftsanteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Genussrechte oder stille Beteiligungen und Nachrangdarlehen“ definiert wurden“, so Mathys-Parnreiter. „Keiner dieser Punkte trifft auf Plattformen wie We Make it, Kickstarter oder Indiegogo, die reward-based Crowdfunding ermöglichen, zu“, sagt die Expertin, die den neuen Gesetzesentwurf aber ebenfalls begrüßt. „Dem Gesetzgeber ist eine wichtige Balance zwischen Anlegerschutz und Start-up-Wünschen gelungen.“

Das Start-up holis market, das ihr Projekt über die Crowdfunding-Kampagne via We Make it erfolgreich finanziert hat, möchte als zweiten Schritt im Herbst mit Crowdinvesting weiter machen. „Um weitere Standorte und eine Franchise-Strategie zu finanzierten, sowie unsere App-Services weiterzuentwickeln“, wie Seher erzählt. „Wir sehen das nicht als entweder-oder, sondern Crowdfunding ist für uns eine ganzheitliche Strategie.“

- Einzelanlagebeschränkung: Pro Kopf pro Projekt können 5000 Euro investiert werden. Im Folgejahr ist noch einmal eine Investition möglich. Wer mehr als 5000 Euro in ein Projekt investieren will muss eine Erklärung abgeben, dass er mehr als 2500 Euro netto verdient. Dann können Investoren das Zweifache des Monatsnettoeinkommens oder zehn Prozent des Finanzvermögens veranlagen.

- Infoblatt ab 100.000 Euro, Prospektpflicht ab 5 Millionen Euro: Diejenigen, die das Geld einsammeln, müssen erst ab einem Betrag von 100.000 Euro ein Informationsblatt veröffentlichen. Ab 1,5 Millionen Euro besteht eine Prospektpflicht light. Ab fünf Millionen gibt es dann eine volle Prospektpflicht. Ein Kapitalprospekt weist in der Regel die Kennzahlen für die Investoren im Detail aus. Die Erstellung eines solchen Prospekts kann mehrere zehntausend Euro kosten, weil dafür extra Juristen beauftragt werden müssen. Für Gründer in der Startphase wäre das viel Geld.

- Gewerbeberechtigung: Crowdinvesting-Plattformen dürfen nur mit Konzession der Finanzmarktaufsicht oder mit einer Gewerbeberechtigung für Vermögensberater, Unternehmensberater oder Wertpapierdienstleister betrieben werden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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