AT&S: Welche Vision hinter dem neuen Technologiezentrum steht
Innovationen und Weiterentwicklung der IC-Substrate ist schon seit Jahren ein Thema bei AT&S, dem führenden Leiterplattenhersteller aus der Steiermark. Ein neues Research & Development Center (R&D) wird gebaut und soll den Standort in Leoben erweitern. „Hier sollen Advanced-Packaging- und Substrat-Technologien der Zukunft entwickelt werden“, erklärt Christopher Hermann, AT&S-Leiter des neuen Projekts.
„Wir sehen eine Riesenentwicklung im Bereich der Digitalisierung und diese benötigt natürlich eine Menge Hardware“, sagt R&D-Direktor von AT&S Hannes Voraberger. „Wir produzieren die Plattform für die Computerchips der Großrechner – die Träger auf denen die Chips dann gesetzt werden. Ich vergleiche es gerne mit Nervenleitungen und Blutbahnen“. Sie müssen Signale vom Prozessorchip an die restliche Elektronik verteilen und viele Signalleitungen versorgen.
Weniger Verbrauch durch schwindende Größe
Prozessorchips brauchen „ordentlich“ Energie und diese soll effizient genutzt werden. Um Computerchips effizienter zu machen, werden sie immer kleiner. Derzeit liege, laut Voraberger, die Standardgröße bei 10 Nanometer, für Smartphones etwa bei 7 Nanometer. In Zukunft sollen sie auf 2 Nanometer reduziert werden. „Von 7 auf 2 Nanometer bringt eine Energieeinsparung von 60 Prozent bei gleicher Rechenleistung.“
„2 Nanometer sind 30 Silicium-Atome nebeneinander – da ist nicht mehr viel zu optimieren“, sagt Voraberger. Wo aber noch viel zum Rausholen ist, sei beim Gesamtsystemprozessor. Hier könne man noch viel mehr Leistung erzielen und viel mehr Energie einsparen – „genau das machen wir, da strebt unsere Entwicklung hin und so kann man klimaneutral werden.“
Hermann nach, wird es in Leoben eine Prototypenlinie sowie eine Kleinserienproduktion geben. Zudem wird die gesamte Forschungstätigkeit mit dem Schwerpunkt IC-Substrate in Leoben fokussiert. Dieses österreichische Know-How kommt dann auch den anderen AT&S-Standorten in Asien zugute.
Technologische Souveränität in Europa
„Genau das fehlt noch in der Wertschöpfungskette in Europa. Chips werden heute nach Asien gebracht, um dort verpackt zu werden,“ erklärt Voraberger. Damit macht man sich von der politischen Lage zwischen Ländern und Regionen abhängig und geht das Risiko ein, dass kritische Chips auf den Transportwegen manipuliert werden.
Im Fokus stehen Prozessorchips für die kritische Infrastruktur. „Für Kraftwerke, Energieversorgung, und noch viel mehr – in Zukunft sollen die Chips wirklich eigenständig und ausschließlich in Europa verpackt werden.“ Voraberger erwartet sich im Bereich der Prozessorchips die Kompetenz auch nach Europa zu holen und es sei möglich diese weiterzuentwickeln. „Europa soll vom Rand der Technologie wieder ins technologische Zentrum zurückgebracht werden.“
Das Ziel ist es unter anderem die Lieferkette wieder nach Europa zu verlagern. Zwar gäbe es eine Halbleiterindustrie in Europa, aber keine für IC-Substrate. „Mit so einem Standbein können wir wieder langsam anfangen, in Europa die gesamte Supply Chain aufzubauen.“ Maschinen, Materialien, Chemikalien seien in der Vergangenheit mehr und mehr nach Asien abgewandert. Hermann: „Für uns ist es eine einzigartige Erfahrung, in Österreich ein neues Werk für die IC-Substrate-Technologie zu bauen und High-Tech-Maschinen sowie Prozesse zu qualifizieren.“
Fachkräfte und Auszubildende gesucht
700 Mitarbeiter*innen werden für das Projekt benötigt. „Das ist natürlich eine große Nummer“, stellt Hermann klar. „Aber wir sind überzeugt, dass wir dank unserer Technologiekompetenz – wir sind seit 2012 im IC-Substrat-Bereich - hunderte Mikroelektronik-Expert*innen“ aus ganz Europa an den Standort in Leoben ziehen.“ Im Nachsatz: „Wir sind übrigens auch für Expert*innen und enthusiastischen Personen mit frischem Know-How aus anderen Industrien der Halbleiterbranche spannend.“
Man möchte dabei auch auf Fachkräfte aus Österreich setzen, die über einen Zeitraum von 9 bis 18 Monaten „hochtrainiert“ werden sollen. „Wir werden auch sehr stark mit Universitäten, Fachhochschulen und HTLs zusammenarbeiten“, so Hermann weiter.
Es gebe auch hierzulande keine eigenen Fächer, die sich mit der Thematik befassen. Daher wird nach Personen mit Expertise in den Bereichen Materialwissenschaften, Chemie, Elektrotechnik und Automatisierung gesucht. Das Werk werde nämlich hochautomatisiert mit einzelnen Robotern arbeiten.
„700 Stellen sind nicht nur 700 Personen, sondern auch ihre Familien“, sagt Hermann. Daher brauche es Supermärkte, Wohnplätze und Ausbildungsstätten, die für Menschen aus aller Welt geeignet sind. „Wir legen einen Grundstein, um unseren Kindern zukünftig gute Arbeitsplätze zu bieten und wir technologisch weiter auf dem Weltmarkt mitspielen können“, fügt Voraberger hinzu.
Ökosystem ausbauen
„Wir werden substanziell Kompetenz aufbauen und in das Elektro-Ökosystem Südösterreich integrieren. Wir haben hier mit Halbleiter-Firmen in Villach oder Graz schon eine gewisse Stärke,“ sagt Voraberger. Es soll demnach ein Ökosystem geschaffen werden, dass sich mit „der Kerntechnologie der Digitalisierung und der Zukunft der Menschheit“ auseinandersetze.
Österreich soll mit dem neuen R&D-Center einen Forschungsstandort bieten. „Wir möchten auch als Partner für Institute und Universitäten aus Europa und Amerika agieren, die jetzt nicht nach Asien gehen wollen, um dort Forschung zu betreiben.“
Der Bau des Gebäudes wird nächstes Jahr starten und im 1. Quartal 2023 fertig werden. Nachdem die Maschinen funktionsfähig installiert sind, soll voraussichtlich im 2. Quartal des Folgejahres die ersten Produkte getestet werden. Laut Hermann sind die Vorarbeiten schon voll im Gange.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und AT&S.