Flug verspätet: So komme ich zu meiner Entschädigung
Lange Schlangen, entnervte Passagier*innen und stundenlange Verspätungen: Auf Europas Flughäfen lief es zuletzt alles andere als rund. Auch in der anstehenden Ferien- und somit Reisezeit dürfte es aufgrund des Mangels an Bodenpersonal nicht viel besser aussehen.
Was vielen Reisenden nicht bewusst sein dürfte: Wenn ein Flug eine Verspätung von 3 Stunden oder länger aufweist, haben Passagier*innen oft ein Recht auf Ausgleichszahlungen gemäß EU-Fluggastrechteverordnung.
Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) beobachtet laut eigenen Angaben seit einem Monat einen Anstieg der Beschwerdefälle im Flugbereich. Über ein Drittel (38,8 Prozent) aller Beschwerden im Jahr 2022 sind seit 1. Mai eingegangen, wie es auf Anfrage der futurezone heißt. Insgesamt wurde von der Agentur im vergangenen Jahr über eine Million Euro von Fluglinien erfolgreich eingefordert.
Doch wie geht man vor, wenn man selbst deutlich verspätet an seinem Zielort ankommt.
Wann steht mir eine Ausgleichszahlung zu?
Passagier*innen haben ab einer Verspätung von 3 Stunden oder mehr ein Recht auf eine Ausgleichszahlung, sofern der Flug einen Bezug zur Europäischen Union hat. Konkret:
- Immer dann, wenn ein Flug auf einem Flughafen innerhalb der EU startet oder landet
- Oder wenn der Flug von einer Airline durchgeführt wird, die ihren Hauptsitz in der EU hat
Außerdem hat man Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zuzüglich zur Erstattung des Ticketpreises, wenn der Flug annulliert und man weniger als 14 Tage davor darüber informiert wurde - ohne, dass eine adäquate Alternative angeboten wurde. Ausnahmen kann es hier geben, wenn Alternativflüge angeboten werden, die zu vergleichbaren Zeiträumen abfliegen und ankommen (mehr Details dazu hier).
Wie hoch ist die Ausgleichszahlung?
Die Höhe der Ausgleichszahlungen ist unabhängig vom bezahlten Ticketpreis und richtet sich je nach der Flugstrecke, wie auch auf der Webseite der apf nachzulesen ist. Demnach sind folgende Summen vorgeschrieben:
- bei Flügen bis zu 1.500 km: 250 Euro
- bei Flügen innerhalb der EU ab 1.500 km: 400 Euro
- bei Flügen von 1.500 km bis 3.500 km (nicht innerhalb der EU): 400 Euro
- Bei Flügen über 3.500 km (nicht innerhalb der EU): 600 Euro
Ein Beispiel: Wenn ein Flug von London nach Wien (Entfernung gut 1.200 km) eigentlich um 14 Uhr Ortszeit hätte ankommen sollen, aber erst um 17:30 Uhr landet, hat jede*r Passagier*in ein Recht auf eine Zahlung von 250 Euro - unabhängig davon, was das Ticket gekostet hat. Die gleiche Verspätung bei einem Flug von Wien nach Dublin schlägt der Airline schon mit 400 Euro zu Buche.
Bei den Beträgen gibt es aber Ausnahmen. Etwa dann, wenn die Flüge eine geringere Distanz aufweisen. Bei verspäteten Flügen von über 3.500 km kann eine Ausgleichszahlung außerdem um die Hälfte gekürzt werden, wenn die neue Ankunftszeit nicht mehr als 4 Stunden hinter der planmäßigen Ankunftszeit liegt. Bietet die Fluglinie im Falle einer Flugannullierung einen Alternativflug an, können die Ausgleichszahlungen unter bestimmten Voraussetzungen ebenso um die Hälfte gekürzt werden.
Wie stelle ich einen Antrag?
Der erste Schritt für Passagier*innen ist es gewöhnlich, nach einer Möglichkeit zu suchen, die jeweilige Airline zu kontaktieren. Auf einer Website der apf sind alle Kontaktadressen der Beschwerdestellen der Airlines sowie bei Bedarf von Flughäfen gelistet. Bei Airlines sind die jeweiligen Online-Beschwerdeformulare verlinkt, zu dessen Nutzung die apf auch rät.
Eine Kontaktaufnahme per E-Mail sei demnach grundsätzlich schwierig, da jenes an eine offizielle Beschwerdeadresse der Airline gesendet werden muss, damit das E-Mail auch als Beschwerde erkannt und bearbeitet werden könne. Sollte es beim Antrag via Online-Formular zu Problemen kommen, rät die apf zu einem eingeschriebenen Brief an die Airline. Entsprechende Musterbriefe werden von der behördlichen Einrichtung ebenfalls zur Verfügung gestellt, man findet sie hier.
Jedenfalls sei es laut apf ratsam, sämtliche Kommunikation ausreichend zu dokumentieren - entweder durch die Versandbestätigung des Einschreibens oder per Screenshots der Online-Formulare. Bei einem Antrag bei der apf (falls die Airlines etwa nicht reagieren, siehe nächsten Punkt) muss der Schriftverkehr, der zuvor mit der Airline stattgefunden hat, nachgewiesen werden.
Was mache ich, wenn die Airline nicht reagiert?
Sollte man innerhalb von 6 Wochen gar keine oder keine zufriedenstellende Antwort bekommen, kann man einen Antrag bei der apf einbringen. Möglich ist das kostenlos über dieses Formular.
Die apf behandelt allerdings Anträge nur dann, wenn die Fluggastrecht-Verordnung der EU Anwendung findet und ein Bezug zu Österreich besteht (Ankunft/Abflug in Österreich und/oder eine österreichische Fluggesellschaft). Ist eine andere Schlichtungsstelle oder Durchsetzungsstelle innerhalb der EU zuständig, kann die apf auf Wunsch der Antragsteller*in den Antrag an die zuständige Durchsetzungsstelle weiterleiten, heißt es auf Anfrage bei der Agentur.
Der Service der apf ist ist immer - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens - kostenlos und provisionsfrei.
Gibt es Ausnahmen?
Ja, die Airline ist nicht zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet, wenn “außergewöhnliche Umstände” zur Verspätung geführt haben. Konkret ist in der Fluggastrechteverordnung von politischer Instabilität, Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln oder Streiks die Rede.
Eine genaue Auflistung aller möglichen Vorkommnisse ist der Verordnung nicht zu entnehmen. Die apf beobachtet laut eigenen Angaben, dass gegenüber Passagier*innen recht oft „außergewöhnliche Umstände“ geltend gemacht werden. Dabei unterbleibe die nähere Ausführung der Umstände jedoch oft.
Die apf empfiehlt, sofern der Antrag auf Entschädigung von der Airline mit Verweis auf außergewöhnliche Umstände abgelehnt wird, ihn bei der Agentur einzureichen. Sobald dann die apf einschreitet und sich der Sache annimmt, würden in vielen Fällen diese „außergewöhnlichen Umstände“ vom Luftfahrtunternehmen nicht mehr vorgebracht und die Leistungen aus der Fluggastrechte-VO zugesichert werden.
Was tun, wenn die Airline stattdessen einen Gutschein bietet?
Nicht selten kommt es vor, dass Airlines anstelle einer Ausgleichszahlung per Überweisung auf ein Konto Gutscheine anbieten. Betroffene müssen diese Gutscheine nicht akzeptieren und können stattdessen auf einer Zahlung des Betrages in Landeswährung bestehen, wie die apf erklärt.
Wenn die Airline einen höheren Betrag per Gutschein anbietet, kann man sich natürlich überlegen, jenen zu akzeptieren. Wenn man plant, künftig erneut mit der Airline zu fliegen, kann das im Einzelfall sinnvoll sein.
Soll ich meine Forderung über eine externe Agentur machen?
Wer die Google-Suche zum Thema Ausgleichszahlung bemüht, wird schnell auf Google-Ads von Unternehmen stoßen, die anbieten, die jeweilige Forderung für einen durchzusetzen - sogenannte Claim Agencies. Auch wenn die Angebote in der Regel nicht unseriös sind, sollte man sich gut überlegen, ob man einen derartigen Dienst nutzen möchte.
Diese Firmen arbeiten in der Regel auf Provisionsbasis, das heißt, man muss einen bestimmten Betrag der Entschädigung abtreten. Nicht selten sind das 20 bis 30 Prozent der Entschädigungssumme, dazu kommen Steuern. Die entsprechende Plattform Flightright rechnet selbst etwa vor, dass bei einer Entschädigung von 600 Euro schlussendlich gut 407 Euro auf das Konto der Kund*innen überwiesen werden.
Deswegen ist es ratsam, sich selbst direkt an die Airline zu wenden. Sollte es bei der Forderung tatsächlich zu Problemen kommen, kann man sich an die apf wenden. Jene weist gegenüber der futurezone auch darauf hin, dass im Gegensatz zu den Verfahren bei Claims Agencies Luftfahrtunternehmen bei den Verfahren der apf gesetzlich zur Mitwirkung verpflichtet sind. Bei einem Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht kann die zuständige Verwaltungsstrafbehörde eine Strafe von bis zu 22.000 Euro verhängen.
Welche Ansprüche habe ich noch?
Bei einer Flugverspätung hat man außerdem Anspruch auf Betreuung und Verpflegung – wenn folgende Faktoren zutreffen:
- bei Flügen bis zu 1.500 km bei 2 Stunden Abflugsverspätung oder mehr
- bei Flügen innerhalb der EU ab 1.500 km bei 3 Stunden Abflugsverspätung oder mehr
- bei Flügen von 1.500 km bis zu 3.500 km (nicht innerhalb der EU) bei 3 Stunden Abflugsverspätung oder mehr
- bei Flügen über 3.500 km (nicht innerhalb der EU) bei 4 Stunden Abflugsverspätung oder mehr.
Konkret heißt das, dass die Airline Snacks und Erfrischungen anbieten sowie eine “kostenfreie Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon” zu ermöglichen hat. Sollte es diesbezüglich kein Angebot der Airline geben, empfiehlt es sich, Rechnungen von Speisen und Getränken aufzuheben und nachträglich zurückzufordern.