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"In der Mädchenwerkstatt wird gebohrt, gehämmert und gestanzt"

Der Verein sprungbrett bringt Mädchen Berufsbilder näher, die vielleicht nicht automatisch auf ihrer Agenda stehen. Zirka 50 Personen arbeiten hier in fünf verschiedenen Bereichen daran, so etwa im Projekt „youngFIT“ mit der Zielsetzung einer Lehrstelle in einem handwerklichen oder technischen Beruf, oder auch im Projekt „FIT Wien-Niederösterreich-Burgenland“, einem Programm zur Studienorientierung für Schülerinnen im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Die futurezone sprach mit Martina Könighofer und Renate Wenda über ihre Arbeit.

Wie lange gibt es sprungbrett bereits und wie wird Ihr Angebot angenommen?
Martina Könighofer: Der Verein „sprungbrett für Mädchen“ feierte im Vorjahr sein 30-jähriges Bestehen. Wir freuen uns sehr, über die Jahre zu einer wichtigen Institution in Wien gewachsen zu sein, die Mädchen und junge Frauen in unterschiedlichsten Belangen unterstützt – sei es bei der Lehrstellensuche, der Schulauswahl oder bei persönlichen Anliegen und Sorgen.

Wer kommt zu euch?
Könighofer: Zu uns kommen Mädchen und junge Frauen im Alter von 11-25 Jahren, die Fragen zu Ausbildung und Arbeitsmarkt haben, oder mit einer Beraterin über ihre offenen Fragen und Anliegen sprechen möchten – sei es Mobbing, Gewalterfahrungen, Sexualität, u.v.m. Mädchen können auch an Selbstverteidigungskursen teilnehmen oder mit ihren Mitschülerinnen zu einem unserer Schul-Workshops zu Themen der Berufsorientierung und des Empowerment kommen.

Wo liegen die größten Hürden, wenn es darum geht Mädchen und junge Frauen für Technik-Berufe zu begeistern?
Könighofer: Mädchen und Frauen sind in technischen (Lehr-)berufen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Häufig sind es klischeehafte Vorstellungen von „typisch männlichen“ und „typisch weiblichen“ Berufen, die nach wie vor im Elternhaus, im Freundeskreis oder im schulischen Umfeld, vorherrschen. Um sich bewusst gegen traditionelles Rollendenken zu entscheiden, braucht es Know-How, Vorbilder, Unterstützerinnen und Unterstützer und das nötige Selbstbewusstsein.

Wie schafft man es, Stereotype in den Köpfen der Mädchen zu durchbrechen?
Könighofer: Wir arbeiten mit Mädchen (ab 11 Jahren) in geschlechtshomogenen Gruppen zusammen, um solchen möglichen Entwicklungen entgegenzuwirken. In der Mädchenwerkstatt wird gebohrt, gehämmert, gestanzt. Oft ist das eine ganz neue Erfahrung für so manche Teilnehmerin und sie kann dann ihr Interesse neu erkunden. Machen liegt diese Arbeit aber auch überhaupt nicht, was ja auch okay ist. Wichtig ist es aus unserer Sicht, sich selbst zu erproben und einmal fernab von Klischees ausprobieren zu können, was einem liegt – oder eben auch nicht.
Renate Wenda: In der Mädchenwerkstatt können sich Mädchen austoben, ohne Meldungen von außen. Wir bestärken sie in dem, was sie können und bohren nicht auf dem herum, was noch fehlt. Aber es wäre ganz langweilig, wenn alle alles schön könnten.

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Scheitert es wirklich am „sich selbst etwas zutrauen“?
Könighofer: Die Erfahrung von sprungbrett zeigt, dass die Bestärkung von Mädchen und jungen Frauen sehr wichtig und zielführend ist. Dies geschieht etwa bei youngFIT durch  Selbstbehauptungsworkshops, Einzelcoachings, oder Probebewerbungsgespräche. Hierbei sollen das Selbstbewusstsein der Teilnehmerinnen gestärkt, mögliche Unsicherheiten aufgearbeitet und Ängste reduziert werden.

Mentorinnen des Projekts „Jugend hackt“ haben mir erzählt, dass es ab acht Jahren bei Mädchen feststellbar ist, dass sie sich gewisse Dinge mit Technik nicht mehr zutrauen, sich nicht mehr engagieren und beginnen, sich stereotyp zu verhalten. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
Wenda: Ja. Je früher man damit anfängt, umso weniger haben sie dieses „Mädchen und Technik geht nicht“-Denken. Zehnjährige sind meist noch voll offen. Bei den 14-Jährigen macht die Praxis aber auch Spaß und hier lässt sich in den Köpfen der Mädchen auch noch etwas verändern.

Wie wichtig sind Vorbilder?
Wenda: Models sind sehr wichtig. Mädchen müssen selbst Frauen kennenlernen, die Technikerinnen sind.
Könighofer: Zu sehen, dass etwaige Hindernisse überwindbar sind, Erfahrungen auszutauschen und Tipps zu bekommen, erleben die meisten Mädchen als sehr bestärkend.

Stereotype sitzen nicht nur in den Köpfen von jungen Frauen, sondern auch in denen ihrer Gegenüber – also bei ihren Arbeitgebern und Kollegen. Was raten Sie hier jungen Frauen?
Könighofer: Sowohl youngFIT als auch das Projekt FIT vermitteln Technik-affinen Mädchen und jungen Frauen, dass sie nicht alleine sind. In der Gruppe können sie sich unter Gleichalterigen und Gleichgesinnten gut austauschen und sich gegenseitig bestärken. Die sprungbrett-Beraterinnen unterstützen sie, wenn es Fragen oder Unsicherheiten gibt und informieren sowohl junge Frauen als auch Betriebe über Möglichkeiten und Chancen, aber auch über gesetzliche Grundlagen, wie etwa das Gleichbehandlungsgesetz.

Berät sprungbrett auch Unternehmen?
Könighofer: Die sprungbrett-Betriebsarbeit arbeitet eng mit Unternehmen zusammen und berät diese, wenn es darum geht, erstmalig einen weiblichen Lehrling in einem bislang männerdominierten Bereich auszubilden. Mit dem amaZone-Award werden alljährlich Unternehmen ausgezeichnet, die sich besonders in der Ausbildung von Frauen in Handwerk & Technik engagieren.

Was wollt ihr jungen Mädchen bei der Berufswahl auf den Weg mitgeben?
Könighofer: Schaut euch möglichst viele unterschiedliche Berufe an, macht Schnupperpraktika und traut euch, etwas auszuprobieren, das ihr noch nie gemacht habt.
Wenda: Es gibt eigentlich keine Berufe, die männlich oder weiblich sind. Es gibt nur Tätigkeiten, die einem gefallen können oder nicht.

Im Rahmen des RRRIOT Festivals gibt es zwei Veranstaltungen in Kooperation mit dem Verein sprungbrett, bei denen Mädchen nicht nur mit den Inhalten von technischen Berufsfelder vertraut gemacht werden, sondern sich auch über Trends am Arbeitsmarkt und Einstiegsgehälter informieren können. Am Sonntag, 5. März, gibt es ein Event für junge Mädchen, aus dem „youngFIT“-Bereich. Dabei können Mädchen ab 13 Jahren Technik-Luft schnuppern. Am Mittwoch, 7. März, gibt es eine SMS-Lounge für ältere Mädchen, bei der alle Fragen zum Arbeitsmarkt beantwortet werden.

Disclaimer: Die futurezone ist Medienpartner des RRRiot Festivals und Business Riot Festivals.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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