Habe grünen Strom, tausche gegen kaltes Bier
Mit Erneuerbaren Energiegemeinschaften (EEG) soll die lokale Stromproduktion und -Verwertung angekurbelt werden. Das reduziert Übertragungsverluste und entlastet das Stromnetz. Nimmt man an einer EEG als Produzent*in teil, etwa indem man überschüssigen Strom von der eigenen Photovoltaik-Anlage beisteuert, ist es aber oft nicht ganz durchschaubar, wer davon profitiert. Mit dem Ansatz, Strom zu einer Währung zu machen, die man gegen lokal produzierte Waren und Dienstleistungen eintauschen kann, kann diese Situation verbessert werden. Das Konzept wurde und wird an mehreren Orten in Österreich ausprobiert.
Bier gegen Kilowatt
In der kleinen steirischen Gemeinde Stanz im Mürztal werden derzeit die Voraussetzungen dafür geschaffen, um künftig in einem Dorfladen mit so genannten Stanzer Talern zu bezahlen. Für selbst produzierten Strom, den man nicht im eigenen Haushalt verwertet, werden mittels Blockchain-Technologie Token erzeugt. Das sind Einheiten einer digitalen Währung, die in diesem Fall Stanzer Taler genannt wird. Der Stanzer Taler kann anderen Mitgliedern der Energiegemeinschaft Stanzertal zugute kommen, etwa Trixi, der Betreiberin des Dorfladens. Sie deckt damit einen Teil ihrer Stromkosten und tauscht dafür Produkte ein. Dann gibt's Bier gegen Kilowatt.
Grundlage Echtzeitdaten
Das Konzept klingt komplex, die Nutzung soll aber sehr einfach werden, erklärt Kai Siefert von Riddle & Code. Der Wiener Blockchain-Spezialist stellt der Gemeinde Stanz seine Echtzeit-Datenplattform MYPWR als Grundlage für das Bezahlsystem zur Verfügung. Zusätzliche Hardware an digitalen Stromzählern (Smart Meter) sorgt dafür, dass Daten zu Stromerzeugung und Verbrauch sofort in ein Internet-Portal übertragen und für Nutzer*innen visuell aufbereitet werden.
Die Echtzeit-Daten sollen dazu verwendet werden, um etwa Geräte genau dann einzuschalten, wenn viel Strom produziert wird - etwa die Kühlgeräte in Trixi's Dorfladen. In Zukunft können Geräte über Smart-Home-Produkte wie WLAN-Steckdosen auch vollautomatisch gesteuert werden. Diese Möglichkeit sowie der Stanzer Taler sollen laut Siefert dazu beitragen, dass der Eigenverbrauch bei Strom erhöht wird und Stromkosten für die Mitglieder der Energiegemeinschaft sinken.
Lebensmittel aus dem Marchfeld
Bereits jetzt für Produkte mit Strom bezahlen können Menschen in Wien und Niederösterreich, die eFriends benutzen. Die Plattform vernetzt private Stromproduzent*innen und Verbraucher*innen und bietet seit einiger Zeit eine Funktion, bei der man anderen Mitgliedern Strom spenden kann, etwa karitativen Einrichtungen. Darauf aufbauend wurde nun die Tauschmöglichkeit "Kilo gegen Watt" ins Leben gerufen.
Wer dem Marchfelder Lieferdienst Ögreissler bei eFriends Strom spendiert, bekommt im Gegenzug Einkaufsgutscheine. Für die ersten 100 Kilowattstunden gibt es 50 Euro. Dafür kann man Lebensmittel, Wein und andere regionale Produkte bestellen, die dann per Elektroauto oder Fahrrad zugestellt werden. Für den täglichen Einkauf eignet sich diese Art des Bezahlens mit Strom allerdings nicht, die Gutscheine erhält man erst am Ende einer mehrmonatigen Abrechnungsperiode.
Mit der Aktion solle die regionale Wertschöpfung gefördert werden, sagt Klara Dimmel von eFriends, die am 13. Juni beim Speakout Festival der futurezone in Wien auftreten wird. Es gebe bereits mehrere Anfragen von weiteren Unternehmen, die gespendeten Strom als Zahlungsmittel akzeptieren wollen.
Vorreiterprojekt im Burgenland
Mit Strom bezahlen konnte man im Energiekompetenzzentrum Solar.One im burgenländischen Stegersbach - und zwar im Rahmen des EU-Forschungsprojekts CLUE. Unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) wurden von 2019 bis 2022 in mehreren EU-Ländern Ideen zur Verbesserung von Energiegemeinschaften erprobt. Im Burgenland ging es darum, auszuprobieren, wie sich Strom per Blockchain tokenisieren und zum Zahlungsmittel machen lässt - eigentlich ganz so, wie es auch in Stanz im Mürztal passiert.
"Für uns ging es darum, zu prüfen, ob so ein System so einfach gestaltet werden kann, dass man als Laie damit umgehen kann", sagt Michael Niederkofler vom Innovationslabor act4.energy, einem CLUE-Projektpartner: "Es hat gut funktioniert." Im Solar.One in Stegersbach konnte man als Mitglied der lokalen Energiegemeinschaft im Kaffeehaus und an der E-Auto-Ladestelle mit so genannten EKWH (elektronische Kilowattstunden) bezahlen. Die Blockchain-Technologie dafür lieferte das Grazer Unternehmen Lab10.
Soziale Komponente enorm wichtig
Für Thomas Zeinzinger, den CEO von Lab10, habe das Projekt gezeigt, dass regionale Währungen zwar funktionieren, aber sehr viel Aufmerksamkeit benötigen. "Man muss Menschen informieren und ihnen beibringen, wie man damit umgeht." Neben der technischen brauche es auch eine starke soziale Komponente, damit Strom als Währung erfolgreich wird. Erkenntnisse aus CLUE lässt Lab10 in sein Projekt 7energy einfließen. Dabei soll ein Token-basiertes Abrechnungssystem für Energiegemeinschaften geschaffen werden, das komplett ohne Bankkonten auskommt.