„Die Veränderung des mentalen Set-ups durch Corona ist ein Segen“
Eigentlich sei Zukunft ein leerer Raum, so der Zukunftsforscher Harry Gatterer vom Zukunftsinstitut bei seiner Keynote zum Summit 2020 des Verbands der Internet Service Provider Austria (ISPA). „Die Zukunft ist immer eine Vorstellung von einer Welt, die wir in unserem Kopf haben, die noch nicht existiert. Zukunft ist das, was wir uns vorstellen können.“ Der Summit fand dieses Jahr angesichts der steigenden Corona-Zahlen erstmals rein digital statt.
Veränderung in den Köpfen
Bisher sei es für viele Chefs undenkbar gewesen, dass Menschen auch von zu Hause aus arbeiten können. „Führungskräfte haben gesagt: Wir haben keine Kontrolle über unsere Mitarbeiter, wenn sie zu Hause sind. Aber es hat funktioniert. Wir haben damit einen Zukunftssprung durch Corona gemacht.“ Bei vielen Firmen und Führungskräften habe ein Umdenken stattgefunden.
Die Corona-Zeit habe zudem gezeigt, dass die Digitalisierung nicht in der Zukunft stattfindet, sondern in der Gegenwart. „Technologien, die wir heute einsetzen, haben wir nicht gerade erst erfunden, sondern jetzt können wir uns endlich vorstellen, wie wir sie verwenden können“, sagt Gatterer. Beispielsweise hätte Anfang des Jahres niemand gedacht, dass die Video-Plattform Zoom einmal zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt werden könnte.
Weiterdenken in Europa
Zudem seien Unternehmen, die jetzt in der Krise „weitertun“ und auch „weiterdenken“ allen anderen bald einen kräftigen einen Schritt voraus. Die Krisenzeit eignet sich laut Gatterer hervorragend dazu, innovative Ideen zu entwickeln und in die Zukunft zu blicken. „Die Veränderung des mentalen Set-ups durch Corona ist ein Segen."
Diese Mentalität müsse man auch in Europa an den Tag bringen, sagt Gatterer. Corona müsse etwas sein, das uns anfeuere, um weiter zu denken. „Die Krise hat das Potential, eine Veränderung herbeizuführen“, so der Zukunftsforscher. „In Europa sind wir derzeit nämlich nicht perspektivisch.“ Und bringt ein Beispiel aus der Autobranche: „Ein Mercedes ist ein Auto mit Software drin. Ein Tesla ist eine Software mit einer Hülle, die fahren kann“, meint Gatterer.
Europäische Autobauer seien zwar ingenieursverliebt, aber „der Teil mit der Software fällt uns schwer.“ Man müsse daher die nächsten eineinhalb Jahre nutzen, so der Zukunftsforscher. Das sei eine Zeit, in der viel im Umbruch sei. „Es ist die Zeit des Anpackens, des Fortschritts. Wir müssen uns in Europa nur mehr zutrauen.“
Die nächsten 30 Jahre
Wenn er weiter in die Zukunft blickt, etwa 30 Jahre nach vorne, sieht Gatterer ein Ende der Plattformen in Sicht. „2050 reden wir von Einzel-Entitäten, die miteinander kommunizieren. Von sogenannten Hyperobjects, die selbst zu großen, vernetzten Gebilden werden und die uns vor neue Herausforderungen stellen werden.“
Er führt am Beispiel künstlicher Intelligenz (KI) aus, was er damit meint: „Es wird keine Super-KI geben, die alles dominiert und die die Weltherrschaft an sich reißt, sondern viele KI-Systeme, die nebeneinander existieren und miteinander agieren werden. Es wird keinen zentralen Steuerknopf geben, den wir an einer Stelle kontrollieren können, sondern es wird viele KI-Systeme geben, die alle Teil des Universums sein werden.“