
"Die E-Mail wird nicht aussterben"
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Die E-Mail wurde schon öfter totgesagt. Über kurz oder lang werde sie durch Messaging-Dienste oder Online-Netzwerke ersetzt, heißt es seit mittlerweile fast zehn Jahren. Peter Stebe kann dem wenig abgewinnen. "Firmenintern gibt es mit Chats sicher weit bessere Möglichkeiten zu kommunizieren. In der Kommunikation mit Kunden und Lieferanten wird die E-Mail aber nicht aussterben", sagt der Start-up-Gründer. "E-Mails sind das größte soziale Netzwerk das es gibt. Mehr als 2,2 Milliarden Leute nutzen es."
Stebes in Wien und New York ansässiges Start-up nextsociety analysiert den E-Mail-Verkehr von Unternehmen, um ihnen beim Herstellen von Kontakten behilflich zu sein. Augewertet wird, wer an wen wann mit welchem Betreff E-Mails schreibt. Aus den so gewonnen Daten wird ein Beziehungs-Graph erstellt: "So können wir sagen, welcher Mitarbeiter zu welchem Unternehmen die besten Kontakte hat", erläutert Stebe: Auf diese Art lässe sich der beste Weg zu einer Firma finden, wenn es etwa darum gehe Geschäftsbeziehungen anzubahnen.

© nextsociety
Kollaborations-Feature
Noch befindet sich die Anwendung im geschlossenen Beta-Test und ist nur auf Einladung zugänglich. Rund zehn Unternehmen testen derzeit das nextsociety-Tool. Vorerst konzentriere man sich auf Risikokaptalgeber und Start-ups, erzählt Stebe. Für sie wird Ende Februar auch eine neue Funktion freigeschalten, die der Gründer "Kollaborations-Feature" nennt.
Dabei können sich zwei Unternehmen miteinander vernetzen und gegenseitig von ihren Kontakten profitieren. Netzwerken sei für Start-ups essenziell, sagt Stebe. "Es ist leichter Leute kennenzulernen, wenn jemand den Kontakt herstellt."
Beim Teilen der E-Mail-Kontakte, können die Firmen selbst festlegen, bis zu welchem Detailgrad sie befreundeten Unternehmen Zugang zum eigenen Mail-Verkehr geben wollen. So kann man etwa nur teilen, dass man jemanden kennt und auf Anfrage entscheiden, ob man dem Partner beim Herstellen des Kontaktes behilflich sein will.
Haben Firmen keine Bedenken?
Aber haben Firmen keine Bedenken, einem Start-up Zugriff auf ihren E-Mail-Verkehr zu geben? "Es werden nur Meta-Daten analysiert", sagt Stebe. Das sind Absender, Empfänger, Betreff und Datum der E-Mail. Die Daten würden verschlüsselt. Bevor die Anwendung installiert werde, werde die Einwilligung der Mitarbeiter eingeholt.

© nextsociety
Kollaboration mit anderen Firmen seien für Konzerne mit Tausenden Mitarbeitern auch nicht so wichtig. Sie würden aber von den Statistiken profitieren, sagt Stebe, dessen Tool auch bereits von einem Konzern mit mehr als 35.000 Mitarbeitern getestet wurde. "Es ist für große Unternehmen beispielweise interessant, in welche Branchen sie vernetzt sind. Wenn ich eine bestimmte Branche ansprechen will und ich seh, ich hab noch keine Verbindung dorthin, dann werde ich etwas müssen."
US-österreichische Gründung
Gegründet wurde nextsociety 2013 in New York. Dort war Stebe bei der Unternehmensberatung Ernst&Young tätig. Gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Tange und dem früheren Google-Mitarbeiter Ben Simsa hatte er die Idee zur Netzwerkanalyse. Nachdem sie bei einem Wettbewerb des Start-up-Netzwerkes Techstars ins Finale kamen, machten sich Stebe und seine Mitgründer mit nextsociety selbständig.
Ursprünglich analysierte das Start-up Verbindungen im Karriere-Netzwerk LinkedIn und auf Facebook. Investoren zeigten sich interessiert. 2014 konnte eine Finanzierungsrunde in der Höhe von 1,6 Millionen Dollar abgeschlossen werden. Zu den Geldgebern zählen neben dem Ernst&Young-Manager Mike Veltling, der Investor Axel Meyer sowie kleinere Fonds. In der Summe ist auch eine Förderung des österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) enthalten. Entwickelt wird die Software in Wien, von wo auch der europäische Markt bearbeitet wird. Über die Niederlassung in den USA wird das dortige Geschäft vorangetrieben.
Entwicklungsstandort Wien
"In Wien finden sich sehr viele kreative und technisch begabte Leute. Angeregt durch das Pioneers-Festival ist eine engagierte Community entstanden", begründet Stebe die Entscheidung für den Entwicklungsstandort Wien. "Es ist auch günstiger in Wien zu entwickeln und die Förderlandschaft ist unvergleichbar".
Nachdem LinkedIn und Facebook ihre Richtlinien änderten und die Programmierschnittstellen (APIs) dichtmachten, spezialisierte sich nextsociety auf die Analyse von E-Mails, mit der das Team auch bereits davor experimentierte.
Demnächst will das Start-up, das in Österreich und den USA insgesamt neun Mitarbeiter beschäftigt, seine Anwendung auch ohne Einladung zugänglich machen. Dabei setzt man auf ein abgestuftes Bezahlmodell. Für Start-ups mit zehn Mitarbeitern und zwei Kollaborationen könne die Lösung kostenlos genutzt werden, rechnet Stebe vor. Für 50 Mitarbeiter und 20 Kollaborationen würden rund 200 Euro verrechnet. Mit größeren Unternehmen sollen Lizenzen individuell verhandelt werden, da der Aufwand zur Implementierung des Tools je nach vorhandener Infrastruktur unterschiedlich hoch ist.
Finanzierungsrunde
Auch eine weitere Finanzierungsrunde ist in Vorbereitung. Bis Ende des Jahres soll sie abschlossen sein. Ob bei der Suche nach Investoren auch das eigene Tool zum Einsatz kommt? "Ja, wir lernen daraus viel für die Weiterentwicklung unserer Software", sagt Stebe.
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