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Formel-E-Weltmeister: „Die Formel 1 ist nicht mehr relevant“

Mit seinen 29 Jahren hat Rennfahrer Jean-Éric Vergne fast alle wichtigen Motorsportklassen durch. 2010 gewann er die britische Formel-3-Serie, zwischen 2012 und 2016 war er bei in der Formel 1 bei Toro Rosso als Fahrer und schließlich als Testpilot bei Ferrari engagiert. Seit 2014 ist Vergne in der damals neu gegründeten Formel E aktiv und gewann in der Vorsaison schließlich den Fahrertitel.

In der aktuellen Saison fährt er für das französisch-chinesische Team von DS Techeetah, für das die Citroën-Schwester DS Automobiles den Antrieb und technisches Know-how liefert. In der aktuellen Saison fuhr Vergne im März im E-Prix von Sanya (China) seinen ersten Erfolg ein. Am heutigen Samstag steht er beim E-Prix von Rom am Start.

futurezone: Sie kennen sowohl die Formel 1 als auch die Formel E. Was sind die größten Unterschiede?
Jean-Éric Vergne:
Der Vergleich ist schwierig, weil es im Grunde zwei komplett unterschiedliche Sportarten sind. In der Formel E sind die Teams extrem nah beieinander, jeder kann gewinnen. Das macht es auch so spannend.  Im Vorjahr hatten wir das kleinste Team mit dem wenigsten Geld und haben trotzdem den Weltmeistertitel gewonnen. In der Formel 1 kannst du noch so gut sein. Wenn du nicht für Ferrari oder Mercedes fährst, bist du ohne Chance.

Und was die technische Entwicklung betrifft?
Vor 20 Jahren fungierte die Formel 1 als Schaufenster für neue Technologien, die dann in allen Autos auf der Straße landeten. Das ist heute definitiv nicht mehr so. Wer ein Auto mit Formel-1-Technologien kaufen will, müsste zwei bis drei Millionen Euro ausgeben. In dieser Hinsicht ist die Formel 1 heute nicht mehr relevant.

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Jean-Éric Vergne

Inwiefern ist das bei der Formel E anders?
Viel Arbeit fließt in die Rückgewinnung von elektrischer Energie durch den Bremsvorgang. Von jedem zusätzlichen Kilowatt, das wir an Energieeffizienz auf den Rennstrecken herausholen, profitieren alle Elektroautos auf der Straße. Sie erhalten einfach ein Software-Update und werden dadurch umweltfreundlicher. Die Technologien, die wir bei DS Techeetah fürs Rennauto entwickeln, landen auch im Elektro-SUV DS 3 Crossback, der Ende des Jahres auf den Markt kommt. Das has schon eine ganze andere Relevanz.

Welche Rolle spielen Elektroautos für eine grünere Zukunft?
Ich bin fest davon überzeugt, dass E-Mobilität den Planeten grüner machen wird. Bis vor wenigen Jahren konnte man als Privatperson vielleicht Müll trennen oder seine Glühbirnen durch energiesparende Lampen ersetzen. Autos sind allgegenwärtig. Wenn sie im Betrieb emissionsfrei unterwegs sind, macht das einen enormen, einen echten Unterschied - wie man heute schon in Norwegen sehen kann.

Elektro bedeutet aber nicht automatisch umweltfreundlich. Die Energie muss ja auch irgendwo herkommen.
Das stimmt natürlich, kann aber nicht die Aufgabe der Autohersteller sein. Da sind unsere Regierungen gefragt bzw. können wir als Bürger dahingehend Druck machen. Wenn wie in Frankreich der Anteil von Erneuerbarer Energie nur sieben Prozent ausmacht, müssen wir auf politischer Ebene was tun. Norwegen produziert zu 100 Prozent grüne Energie.

Wie wichtig ist eine größere Reichweite, damit sich E-Autos durchsetzen?
Das kommt auf den Verwendungszweck an. Wenn ich jeden Tag 450 Kilometer von Paris nach Lyon fahren muss - ok, da wäre es vermutlich gescheiter mit dem Zug zu fahren. Für den täglichen Weg von zuhause in die Arbeit brauche ich aber nicht Hunderte Kilometer, da spielt Reichweite keine Rolle. Die Frage stellt sich ja auch bei einem Verbrennungsmotor: Was ist die optimale Reichweite? 500 Kilometer? 2000 Kilometer? Es ist alles machbar, aber man muss halt abwägen, ob es vom Gewicht des Autos dafürsteht.

Sie meinten kürzlich, wer einmal ein Elektroauto gefahren ist, will nie mehr zurückwechseln. Ist das Fahrgefühl wirklich so anders?
Es ist eine komplett andere Art zu fahren. Die meisten kennen das Konzept ja nicht, dass man beim Abbremsen Energie zurückgewinnen kann. Das optimal auszunutzen, ist wie ein Spiel. Auch das ständige Hantieren mit Kupplung, Gaspedal, Bremspedal wird wegfallen. Künftig wird man vermutlich nur mehr ein Gaspedal haben und eventuell noch eine Notbremse irgendwo eingebaut haben.

Manche Leute stören sich am Klang von Elektromotoren.
Als ich das erste Mal bei der Formel E zu Gast war, war ich zuerst auch schockiert. Aber das ist halt alles nur Gewöhnungssache. Die junge Generation wird ganz selbstverständlich damit aufwachsen. Und älteren Semester, die sich damit nicht anfreunden können, sage ich dann: Aber auf welchem Planeten willst Du leben? Ist das Motorengeräusch wirklich ausschlaggebend, wenn die Technologie umweltfreundlicher ist?

Was sind die größten Errungenschaften in der Formel E seit dem Start 2014?
Der größte Erfolg ist sicher, dass wir aufgrund des besseren Akkus mittlerweile nicht mehr zwei Autos brauchen, um ein Rennen beenden zu können. Die Kapazität hat sich verdoppelt - und das bei gleichem Gewicht. Erreicht wurde dies einerseits durch eine bessere Akku-Technik, aber auch durch die deutlich verbesserte Rückgewinnung von Bremsenergie.

Der nächste Schritt sind selbstfahrende Autos. Hat der Motorsport überhaupt eine Zukunft?
Rennsport wird es immer geben, weil die Leute ja genau den menschlichen Faktor lieben. Oder würden Sie sich ein Fußballspiel mit Robotern ansehen, wo man dann ein Fan von "Modell x" oder "Modell y" ist? Nein, die Leute sind Fans von Messi oder Ronaldo, eben weil sie Menschen sind. Das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern. Und falls wir jemals soweit sind, dass Fahrer gegen autonome Fahrzeuge antreten müssen, gehe ich gern freiwillig in Pension.

Formel E startet in Europa

Die 2014 etablierte Formel-E-Rennserie, bei der ausschließlich Rennwagen mit Elektroantrieb eingesetzt werden, macht diesen Samstag in Rom Station (ORF 1 überträgt ab 15:45 live). Damit beginnen die Rennen in Europa, die als „voestalpine European Races“ eine eigene Wertung erfahren. Für Aufsehen sorgten zuletzt Berichte, wonach auch Wien als Formel-E-Standort im Gespräch sei. Heuer finden noch E-Prix in Paris, Monaco, Berlin, Bern und New York statt.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation mit DS Automobiles entstanden.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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