"Digitalisierung an Schulen viel zu lange aufgeschoben"
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Döbeli Honegger ist Dozent mit Forschungsauftrag am Institut für Medien und Schule in der Schweiz und hat die wissenschaftliche Leitung der Projektschule Goldau inne. Zudem ist er Leiter im Bereich e-Learning an der Pädagogischen Hochschule Schwyz. In Österreich war er als Vortragender bei den edudays in Krems zu Gast.
futurezone: Digitale Kompetenzen sind bei manchen Lehrern noch ein Fremdwort. Fehlt der Wille, diese zu erlernen, oder die technischen Mitteln?
Beat Döbeli Honegger: Ich habe nicht das Gefühl, dass es die technischen Probleme sind, die Lehrer davon abhalten. Lehrer, die digitale Medien im Unterricht einsetzen wollen, machen es ja trotzdem. Technische Hindernisse sind überwindbar. Sie dienen aber als Vorwand, um etwas nicht zu machen.
Lehrer, die viel Technik einsetzen, dürfen aber nicht vergessen, wieviel Aufwand sie betreiben, den sie teilweise vor sich selbst verheimlichen. Es braucht sehr viel Zeit zur Vorbereitung, um sich weiterzubilden. Da die Digitalisierung nicht die einzige Baustelle an Schulen ist, verschieben wir es immer weiter. Aber es wird schon so lange aufgeschoben.
Wie kann man Technik-Projekte an Schulen am besten umsetzen? Kommt es beim Einsatz von technischen Geräten aus Ihrer Sicht nicht immer darauf an, wie man es nutzt und was man damit macht?
Bei einem Tablet-Projekt zu sagen, dass das Tablet nicht das Wichtige ist, ist absurd. Wir haben eine Projektschule, an der wir seit 2009 mit persönlichen Geräten in der Grundschule arbeiten, und die Leute nehmen uns als „Technik-Schule“ wahr. Wir betonen die ganze Zeit, dass nicht die Technik im Vordergrund stehen soll. Oft ist es schwierig, diesen Widerspruch aufzulösen. Es ist etwas Neues und man muss am Anfang das Neue betonen, bis es dann irgendwann normal wird.
Es gibt nicht nur Vorteile. Die Digitalisierung ist eine technisch-gesellschaftliche Entwicklung, die man mitmachen muss, auch wenn es gar keine Vorteile gibt. Eine Schule freut sich nicht, wenn sie sich mit Sexting oder Happy Slapping herumschlagen muss. Aber das sind Themen, die sich dadurch ergeben, deswegen muss man das Schülern beibringen.
Wenn Jugendliche das Gefühl haben, es ist wichtiger, wenn das Handy klingelt, abzuheben, als mit den anderen Schülern zu sprechen, muss man das mit ihnen diskutieren. Das sind neue Dinge, die auch Erwachsene betreffen. Darüber müssen wir reden. Darf man im Kunstunterricht, wenn die Schüler ein Bild zeichnen, Musik hören? Da gibt es oft kein richtig oder falsch. In einer Projektschule gibt es einen Lehrer, der sagt, dass, seit die Kinder das dürfen, die Kunststunde viel entspannter ist, weil sich alle dabei auf ihr Bild konzentrieren können.
Digitale Medien können aber durchaus lernförderlich sein, wenn sie von der richtigen Lehrperson, die weiß, worauf es ankommt, am richtigen Ort eingesetzt werden.
Hat die Digitalisierung Ihrer Meinung nach dann mehr Vor- oder mehr Nachteile?
Ich sehe mehr Vorteile, weil man nicht gezwungen ist, nur noch mit digitalen Medien zu arbeiten. Wenn man digitale Medien dazu nimmt, erweitert man lediglich das Spektrum an Möglichkeiten.
Viele Schulen verfolgen aber einen gegenteiligen Trend und erlassen ein Handy-Verbot…
Das ist auch in der Schweiz ein Thema. Es geht darum, als was das Gerät wahrgenommen wird. Wird es als Ablenkung wahrgenommen, braucht es Überzeugungsarbeit, dass es auch als sinnvolles Werkzeug eingesetzt werden kann. Es könnte auch Aufgabe der Schule sein, zu zeigen, dass es ein wunderbares Gerät zum Gamen & Spaß haben sein kann, aber man damit auch lernen kann. Das war beispielsweise eine Motivation für unser erstes Smartphone-Projekt im Jahr 2009.
Können Sie dieses näher beschreiben?
Wir haben es in einer 5. Klasse durchgeführt, um den Erstkontakt mit dem Gerät zu prägen. Die Schüler lernen dadurch das Gerät auch als Lernmaschine kennen und nicht nur als Spaßmaschine. In der 7. Klasse ist es zu spät, da haben die Schüler schon ein Bild davon, was ein Handy ist. Dieses Bild muss auch bei Lehrpersonen verändert werden.
Vor ein paar Jahren hatte ich ein Treffen mit einem Lehrer einer Notebook-Klasse. Der hatte zum ersten Mal von unserem Smartphone-Projekt gehört und hat sich gedacht, dass da nichts Sinnvolles dabei rauskommen kann. Weil – die Lehrperson hat versucht, das Notebook-Konzept am Smartphone abzubilden und hat gemerkt, dass das nicht geht. Genauso wenig funktioniert es, Methoden des Buchzeitalters ins Smartphone-Zeitalter zu übertragen.
Hat das Smartphone-Projekt von Anfang an funktioniert?
Bei unserem iPhone-Projekt war zuerst die Angst da, dass die Kinder im Unterricht telefonieren werden. Es hat aber nie ein Kind im Unterricht telefoniert, wieso sollte es auch. Das sind so die vorgefassten Bilder, die wir haben. Ich bin da auch nicht davor sicher. Man darf einfach nicht immer von sich auf andere schließen.
Auch wenn Kinder die Smartphones selbst mit bringen, auf Infrastruktur können Schulen nicht verzichten. In Österreich gibt es da teilweise Probleme, genügend WLAN-Hotspots im Gebäude zu verteilen.
Ja, es braucht Infrastruktur an Schulen, Beamer und WLAN. Das sind Fragen des politischen Willens. Das sind aber bezahlbare Dinge. Hier wäre klar die Politik gefordert.
In Österreich wird derzeit vor allem darüber nachgedacht, E-Books im Schulunterricht zu forcieren. Ist das nicht eigentlich zu kurz gedacht?
Da wird versucht, das Buchzeitalter mit digitalen Geräten abzubilden. Zuerst werden neue Medien immer zur Imitation von bisherigen verwendet, bevor man merkt, dass es didaktisch ganz andere Möglichkeiten gibt. Schulbücher durch E-Books zu ersetzen, klingt da erst einmal logisch. Man könnte sich aber durchaus überlegen, ob man diesen Schritt nicht gleich überspringt.
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