Warnungen wurden ignoriert, sagt sektor5-Betreiberin Floor Drees zur futurezone
Warnungen wurden ignoriert, sagt sektor5-Betreiberin Floor Drees zur futurezone
© sektor5/Cliff Kapatais

Floor Drees

“Österreichische Start-ups haben Schauma-mal-Mentalität”

Die Niederländerin Floor Drees leitet den Wiener Coworking-Space sektor5 sowie den daran geknüpften Start-up-Inkubator 5starts. Nach Wien brachte sie ursprünglich das Bewertungsportal Tupalo, das ihr vor einigen Jahren einen Job angeboten hatte. Im futurezone-Interview erklärt Drees, mit welchen Start-ups sie zusammenarbeiten will, warum es immer noch zu wenige Frauen in der Gründerszene gibt und welche Vorteile der Standort Österreich mit sich bringt.

futurezone: Können Sie kurz umreißen, wie Ihr Arbeitsalltag aussieht und worauf der Fokus Ihrer Arbeit im Coworking-Space liegt?
Floor Drees: Womit ich mich hauptsächlich beschäftige, ist der Inkubator. Ich hab sektor5 vor etwa zweieinhalb Jahren übernommen und mich eigentlich um alle operativen Aufgaben inklusive Events und finanzielle Angelegenheiten gekümmert. Dann gab es den aws-Call JumpStart (Anm.: eine Initiative für Inkubationsprogramme). Wir haben uns beworben und die Unterstützung bekommen. Wir hatten zuvor schon Inkubator-Aktivitäten und jetzt konnten wir endlich auch all das umsetzen, wofür uns zuvor das Geld fehlte. Wir haben viele Start-ups gefunden, die Interesse daran hatten, auf der Ebene etwas mit uns zu machen.

Gestartet sind wir im Jänner mit drei Start-ups, in der zweiten Runde haben wir jetzt fünf Start-ups an Bord. Ich setze mich regelmäßig mit ihnen zusammen, frage sie, was sie die letzten zwei Wochen gemacht haben, was ihre Pläne sind, wobei sie Hilfe brauchen und dergleichen. Ich vernetze sie auch mit Trainern oder kümmere mich um mögliche Auslandsaufenthalte für die Start-ups. Alles in allem führe ich sie an das Ziel heran, das sich die Start-ups für die fünfmonatige Zeit bei uns gesetzt haben.

Was sind die Anforderungen an Start-ups, um an diesem Programm teilzunehmen?
Wir haben mir der Zeit festgestellt: Wir können nicht jedem helfen. Start-ups müssen sich bewerben, dazu haben wir einen wirklich langen Fragebogen erstellt. Wir wollen keine Businesspläne, denn Businesspläne sind immer veraltet. Meistens sind diese schon mindestens ein Jahr alt und nicht mehr für die aktuelle Entwicklung im Unternehmen gültig. Wir fragen also im Vorfeld bereits sehr gezielt bei den Start-ups nach, auch nach deren Stärken und Schwächen. Aus den Bewerbern erstellen wir dann Shortlists, treffen uns mit ihnen zu einem Screening-Tag, wo wir sehr in die Tiefe gehen. Und dann entscheiden wir, mit wem wir arbeiten wollen.

Was passiert dann im nächsten Schritt?
Am Ende machen wir einen Vorschlag für ein Programm für die fünf Monate, die ein Start-up bei uns verbringt. Wir machen einen Plan und schauen uns an, was das Ziel ist. Wir sind offen für Start-ups aus dem mittel- und osteuropäischen Raum, also nicht nur für Österreicher. Wir lieben Start-ups, die noch ganz am Anfang stehen, da macht die Zusammenarbeit am meisten Spaß. Ein Fokus von uns ist zum Beispiel Fintech, ebenso Hardware und Software as a service. Wir suchen mit den Start-ups auch gerne nach einem Ansatzpunkt im B2B-Bereich. Generell positioniere ich 5starts gerne als Business-Inkubator, Start-up ist nicht immer zwingend der passende Begriff.

Gibt es derzeit ausländische Firmen im Programm?
Derzeit leider nicht, aber wir haben ein paar Expats hier, die in Österreich leben und hier gegründet haben.

Ein bekanntes Problem ist, dass es nach wie vor weit weniger Frauen unter den Gründern gibt. Warum ist das so?
Glücklicherweise haben wir jetzt im zweiten Durchgang 30 Prozent Frauen unter den Gründern, das ist mehr als in anderen, vergleichbaren Inkubatorenprogrammen. Ich komme aus der Tech-Welt, ich kenne das Problem. Deswegen liegt mein Fokus auf Diversität. Man sieht auch ganz klar, dass Teams, die divers sind, viel bessere Arbeit leisten. Ich mache die Erfahrung, dass Frauen oft nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen können. Gründerinnen fühlen sich allein gelassen und haben im männlich dominiertem Umfeld oft das Gefühl, sie dürfen keine Fragen stellen. In Wien gibt es tatsächlich einige Stellen, an denen sie sich Hilfe holen könnten, aber es ist nicht transparent genug. Ich versuche die Frauen zu unterstützen und sie an die richtigen Stellen zu vermitteln. Ich lege Wert auf faire Einstellungsverfahren, wo immer mir es möglich ist.

Wenn Sie sich die heimische Szene im internationalen Vergleich ansehen - was können wir hier denn besser?
Die staatlichen Förderungen in Österreich sind großartig. Es ist relativ einfach, sich einen Termin mit den jeweiligen Stellen auszumachen und an das Geld heranzukommen. Ich mag die Kultur hier, dass Start-ups zuerst einmal schauen, ob sie eine Förderung bekommen und dann nach Investoren suchen. Anderswo suchen sie oft sehr früh nach Investments, was dazu führen kann, dass sie schon nach kurzer Zeit nur mehr einen kleinen Teil ihres Unternehmens halten.

Und was sind die größten Probleme hier in Österreich?
Hauptsächlich gibt es ein Mentalitätsproblem. Ich hab mit vielen Start-ups aus unterschiedlichen Kulturen gearbeitet, und dabei bemerkt, dass es viele Länder gibt, wo einfach mehr Drive dahinter ist. Österreichische Start-ups haben viel “Schauma mal”-Mentalität. Und das geht mir sehr auf die Nerven. Deswegen will ich auch immer alle vorher persönlich treffen, weil ich wissen will, wie viel Antrieb dahinter steckt. Wir fragen immer nach dem Warum, warum macht ihr das? Das klingt vielleicht dumm, aber die Antworten sagen meist sehr viel aus.

Ein Satz, den man immer hört, ist die Kritik an der geringen Risikobereitschaft in Österreich. Verbessert sich da langsam etwas?
Man hört hier dauernd: In den USA ist Scheitern etwas Tolles. Während die Leute das sagen, haben sie meistens Geld aus der Familie im Hintergrund oder zumindest das gute Sozialsystem. Es gibt so viele Fangnetze hier, dass es für die Leute oft nicht wirklich einen Unterschied macht, ob sie es schaffen oder nicht. Ich hab das Gefühl, dass es in Österreich dadurch weniger Commitment zu den eigenen Projekten gibt - weil es schlichtweg nicht nötig ist. Natürlich gibt es Ausnahmen. Wir haben solche Start-ups hier, wo die Einstellung einfach eine andere ist, wo mehr Drive dahinter ist.

Wenn Sie ein Anliegen bei der österreichischen Regierung deponieren könnten, was wäre das?
Wahrscheinlich direktes Funding für Start-ups, und nicht diese Trickle-Down-Geschichte, die wenig sinnvoll ist. Es gibt diesen Geldtopf, der immer und immer wieder unter den gleichen Quellen verteilt wird. Vor allem Frühphasen-Start-ups würden direktes Funding brauchen.

In Österreich hat sich mittlerweile eine aktive Start-up-Szene vernetzt und gefestigt, oft treten dabei immer wieder dieselben Akteure ins Rampenlicht. Wie wichtig ist das ganze Thema Networking tatsächlich für ein junges Unternehmen?
Ich würde sagen, man muss nicht immer alle kennen, man muss nur darauf achten, die sogenannten wichtigen Namen nicht zu verärgern. Davon abgesehen hängt es davon ab, in welchem Bereich man tätig ist. Wenn man zu Beispiel als Fintech-Start-up aktiv ist, ist es vollkommen egal, ob man mit Runtastic vernetzt ist oder nicht. Wir sagen unseren Start-ups auch, dass sie nicht unbedingt zu jedem Event laufen müssen, außer es macht tatsächlich Sinn aus einer Business-Perspektive.

Wo sehen Sie sektor5 und 5starts in drei bis fünf Jahren, gibt es Ziele, die Sie sich gesetzt haben?
Erstmal arbeiten wir jetzt auf unsere dritte Runde hin, bei der wir ab Jänner wieder Start-ups aufnehmen. Der Inkubator soll jedenfalls viel größer werden, wir haben auch zwei neue Programm-Manager angestellt. Ich hoffe, dass wir acht Start-ups haben werden. Dafür brauchen wir natürlich auch Funding. Und wir wollen uns eventuell auch mit den Räumlichkeiten etwas ausbreiten. Was wir nicht ändern werden ist der Umstand, dass wir keine Anteile von den Start-ups nehmen. Wir sind davon überzeugt, dass sie zuerst etwas wachsen und ein paar Ziele erreichen sollten, bevor sie Firmenanteile gegen Geld abtreten. Nicht zuletzt wollen wir auch Funding für die Start-ups aufstellen, also über neue Förderprogramme ein Budget für sie aufstellen.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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