Formel 1 in Spielberg: Computer liefert Live-Prognosen für Fans
Mit dem Grand Prix von Österreich am 5. Juli kehrt die weltgrößte Autorennserie nach der Corona-Krise zurück. Das von Fans sehnlich erwartete Rennen in Spielberg wird für Zuschauer vor dem Fernseher tiefere Einblicke in das datenintensive Renngeschehen bringen. Gemeinsam mit Amazon Web Services (AWS) werden sechs neue Echtzeitstatistiken - "Insights" - eingeführt. Unter anderem wird die Gesamtleistung der Fahrer mit Punkten von 1 bis 10 bewertet. Außerdem wird die Leistung der Autos, Geschwindigkeitsvergleiche zwischen Fahrern und das Kurvenfahrverhalten in Zahlen gegossen. Während der Rennqualifikation wird sogar eine Prognose über das Abschneiden der Teams eingeblendet.
"Mitreißenderes Erlebnis"
"Der Sinn und Zweck des Ganzen ist, das Formel-1-Erlebnis zu verbessern", erklärt Rob Smedley im futurezone-Interview. Smedley machte in der Formel 1 als Renningenieur für Ferrari und Williams Karriere und arbeitet nun für die Formel 1 als Chief Technical Engineer im Bereich Performance Engineering and Analysis. "Wenn du dir die Formel 1 im Fernsehen ansiehst, siehst du immer nur einen kleinen Teil des Renngeschehens. Aber da draußen fahren 20 Autos. Mit den Insights erweckt man einige der Geschichten, die da ablaufen, zum Leben. Sie bieten ein viel mitreißenderes Fernseherlebnis."
300 Sensoren
Die Daten für die Echtzeitstatistiken werden von jenen 150 bis 300 Sensoren erzeugt, die in jedem Formel-1-Auto stecken. Wie Smedley beschreibt, werden die Daten komprimiert und per Funk (z.B. WLAN) an die Boxengasse übermittelt. Pro Rennen sammelt jedes Auto rund ein Gigabyte an Zeitnehmungs- und Telemetriedaten. Von der Box werden die Daten an AWS weitergeleitet und von dessen Servern analysiert. Dabei kommt auch Machine Learning zum Einsatz, etwa um aus Parametern wie Qualifying-Zeiten, Startreaktion, Durchschnittszeiten während des Rennens, Reifenmanagement, Überholstil und Platzverteidigung einen zusammenfassenden Wert für die Fahrerleistung zu ermitteln.
Technikaffines Publikum
"Dabei werden die individuellen Leistungen mit Referenzwerten, auch aus der Formel-1-Geschichte, während des gesamten Rennwochenendes verglichen", meint Smedley. Die ausgewerteten "Insights" sollen Fernsehzusehern "alle paar Runden" eingeblendet werden. Wer die Formel 1 regelmäßig verfolgt, wird andere Varianten der "Insights" schon erblickt haben. Das Gemeinschaftsprojekt mit AWS wurde 2018 vorgestellt. Daten zu voraussichtlichen Boxenstopp-Strategien, Zweikampfprognosen oder Reifenleistung bekamen Zuseher bereits geliefert. Das Angebot der "Insights" wird nun massiv erweitert.
"Wir sind der datenintensivste Sport der Welt", meinte Formel-1-Motorsportdirektor Ross Brawn bei einer Präsentation der "Insights" vor zwei Jahren. "Die Teams hatten diese Einblicke in das Renngeschehen durch Daten schon immer. Nun bringen wir sie zu den Fans." Für AWS bringt die Zusammenarbeit einen enormen Werbewert. Rund 500 Millionen Fans soll die Formel 1 weltweit haben. Ein großer Teil davon bringt hohe Technik-Affinität mit.
Keine genaue Vorhersage
Doch wird die Durchleuchtung des Renngeschehens mittels Echtzeitdaten oder die Vorhersage von Resultaten wirklich von allen Fans gewünscht? Rob Smedley meint zu dieser Frage: "Die Daten sind objektiv und bei den Prognosen handelt es sich um Simulationsergebnisse. Wir können die Zukunft niemals vorhersehen, wir verwenden nur ein bisschen Mathematik und Machine Learning, um uns bessere Einblicke zu verschaffen. Von TV-Kommentatoren wird das hoffentlich gut aufgenommen. Es liefert ihnen wirklich interessante Dinge, über die man sprechen kann."
Angesprochen auf die Möglichkeit, dass sich Wettquoten durch die Rennprognosen verändern könnten, nimmt Smedley eine abwehrende Haltung ein: "Es handelt sich um analytische Modelle. Wie die aufgefasst und verwendet werden, können wir nicht beeinflussen."
App "mehr als möglich"
Momentan kann man die "Formula 1 Insights" nur im Fernsehen sehen. Laut offiziellen Angaben von Amazon gibt es auch keine Pläne, die Echtzeitstatistiken auf anderen Kanälen auszuspielen. Laut Rob Smedley wird es aber so kommen. "Eine App ist mehr als möglich", meint er. "Mit dem Ausspielen im Fernsehen wollten wir einen linearen Kanal schaffen und ich glaube, wir haben dabei die richtige Balance gefunden. Aber es gibt Fans, die auf einem viel analytischeren Level interessiert sind. Die wollen ein Erlebnis wie die Leute in der Boxengasse vor einer Wand aus Bildschirmen. Das ein bisschen zu vermitteln, wird ein künftiges Projekt sein."