Wie AT&S mit Patenten Geld verdienen will
“Patente sind nur für die Schwachen” ist eine berühmte Aussage des Tesla- und SpaceX-Chefs Elon Musks. Laut ihm würden Patente nur den Fortschritt aufhalten, erfolgreiche Unternehmen bräuchten ihre Ideen gar nicht erst patentieren lassen. Gernot Grober ist da anderer Meinung. Er ist Head of Intellectual Property (IP) bei AT&S, einem der weltweit führenden Leiterplattenherstellern mit Sitz im steirischen Leoben.
Grober beschreibt seine Arbeit gerne am Beispiel einer gut laufenden Pasta-Bar, die sich weiter von der Konkurrenz abheben will. Denn auch beim Nudelkochen gibt es einige Kniffe, um den Kochvorgang weiter zu optimieren. Mit einem Deckel lässt sich etwa einiges an Energie sparen (bis zu 65 Prozent!). Sind auf einer Seite des Deckels kleine Löcher, spart man sich das Sieb für das Abseihen.
Vorteile für das Unternehmen absichern
Wie beim Nudelkochen versucht man auch bei AT&S die Herstellung der Leiterplatten zu optimieren. Diese Betriebsgeheimnisse will man schützen, etwa durch Patente. “Wir optimieren verschiedene Prozesse und entwickeln neue Technologien, um uns einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Als IP-Abteilung ist es unsere Aufgabe, diesen Vorteil als Unternehmen möglichst lange abzusichern”, erklärt Grober.
Das erste Patent für eine gedruckte Leiterplatte wurde übrigens von einem Österreicher eingebracht. Paul Eisler ließ sich 1943 seine Methode “Manufacture of Electric Circuits and Circuit Components” in London schützen. Bis dahin befand sich im Inneren von Geräten meist ein Kabelsalat, der die einzelnen elektronischen Komponenten miteinander verband. Durch die Leiterplatte konnte man aufgeräumtere, kleinere und leichtere Geräte bauen. Reich wurde Eisler durch seine Erfindung aber nicht - nur wenige Unternehmen erkannten das Patent damals auch an.
Auch Unternehmen müssen Lehrgeld zahlen
Das soll AT&S nicht passieren. Etwa 1.400 aktive Patente hat das Unternehmen derzeit, aufgegliedert in rund 500 Patentfamilien, also eine Gruppe von Patenten, die denselben technischen Inhalt betreffen. Damit konnte man in den vergangenen 10 Jahren eine deutliche Steigerung verzeichnen, 2012 verfügte das Unternehmen noch über 80 Patentfamilien.
“Wie die meisten Unternehmen haben auch wir beim Thema Intellectual Property anfangs lernen müssen”, verrät Grober. “In den 2000er-Jahren haben wir etwa bei einer Kooperation mit dem damals größten Handy-Hersteller an der nächsten Generation der Leiterplatten in Mobiltelefonen gearbeitet. Schlussendlich hat ein mitwirkendes Forschungsinstitut die entwickelten Ideen zu Patenten angemeldet. Diese Erfahrung erzeugte die nötige Awareness und Bereitschaft, tiefer in dieses Thema einzusteigen. Ein damals notwendiger Schritt auf dem Weg vom Produktionsunternehmen hin zu einem Technologieanbieter, wie wir es jetzt sind.”
Branche mit stiller Übereinkunft
Mit Patentverletzungen hat AT&S glücklicherweise nicht oft zu kämpfen, ist Grober froh: “Die PCB-Branche ist aus dem IP-Blickwinkel eine - durch den asiatisch dominierenden Wettbewerb - eher passive, ruhige Branche, allerdings mit einer beträchtlichen Anzahl an Patenten.”
Die Ruhe könnte allerdings schnell vorbei sein. Wird die wirtschaftliche Lage schwieriger, könnten Konkurrenten mittels Patente versuchen, in besetzte Märkte einzudringen. “Wir melden unsere Patente vorwiegend an, um eine Art Versicherung für diesen Fall zu haben und einen gewissen Freiraum für künftige Aktivitäten zu haben”, sagt Grober.
Auch andere Unternehmen setzen auf solche Absicherungen, auch wenn sie sie vielleicht gar nie einsetzen würden. Apple ließ 2012 etwa die abgerundeten Ecken ihrer rechteckigen Geräte patentieren - ein Designelement, das allgemeiner nicht sein könnte. Ähnlich ging auch AT&S vor, das abgerundete Ecken in den Einkerbungen auf ihren Leiterplatten schützen ließ.
“Je nach Bearbeitungsweise und Einsatzzweck kann es unerwünscht oder unmöglich sein, eine perfekte Ecke zu erreichen”, meint Grober. Das Patent wurde in den USA erteilt, dort sei man sehr auf strukturelle Merkmale fokussiert.
“Natürlich muss man die rechtlichen Rahmenbedingungen und unterschiedliche Ansätze der Patentämter kennen: Vor dem Europäischen Patentamt würde diese Art von Patentanmeldung keine Chance haben”, lacht Grober. Hier schaue man eher, ob durch die Neuerung ein konkretes Problem gelöst werde.
Auslizenzierung geplant
Patente gelten in der Regel 20 Jahre lang, danach kann mit einer Trademark zumindest noch die Marke geschützt werden. Ein Beispiel ist Nespresso, das sich die Form ihrer Aluminiumkaffeekapseln patentrechtlich schützen ließ. 2014 lief ihr Patentschutz aus, weshalb auch andere Unternehmen solche Kaffeekapseln anbieten dürfen. Die Trademark sorgt noch dafür, dass Konkurrenten ihre Kapseln nicht als “Nespressokapseln” bezeichnen dürfen und viele Leute doch lieber zur originalen Marke greifen - auch wenn die Alternative vielleicht billiger ist und ebenso gut schmeckt.
In Zukunft will AT&S nicht mehr ausschließlich auf Patente setzen, die rein an die Leiterplattenherstellung gebunden sind. “Wenn man durch neue Methoden die Wasserqualität der chemischen Prozesse erhöhen oder man das in der Produktion weggeätzte Kupfer wiederverwenden kann, ist das auch für andere Unternehmen interessant. Das sind Sachen, wo wir sehr stark in die Lizenzierung gehen werden”, meint Grober.
Bremsen oder beflügeln Patente Innovationen?
Verhindern nun Patente, dass sich die Technologie möglichst schnell weiterentwickeln kann, so wie Musk behauptet? Die eine Seite meint nicht. Unternehmen bräuchten die Sicherheit, dass sie von einer Innovation auch länger finanziell profitieren. Man wird es sich vielleicht zweimal überlegen, in die Entwicklung eines neuen Produkts zu investieren, wenn es die Konkurrenz am Tag darauf kopiert.
Andererseits werden Ideen von Start-ups oft von großen Firmen aufgekauft und in die Schublade gesteckt - einfach nur, um neue Entwicklungen zu blockieren, die dem eigenen Portfolio das Wasser abgraben würden. “Es ist ein zweischneidiges Schwert”, ist sich Grober bewusst. Dennoch ist er überzeugt, dass die Vorteile überwiegen.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und AT&S.